Europa ist der größte Importeur pflanzlicher Rohstoffe
Egal ob Kosmetik, Treibstoff oder Bioplastik-Strohhalme – für alle diese Güter wird Palmöl, Soja, Ethanol & Co importiert. Europa bezieht rund 65 Prozent der pflanzlichen Rohstoffe für Produkte, die nicht der Ernährung dienen, aus dem Ausland. Baumwolle und Palmöl an vorderster Stelle.
Laut einer aktuellen Studie von WU-Wissenschaftler Martin Bruckner und internationalen KollegInnen bezieht Europa heute rund 65 Prozent der pflanzlichen Rohstoffe für Produkte, die nicht der Ernährung dienen, aus dem Ausland. Pflanzenöle – zum Beispiel Palmöl – sind dabei besonders gefragt: 6,3 Millionen Hektar (ca. ¾ der Fläche Österreichs) werden hauptsächlich in Asien rein für den europäischen Bedarf bewirtschaftet. Die hohe Nachfrage nach Palmöl macht vor allem tropische Regionen zu den stärksten Lieferanten. Und der Bedarf steigt weiter.
935.000 Tonnen an pflanzlichen Rohstoffen (111 kg pro Kopf) aus dem Ackerbau konsumiert Österreich jährlich alleine für die Produktion von Nicht-Ernährungsprodukten. Zum Vergleich: In Europa liegt der Wert bei 52 Millionen Tonnen oder durchschnittlich 103 kg pro Kopf. Eine aktuelle Studie von Martin Bruckner, Stefan Giljum und Victor Maus vom Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien gemeinsam mit KollegInnen des International Institute for Applied System Analysis (IIASA), der Stockholm University und der Universität Bonn untersuchte die Herkunft der landwirtschaftlichen Rohstoffe für in Europa konsumierte Produkte. Dabei zeigte sich: Europa benötigt Ressourcen weit über seine Grenzen hinaus. Rund 65 Prozent der benötigten pflanzlichen Rohstoffe stammen von anderen Kontinenten – vielfach aus tropischen Regionen. Im Ernährungsbereich ist der Bedarf Europas an ausländischen Rohstoffen zwar tendenziell ebenfalls steigend, aber mit 15 Prozent deutlich niedriger.
Konsumreduktion ist effektiver Umweltschutz
Die meisten pflanzlichen Rohstoffe für Europas Nutzung werden aus Asien bezogen, nach Baumwolle (1,7 Millionen Hektar v.a. aus Indien, China und Pakistan) steht Palmöl hier an zweiter Stelle: Etwa 6,4 Milliarden Liter – geerntet auf einer Fläche von rund 1,6 Millionen Hektar jährlich – werden entweder unverarbeitet oder bereits in Form von verarbeiteten Gütern meist aus Indonesien oder Malaysia nach Europa gebracht. Hier wird es zum Beispiel für Biodiesel, Reinigungsmittel, Seifen, kosmetische Produkte oder Kerzen verwendet. Zudem liefert Asien Kautschuk von rund 1,3 Millionen Hektar Anbaufläche und Kokosöl von 0,7 Millionen Hektar. 1,2 Millionen Hektar der Ackerflächen Asiens werden für die Viehzucht zur Herstellung von Leder und Wolle für den Konsum in Europa genutzt. Der Umstieg von Palmöl auf heimischen Raps ist allerdings keine globale Lösung, sagt Martin Bruckner: „Für die gleiche Menge an Öl bräuchten wir in Europa dreimal so viel Fläche, die Folge wären erhöhte Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverluste. Nur durch eine starke Reduktion unseres Konsums können die Ökosysteme unseres Planeten effektiv geschützt werden.“
Aus den USA holt Europa maisbasiertes Ethanol, vorwiegend zur Beimengung zu Benzin.
Massive Entwaldung, globale Problemverlagerung
Die massive Ausweitung an Ölpalmplantagen fordert eine zunehmende Abholzung natürlicher tropischer Wälder. Studienautor Martin Bruckner erklärt: „Die starke Entwaldung führt zu einer hohen Freisetzung an Treibhausgasen – wir sehen, dass die Rodungen südostasiatischer Wälder bis zum Jahr 2002 sogar mehr Emissionen als chinesische Kohlekraftwerke im selben Zeitraum verursachten. Zudem zeigen sich erschreckende Verluste an Biodiversität“.
Die derzeit von der Politik gesetzten Schritte greifen für Bruckner und seine KollegInnen zu kurz: „Wir sehen, dass einige umweltpolitische Maßnahmen eher Probleme verlagern, als sie zu lösen. Beispielsweise führte die Biokraftstoffverordnung zwar einerseits zu verringerten CO2-Emissionen im heimischen Verkehr, verursachte aber ein ungeahntes Ausmaß an globaler Entwaldung und somit die Zerstörung wertvoller Ökosysteme. Die derzeitige Richtlinie zum Verbot von Einweg-Plastik lässt Ähnliches befürchten. Zwar könnte dadurch Plastik in den Weltmeeren reduziert werden, doch auch das Geschäftsmodell hinter Bioplastik ist sehr ressourcenintensiv“, so Bruckner.
Über die Studie
Zur Berechnung des Flächenfußabdrucks nutzten die AutorInnen einerseits ein globales Handelsmodell, welches Produktflüsse in physischen Einheiten abbildet und es erlaubt, landwirtschaftliche Produkte entlang internationaler Handelsrouten zu verfolgen. Andererseits wurde ein globales ökonomisches Modell (EXIOBASE) in komplementärer Form integriert, um industrielle Wertschöpfungsketten abzubilden. Die Studie wurde mit Unterstützung des Deutschen Umweltbundesamts erstellt und ist Teil des mit 2 Millionen Euro dotierten Forschungsprogramms FINEPRINT (www.fineprint.global) des Institute for Ecological Economics der WU Wien, das globale Rohstoffflüsse und die damit einhergehenden Umweltfolgen untersucht.