CSR-Circle "Faire Entlohnung"
Kluft zwischen Rhetorik und Realität, demografischer Wandel, Neo-Liberalismus bis hin zum Lohndumping und Täter versus Opfer: „Faire Entlohnung“ bietet ein hitziges Diskussions- und Spannungsfeld.
Welche Lösungen und Rahmenbedingungen möglich, nötig und zielführend sind, stand im Mittelpunkt des CSR-Circles am 14. Jänner 2014 am Campus der Wirtschaftsuniversität Wien.
Viele Branchen sind in den vergangenen Jahren unter Druck geraten und drehen an der Kostenschraube. Das trifft vor allem die MitarbeiterInnen: Arbeitsplätze werden trotz Gewinn abgebaut. Die Generation 50+ wird nicht selten vor die Entscheidung „Lohnverzicht oder Kündigung“ gestellt.
BerufseinsteigerInnen werden oft von einem Praktikum zum nächsten geschickt. Und manche finden: Ausbildungspraktika dienen nicht der Ausbildung, sondern der Ausbeutung junger Menschen. Ob es sich dabei um Einzelfälle oder um einen generellen Trend in österreichischen Unternehmen handelt, diskutierten Roswitha Reisinger (LEBENSART/BUSINESSART) und Fred Luks (Wirtschaftsuniversität Wien) mit den Podiumsgästen. Und gleich zu Beginn der Diskussion war klar, dass es keine eindeutige Antwort auf die Frage gibt, was gerechter Lohn sei.
Standort bestimmt Standpunkt
Nach Wolfgang Elšik, Institutsvorstand des WU-Instituts für Personalmanagement, ist die Frage nach einem gerechten Lohn eine ethische. Es käme darauf an, welches gesellschaftliche Kriterium der Gerechtigkeit herangezogen werde – Anforderungs-, Markt- oder Leistungsgerechtigkeit, oder soziale Fragen. „Es entstehen Konfliktsituationen, die so einfach nicht zu lösen sind. Auch, weil es schwierig ist, Täter und Opfer auszumachen.“ Die Frage sei die wahre Anforderungs- und Leistungshöhe. Da diese konstruiert seien, läge darin schon ein gewisser Lösungsansatz, so Elšik. Auch ein Perspektivenwechsel könne dienlich sein. Er warnt davor, auf selbst-regulierende Maßnahmen zu warten.
Immer eine Art von Unfairness
Jetzt Maßnahmen zu setzen fordert auch Veronika Kronberger, Gewerkschaft der Privatangestellten und Sprecherin der Generation Praktikum. Die Schwierigkeit mit fairen Löhnen ziehe sich durch alle Branchen, und insbesondere betroffen seien zwei Gruppen: die unter dreißig bis 35-jährigen sowie die Generation 50+. Es gehe darum, die Rechtslage von Praktikanten festzulegen, denn "gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sticht die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz, gerade bei jungen Erwachsenen, zunehmend das Bewusstsein für die eigenen Rechte aus.“ Es gehe aber auch darum, dem Outsourcing gegenzusteuern – denn viele Ältere werden in die Scheinselbstständigkeit getrieben.
Große Flexibilität und beidseitiges Bemühen
Unternehmen stehen stark im Wettbewerb, Personalanpassungen seien unumgänglich, so Adolf Lehner, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Bank Austria. Wichtig sei jedoch auch Wissen zu erhalten. Daher wurde bei der Bank Austria erfolgreich ein Modell von Arbeitstageverkürzung mit entsprechendem Lohnverzicht eingeführt: „Für die fünfzig plus-Mitarbeiter lieferte das eine Lösung für die steigende Arbeitsverdichtung, und das, ohne Pensionsversicherungsbestandteile zu verlieren. Und für die unter fünfzigjährigen entsprach das Modell dem Wunsch nach mehr Freizeit, Zeit für Weiterbildung oder Familie“. Lehner betonte, dass sich die Lebensweisen der Menschen verändert haben. Dass untere Gehälter angehoben und nach oben hin Grenzen gesetzt werden, erachtet er als gewerkschaftliche Aufgabe, und lobt dahingehende Bewegungen.
Botschaft wird gehört, Handeln ist angesagt
Dass Gehaltssprünge nach oben abgeflacht werden, bemerkt auch Helmut Mitsch, Landesinnungsmeister der niederösterreichischen Tischler und Geschäftsführer der Mitsch GmbH. Trotzdem sieht er seine Branche in großer Bedrängnis: „Selbstständigen-Partien aus dem Ausland haben enorm zugenommen. Ob das im Dezember in Kraft getretene Sozialdumpinggesetz wieder Waffengleichheit schafft, liegt an dessen Prüfung." Modelle wie bei der Bank Austria hält er in seinem Gewerbe für unrealistisch – Mitarbeiter können sich jetzt schon bei voller Gehaltszahlung kaum das Leben leisten. Denn der Kostendruck, besonders bei Ausschreibungen seitens der öffentlichen Hand, wird auf sie abgewälzt. Schwierigkeiten schaffen auch überbordende Regulierungen: Kleine Tischlereien könnten die Anforderungen nicht mehr erfüllen und seien gezwungen, Mitarbeiter in die Selbstständigkeit zu schicken, um wettbewerbfähig zu bleiben. Mitsch warnt vor dem Niedergang kleiner Tischlereien.
Foto: Helmut Mitsch
Die Politik in die Pflicht nehmen
Dass der Staat regulierend einzugreifen hat, war eine immer wiederkehrende Forderung – seitens der Diskutanten sowie des Publikums. Außerdem solle er mit gutem Beispiel voran gehen, vor allem bei öffentlichen Vergabeverfahren. Gesetzeslücken müssen geschlossen werden und Regulierungen sollen Sinn machen und sich nicht gegen die zu Schützenden richten. Die Besteuerung von Löhnen zu senken und jene der Ressourcen zu erhöhen, war eine weitere Forderung.
Radikales umdenken
Faire Entlohnung sei ein strukturelles Problem, so eine Publikumsmeldung. Ein Umdenken hinsichtlich Wertigkeit forderte auch Helmut Mitsch und setzte bei den Ressourcen an: „Das Produkt an sich ist kaum mehr etwas wert. Was früher noch recycelt worden ist, wird heute weggeschmissen, weil man den ausführenden Mitarbeiter nicht mehr bezahlen kann!“
Weg vom Bild des bösen Arbeitgebers und dem Mitarbeiter als Opfer soll es gehen. Miteinander vorwärts gehen, darin waren sich alle DiskutantInnen einig. Dass die Basis dafür da ist, zeigte die Diskussion: Große Fronten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer waren nicht auszumachen.
Am Podium waren:
a.o. Prof. Dr. Wolfgang Elšik, Institutsvorstand des WU-Instituts für Personalmanagement Veronika Kronberger, Gewerkschaft der Privatangestellten, Adolf Lehner, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Bank Austria, KR Helmut Mitsch, Landesinnungsmeister der Tischler NOE, Geschäftsführer Mitsch GmbH
Bild: vlnr.: Reinhard Herok, Fred Luks, Veronika Kronberger, Silke Förster-Kugler, Cornelia Dankl, Helmut Mitsch, Roswitha Reisinger, Wolfgang Elšik, Ronny Hollenstein, Sandra Majewski