Geisterfahrer
Kommentar von Christian Brandstätter
Fahr nicht fort, kauf im Ort“
– diesen Slogan kennt man seit Jahrzehnten. Wir sollen beim Greißler ums Eck einkaufen, um die Nahversorgung zu sichern. Ziemlich genau 20 Jahre ist es her, dass wir – damals war ich als Umweltberater tätig – mit der Kampagne „bewusst einkaufen“ Veranstaltungen zu diesem Thema organisiert haben. Geladen waren Bürgermeister, Umweltgemeinderäte und Geschäftsleute. Doch genau am Tag einer dieser Veranstaltungen hatten die Bürgermeister eines Bezirkes ihren alljährlichen Ausflug geplant. Es ging nach Ungarn, zum Shoppen. Eine alte Geschichte. Heute ist das sicher ganz anders.
„Clever einkaufen für die Schule“ nennt sich eine Aktion, mit der das Umweltministerium den Eltern den Kauf umweltfreundlicher Schulartikel ans Herz legt, und das überaus erfolgreich. Mittlerweile tragen so ziemlich alle Schulhefte das Österreichische Umweltzeichen. Auf der anderen Seite gibt der Staat (= geben wir alle) rund 100 Millionen Euro für Schulbücher aus. 80% davon entfallen auf Papier, Druck und Bindung. Gedruckt wird jedoch zum Großteil nicht in Österreich, und auch nicht nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens. Viele der mittlerweile 107 heimischen Druckereien, die sich um das staatliche Öko-Gütesiegel bemüht haben, könnten die Schulbücher umweltfreundlich drucken. Das Unterrichtsministerium müsste nur ökologische Kriterien in ihren Ausschreibungen definieren. So wie die Stadt Wien, die solche Kriterien für den Einkauf sogar gesetzlich verankert hat.
Die Druckerbranche ist generell ein hart umkämpftes Pflaster und leidet in Europa an Überkapazitäten. Trotzdem werden – etwa in Polen – zahlreiche neue Druckereien errichtet – mit modernster Technik und großzügig gefördert mit EU-Geld (= auch unser Geld!). Ausreichend gedopt ist es dann ein Leichtes, den Markt mit Dumpingpreisen aufzurollen. Und so mancher Verleger wird angesichts sinkender Einnahmen beim Inseratengeschäft bei den Verlockungen weich, anderswo wesentlich günstiger drucken zu können. Viele der großen heimischen Magazine werden heute nicht mehr in Österreich gedruckt.
Give-Aways
Wahlen sind immer wieder Anlässe für Geschenke. Neben den „Wahlzuckerln“ in Form von Versprechungen werden die BürgerInnen großzügig mit Feuerzeugen und Kugelschreibern bedacht. Manche Parteien schauen bewusst darauf, was sie unters Volk bringen. Bio-Tees, Bio-Saatgut, Stofftragetaschen – vieles ist tatsächlich brauchbar und darüber hinaus ökologisch produziert. Doch: „Bitte kein unverlangtes Werbematerial“ steht auf dem Pickerl an meiner Wohnungstür. Meist halten sich die Austräger daran. Vor Wahlen hat dieser Wählerwille anscheinend keine Relevanz. Da hängen dann grässliche Plastiktaschen an der Wohnungstür, deren einziger Bestimmungszweck der Weg in die Mülltonne ist.
Natürlich spielt der Preis der so genannten „Give-Aways“ eine große Rolle. Und fair gehandelte Stofftaschen aus Biobaumwolle sind um ein Vielfaches teurer. Doch besonders Organisationen und Firmen, die sich für Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Fairness und gegen die Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen einsetzen, sollten bei Artikeln mit großer Außenwirkung kein Klumpert verteilen.
Apropos ArbeitnehmerInnen
Besonders schlimm finde ich es, wenn Umwelt- und Sozial-NGOs beim eigenen Personal ihre Ideale über Bord werfen. Etwa, wenn Leute mit Universitätsausbildung oder erfahrene Fachkräfte eingestellt und nach den Vorgaben für VerwaltungspraktikantInnen des Bundes entlohnt, das heißt mit 880 Euro im Monat abgespeist werden sollen. Oder wenn darüber diskutiert wird, eine junge Mutter zu kündigen, weil sie keine unbezahlten Überstunden mehr leisten will oder kann.