ArtistInnen auf Reisen
Nachhaltig reisen feiert: Julia Balatka feiert 25 Jahre Reisebüro Odyssee Reisen und Christian Hlade 15 Jahre mit Weltweitwandern. Wir gratulieren herzlich und haben die beiden Pioniere nach ihren Erfahrungen und Erkenntnissen gefragt.
Wann ist reisen nachhaltig?
Julia Balatka: Das ist immer individuell zu beurteilen, in einer Kombination aus Reisedauer, Reiseziel und Reisegrund. 3 Tage shopping in New York oder 5 Tage golfen in Sri Lanka als Firmenincentive sind definitiv nicht nachhaltig. Nachhaltig reisen ist, wenn man bei Flugreisen länger bleibt, vor Ort die lokale Wirtschaft stärkt (vor allem in ärmeren Ländern) und in Unterkünften wohnt, die auf Ressourcenschonung und faire Arbeitsbedingungen achten.
Christian Hlade: Mir fällt der Begriff Nachhaltigkeit immer schwerer, denn Fernreisen können durch die weite Anreise nie umweltschützend sein, das ist eine Quadratur des Kreises, die wir nicht hinbekommen. Mit dem Zug kann man bestenfalls in Europa reisen, eine Reise mit dem Zug nach Marokko bucht schon niemand mehr. Natürlich beträgt die durchschnittliche Dauer unserer Reisen 12 Tage, und natürlich bieten wir unseren KundInnen die CO2 Kompensation an. Aber das ist für mich nicht wirklich überzeugend. Was uns daher wichtig ist, ist sozial verträgliches reisen. Da können wir wirklich etwas bewegen.
Was ist die Stärke von Odyssee Reisen und Weltweitwandern?
Balatka: Wir sind auf ökologisches und sozial verträgliches Reisen spezialisiert, wir arbeiten mit kleinen Firmen zusammen und achten darauf, dass die Wertschöpfung vor Ort stattfindet. Das wichtigste für unsere Kunden ist, dass sie nicht in Bettenburgen sondern in kleinen familiär geführten Unterkünften wohnen - weil es persönlicher ist.
Hlade: Unser Fokus liegt auf fairem reisen, achtsam reisen. Es ist eine Haltung, wie man der Welt mit Wertschätzung begegnet. Unsere Stärke liegt in Begegnungen, die bewegen. Wir arbeiten fast überall mit lokal verwurzelten Guides. Ursprünglich war das eine Notlösung, weil es viel zu teuer gewesen wäre, ÖsterreicherInnen hinzuschicken. Heute hat sich das zu unserer absoluten Stärke entwickelt. Andere Kulturen lernt man einfach besser kennen, wenn der heimische Guide durch das Tal und die Dörfer führt.
Was sind die eindrücklichsten Erlebnisse eurer KundInnen?
Hlade: Wandern bedeutet nicht nur miteinander reden oder eine andere Kultur und Natur erleben. Beim wandern begegnet man vor allem auch sich selbst, man muss die eigenen Gewohnheiten hinterfragen, kein Bier z.B. in zwei Wochen. Die Erlebnisse relativieren oft den eigenen Standpunkt, die eigenen Vorurteile z.B. in Richtung muslimischer Welt. Dort erlebt man eine unglaubliche Gastfreundschaft, oder die Frauen im Iran, die sehr selbstbewusst auftreten. Über die Medien erhält man plakative Realität. Sie stimmt ja zum Teil, aber es gibt auch eine ganz andere dazu.
Wie kommt ihr zu neuen Reiseangeboten?
Hlade: Vor allem über persönliche Beziehungen auf einer Messe oder über einen Tipp. Natürlich muss auch die Destination passen. Ich kennen einen sehr netten Pakistani – aber eine Reise nach Pakistan ist noch zu risikoreich. In Bulgarien haben wir sehr guten Partner, aber die Nachfrage am Markt fehlt. Zwei Dinge müssen zusammenkommen: Die Destination wird am Markt nachgefragt, und wir brauchen einen Partner vor Ort, der dieselben Werte hat und gleichzeitig professioneller Touristiker mit einem großen wirtschaftlichen Verständnis.
Was sind die häufigsten Erkenntnisse der Reisenden?
Hlade: Durch unsere Reisen relativiert sich für vielen Gäste viel vom eigenen Standpunkt. Viele sind beschämt, ob der Gastfreundlichkeit mit der sie von einfachen Menschen aufgenommen werden. Durch die Reisen entstehen Freundschaften, Reisegruppen treffen sich auch nach der Reise, Menschen übernehmen Patenschaften für ein Kind, oder sie engagieren sich für ein Projekt. Eine Salzburger Krankenschwester kümmert sich beispielsweise um die medizinische Betreuung von Nomaden und reist einmal im Jahr auch dorthin.
Reisen von Weltweitwandern sind nicht gerade günstig. Warum ist das so?
Hlade: Im Vergleich mit Trekkinganbietern haben wir ein ähnliches Preisniveau. Aber unsere Reisen sind bitte nicht vergleichbar mit einem Pauschalaufenthalt in einer Hotelanlage oder einer Busrundreise mit 50 Leuten. Wir haben ja sehr kleine Gruppen (im Schnitt 8 TeilnehmerInnen), unsere Touren sind sehr arbeitsintensiv vor Ort. Es braucht Träger, einen Koch, ganz viele helfende Hände – und diese wollen wir alle auch fair bezahlen.
Muss nachhaltig reisen teuer sein?
Balatka: Nein! Wenn man zu Fuß oder mit dem Fahrrad loszieht, im Heustadl übernachtet und beim Bäcker sein Frühstück kauft kommt man mehr als günstig zu einem nachhaltigen Urlaub. Im Reisebüro ist ein nachhaltiger Urlaub auch nicht teurer als ein anderer Urlaub, weil ein 4* Hotel den gleichen Preis hat ob es nachhaltig geführt wird oder nicht.
Was bewirken Weltweitwandern Reisen vor Ort?
Hlade: Viele Menschen in entlegenen Regionen können sich so ein dringend benötigtes Zusatzeinkommen erwirtschaften um dort weiterhin leben zu können. Und die Menschen entwickeln einen Stolz auf die eigene Kultur, weil Gäste kommen und sie erleben wollen. Das passiert ja auch in Österreich, wo es Feste gibt, die eigentlich nur wegen der Touristen stattfinden, aber dann zunehmend auch von der Bevölkerung geschätzt werden.
Wie haben euch die letzten 15 Jahre verändert?
Balatka: Ich pflege selbst einen nachhaltigen Lebensstil und ziehe das natürlich auch mit meinem Geschäft durch. Ich habe gelernt, nicht klein beizugeben. Nachhaltige Reisen sind vielleicht umständlicher – aber es fühlt sich besser an.
Die Rahmenbedingungen für Reisebüros haben sich deutlich verändert. Früher waren die Provisionen der Reiseveranstalter so gut, dass die Beratung inkludiert werden konnte. Heute gibt es das nicht mehr – trotzdem sind die Menschen kaum bereit, für Information zu bezahlen. Information hat gratis zu sein. Damit kämpfe ich. Wir bekommen viel Lob für unsere Beratung - aber davon kann ich keine Gehälter bezahlen. Das ist natürlich ein gesellschaftliches Phänomen. Aber dass das so extrem ist, damit habe ich nicht gerechnet.
Hlade: Ich verändere mich ständig – alle paar Monate (lacht). Nein im ernst: Vor 15 Jahren war ich überschäumend idealistisch. Ich dachte, mit meinen Reisen verändere ich die Welt, die ganze Welt. Blauäuig idealistisch, und das war auch gut so! Dann habe ich festgestellt, dass die ganze Welt doch ein wenig zu groß ist, und dass es punktuell auch Dinge gibt, die ich nicht so beeinflussen kann (z.B. das Dilemma Flugreisen und Umweltschutz). Daher arbeite ich heute deutlich fokussierter und das tut der Sache durchaus gut.
Worauf konzentrierst Du Dich jetzt?
Hlade: Vor zwei Jahren waren wir zu breit aufgestellt: wandern, segeln, surfen, reiten, klettern. Dafür brauchst Du eigentlich 10 Marketingabteilungen. Aber wir sind kein Konzern, wir hatten uns zerfleddert. Vor einem Jahr habe ich daher einen schmerzvollen Schnitt gesetzt: wir haben 30% unseres Angebotes gestrichen, Projekte gestoppt, eine Mitarbeiterin gekündigt. Heute haben wir uns wieder auf das Wandern konzentriert – von den Wandertipps über die Ausrüstung, die Sicherheit bis hin zur sozialen Nachhaltigkeit und der Begegnung der Menschen. Da sind wir wirklich gut.
Was sind Eure wichtigsten Erkenntnisse?
Balatka: Viele Menschen machen bereits nachhaltigen Urlaub. Sie wissen es nur nicht. Wenn eine österreichische Familie mit Auto nach Kroatien fährt, dort in einer kleinen Pension wohnt und lokal einkauft ist das nachhaltig. Schade finde ich, dass viele Leute nicht mehr in der eigenen Heimat Urlaub machen. Wozu in die Ferne reisen, wenn das Gute liegt so nah? Sicher Österreich ist teuer – aber nicht überall. Es gibt auch viele günstige Angebote, wie Urlaub am Bauernhof oder kleine Pensionen. Man muss halt ein bisserl schauen.
Damit sich im Tourismus nachhaltig etwas zum positiven verändert müssten die großen Reiseveranstalter beginnen faire Löhne zu bezahlen und auf regionale Versorgung umsteigen. Damit könnten wir wirklich Massen bewegen.
Hlade: Wichtig ist, erstens im Dialog sein: Mit MitarbeiterInnen, mit KundInnen, mit PartnerInnen – gut kommunizieren inklusive gut zuzuhören. Zweitens Persönlichkeit: Als Unternehmer muss man laufend an sich und seiner Persönlichkeit arbeiten, sonst schädigt man sein Unternehmen. Wenn man Menschen führen will muss man selber wachsen, Vorbild sein und sich menschlich weiterentwickeln. Drittens: Kooperation: man ist immer in Netzwerke eingebunden und sollte die Energie für ein Miteinander nutzen. Man erreicht ja nichts allein, sondern nur im Team.
Autorin: Roswitha M. Reisinger
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