Human Rights Space
Kinder- und Menschenrechte erleben
In der Bildungsdirektion geht es erst einmal in den Keller, dann durch einen Gang nach links in einen hohen Raum, der fast ein wenig wie ein römisches Bad aussieht. Menschengroß steht dort eine Art aufgeklapptes Buch aus Holz mit einem Zitat: „Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde geboren.“ Knallorange geht es weiter, Willkommensschilder in allen Sprachen laden ein, die eigene Sprache zu ergänzen – auch Braille- und Pyramidenschrift fehlen nicht. Wir sind im Human Rights Space, einem Begegnungsort und einer interaktiven Ausstellung zu Kinder- und Menschenrechten, angelangt und sprechen mit Katharina Schuller, Initiatorin des Projekts und den Menschenrechtsbildnerinnen Nora Wildmann und Benedetta Giordano, was ihre Ausstellung so besonders macht.
LEBENSART: Das Projekt war, einen barrierefreien Ort zu Kinder- und Menschenrechten zu gestalten – wie kam es zum Projekt?
Katharina: Dazu haben mich meine Erfahrungen in der Menschenrechtsbildung und mit Kindern und Jugendlichen geführt. Ich habe viel mit dem Theater der Unterdrückten, einer Art Menschenrechtstheater, gearbeitet. Zu sehen, wie viel in einem Workshop passiert, hat bei mir den Wunsch nach einem Ort wachsen lassen, der für alle zugänglich ist, der Ressourcen bietet und einen leichten Einstieg ermöglicht, um darauf aufbauen und in die Tiefe gehen zu können.
Ich war im Kinderrechtsbereich gut vernetzt und habe so auch schnell Partnerorganisationen gefunden, die uns unterstützt haben. Da waren zum Beispiel das Netzwerk Kinderrechte, Amnesty International, UNICEF Österreich, die FH Campus Wien und der Jugendbeirat für den Tiroler Monitoring-Ausschuss für die Überwachung der Rechte von Menschen mit Behinderung dabei. Als ersten Schritt habe ich mit diesen gemeinsam nachgedacht, welche Rahmenbedingungen es braucht und welche Gruppen wir einbeziehen müssen, um alle zu erreichen. Dann haben alle ihre Kontakte mit eingebracht. In dieser ersten Phase haben die Kinder und Jugendlichen eine Vision erschaffen, wie so ein Ort der Kinderrechte sein könnte – sie haben offen erträumt, wie er aussehen, sich anfühlen und riechen soll. Das geschah alles noch ehrenamtlich gemeinsam mit vielen Unterstützer*innen.
Mit zwei Förderungen – einer vom ASF hub – konnte ich dann vorübergehend ein Team finanzieren. Mit dem Atelier Wunderkammer und der Grafikerin Katja Hasenöhrl wurde die Ausstellung geplant, gebaut und gestaltet. Für die inhaltliche Arbeit holte ich sechs Menschenrechtsbildner*innen und einen Psychotherapeuten an Bord. In dieser zweiten Phase haben sechs Gruppen von Kindern und Jugendlichen die inhaltlichen Schwerpunkte festgelegt – sie hatten ganz unterschiedliche Lebenshintergründe und waren zwischen 10 und 20 Jahre alt. Auch dies war ein offener Prozess und wir wussten anfangs nicht, in welche Richtung es gehen würde: Sie hätten auch die Ausstellung selbst bauen können, aber sie waren vor allem an den Themen interessiert und wollten sich dazu vertiefen - es wurde dann sehr inhaltsstark. Die Kinder und Jugendlichen wollten alles über Gewaltschutz wissen, oder darüber, wie Therapien für psychische Gesundheit funktionieren und was das Recht auf Schutz vor Diskriminierung bedeutet. Wir haben das dann wirklich gemeinsam mit ihnen erarbeitet, was für sie relevant ist und was davon in die Ausstellung kommen soll.
Ursprünglich waren fünf Themen im Fokus, die sie selbst gewählt haben: das Recht auf Bildung, Schutz vor Diskriminierung, Schutz vor Gewalt, das Recht auf psychische Gesundheit und das Recht auf eine gesunde Umwelt. Mit der Pandemie hat sich das Interesse dann aber stark in Richtung Schutz vor Gewalt und psychische Gesundheit verschoben. Wir konnten das Recht auf eine gesunde Umwelt nicht als eigenes Modul mitnehmen, haben es jedoch als Querschnittthema in die Ausstellung inkludiert. Mit den Künstler*innen testeten die Kinder und Jugendlichen die Ausstellungsprototypen und legten zum Beispiel die Höhe von Objekten und die Schriftgrößen fest.
Auf die Eröffnung der Ausstellung folgten zwei weitere Projekte. Das erste, das wir gemeinsam mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Grund und Menschenrechte durchführten, beschäftigte sich damit, wie Kinder und Jugendliche Kinderrechte in Krisenzeiten wahrnehmen und ob sie überhaupt eingebunden werden. Werden Kinderrechte in der Pandemie, in der Klimakrise, während Teuerungswellen und weltweiten Konflikten gewahrt oder nicht gewahrt? Das war wie ein Ideenlabor, in dem sie Aktionspläne entwickelten und mit politischen Entscheidungsträgern sprachen.
Das zweite Projekt wurde mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien durchgeführt. Darin unterstützen wir sie, einen Jugendbeirat aufzubauen, der die Kinder- und Jugendanwaltschaft beraten soll, damit diese die Kinderrechte in Wien zielgruppenspezifischer und besser umsetzen kann.
LEBENSART: Gab es Methoden, die in der Zusammenarbeit mit den Kindern- und Jugendlichen besonders gut funktioniert haben?
Katharina: Es gibt nie ein Format für alle. Als Menschenrechtsbildner*in braucht man zwar einen Rahmen, aber kein ganz fixes Programm, sondern einige Anhaltspunkte und ein großes Repertoire, um spontan auf die Gruppe reagieren zu können. Die Workshop-Leiter*innen haben die Kinder und Jugendlichen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen gefragt – was sie sich von den Workshops und von der Ausstellung erwarten – aber auch Regeln für die Zusammenarbeit aufgestellt und zum Schluss ihr Feedback eingeholt.
In der Menschenrechtsbildung gibt es das sogenannte Menschenrechtbildungsdreieck, mit dem wir arbeiten: Es geht um die Vermittlung von Wissen, von Haltungen und Fähigkeiten. In den Workshops wurden durch den interaktiven und spielerischen Zugang immer alle drei Ebenen berücksichtigt – ganz anders als bei einem Frontalvortrag, wo es nur um Wissensvermittlung geht. A und O ist die Haltung, die wir selbst einnehmen. Sie muss auf Augenhöhe sein – zu sehen, dass es mit den Kindern gemeinsam ein gegenseitiges Lernen und Entwickeln ist.
Benedetta: Für mich war es auch jedes Mal so, dass ich mir gedacht habe: Wow, ich habe wieder etwas gelernt. Es kommt sehr viel von den Kindern und Jugendlichen.
LEBENSART: Warum sind Barrierefreiheit und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen so wichtig?
Katharina: Weil sie die Voraussetzung für ein würdevolles Leben für alle und damit für die Umsetzung der Kinderrechte sind. Einen Ort für Kinderrechte zu gestalten, zu dem bestimmte Kinder und Jugendliche keinen Zugang haben, oder einen Ort zu gestalten, ohne Kinder und Jugendliche einzubeziehen, wäre nicht kinderrechtskonform.
Sie haben das Recht, bei Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf sie auswirken, angehört zu werden und mitwirken zu können – das besagt das Recht auf Mitbestimmung. Natürlich müssen die Kinder und Jugendlichen dem Alter und der Reife entsprechend einbezogen werden. Aber bereits kleine Kinder können mitbestimmen – zum Beispiel definieren, wie ein Raum gestaltet werden soll, an dem sie sich sicher und wohl fühlen, zum Beispiel im Kindergarten. Wird ein Raum von Erwachsenen für Kinder und Jugendliche gestaltet, wird er nie so gut funktionieren, wie wenn Kinder und Jugendliche gefragt werden, was sie brauchen. Dasselbe gilt für den Lehrplan oder für die Gestaltung einer Schule. Und auch für unsere Ausstellung. Sie funktioniert so gut, weil sie mit Kindern und Jugendlichen entwickelt wurde. Dadurch, dass Kinder und Jugendliche die Themen ausgewählt haben, trifft die Ausstellung auch ihre Bedürfnisse und Interessen. Deshalb hat so ein Partizipationsprojekt einen enormen Mehrwert, auch wenn es mehr Aufwand ist.
Nora: Barrierefreiheit ist auch deshalb so wichtig, weil es bei Kinder- und Menschenrechten um jeden einzelnen Menschen geht. Daher muss ein Ort, der diesen Rechten entspricht, für alle zugänglich sein – auch für Menschen mit Behinderung.
Katharina: Das Ziel der Menschenrechte ist es, allen Menschen zu ermöglichen, an der Gesellschaft teilzunehmen – ein gutes Leben für alle zu schaffen. Ein menschenrechtsbasierter Ansatz muss deshalb besonders dorthin schauen, wo Menschen keinen Zugang haben – sie nicht zu „vergessen“, wie es leider immer wieder passiert.
Benedetta: Es geht um Chancengleichheit und Nicht-Diskriminierung. Ohne Barrierefreiheit passiert genau das, was die Menschenrechte eigentlich verhindern müssten.
LEBENSART: Was sollten alle zu Menschen- und Kinderrechten wissen?
Benedetta: Dass sie nichts Abstraktes sind, das von uns weit weg ist. Sie sind Teil unseres Alltags. In der Ausstellung können die Kinder das wahrnehmen und sehen.
Katharina: Kinderrechte sind auch in Österreich ein Thema – auch bei uns gibt es Problemfelder. Ein großes Thema ist zum Beispiel Kinderarmut. Sie ist mit viel Scham verbunden, deshalb thematisieren sie Kinder und Jugendliche oft nicht. Gleichzeitig wirkt sie sich stark auf die psychische Gesundheit aus – auf das Recht auf Gesundheit, ein weiteres Problemfeld in Österreich. Deshalb vermittelt die Ausstellung, dass kein Recht für sich betrachtet werden kann. Menschenrechte gehören immer zusammen, sie bedingen sich – eine Menschenrechtsverletzung zieht eine andere nach sich.
Wenn wir von Kinderrechten sprechen, ist es wichtig, dass wir sie auch selbst leben – dass wir einen sicheren und inklusiven Raum schaffen, in dem Wertschätzung passiert, der es ermöglicht, über diese Rechte zu sprechen. Es sind ja keine einfachen Themen, die dabei aufkommen. Solche Räume sollten selbstverständlich sein, aber leider sind sie das oft nicht.
… dass Kinderrechte Menschenrechte sind?
Sie gelten für Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre.
Der Leitgedanke der Kinderrechtskonvention ist das Kindeswohl. Bei allen Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche betreffen, muss das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen.
LEBENSART: Gab es weitere Themen, die besonders wichtig waren?
Katharina: Ein weiteres Problemfeld, das bereits in der Ausstellungsentwicklung, aber auch in den Workshops immer wieder thematisiert wird, sind sexuelle Übergriffe und sexistisches Verhalten. Dazu tragen auch einige Influencer bei, wie uns immer wieder rückgemeldet wird. Dieses Thema wird total unterschätzt, betrifft aber viele Mädchen und Frauen.
Auch Stress war ein Riesenthema. Erwachsene spielen das oft herunter, aber teilweise ist es absurd, welche Stundenpläne Jugendliche haben. Wie lange sie in der Schule sitzen und dann abends noch Hausaufgaben machen müssen.
Es braucht auch viel mehr Verständnis dafür, dass es zuerst um die psychische Gesundheit gehen muss, bevor Inhalte vermittelt werden können, vor allem wenn dies mit Druck und Stress verbunden ist. Das ist eine große Herausforderung für das Schulsystem. Es gibt zwar Schulpsycholog*innen und Sozialarbeiter*innen, aber uns wurde oft rückgemeldet, dass die Kinder und Jugendlichen diese kaum kennen und keinen Bezug zu ihnen haben.
Nora: Die Rahmenbedingungen passen oftmals nicht, dass man zum Beispiel lange warten muss, um einen Termin bei Schulpsycholog*innen zu bekommen. Wenn Kinder oder Jugendliche nicht am Unterricht teilnehmen, ist es oft ein Nicht-Können und kein Nicht-Wollen.
Katharina: Um Kinderrechte umzusetzen, braucht es Geld. Auch wenn fast alle Staaten weltweit mit Ausnahme der USA die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, und auch wenn die meisten Menschen betonen, wie wichtig Kinderrechte sind, sehen wir weltweit, dass oft nicht investiert wird, wenn es um deren konkrete Umsetzung geht.
Was mir Hoffnung gibt, ist, dass immer mehr Menschen Kinderrechtsbildung ernst nehmen. Nicht nur für Kinder und Jugendliche selbst, sondern auch für Verantwortungsträger*innen, die ja für die Umsetzung der Kinderrechte verantwortlich sind.
LEBENSART: Ab welchem Alter sollte man sich mit Kinder- und Menschenrechten auseinandersetzen?
Katharina: Kinderrechte sollten so früh wie möglich vermittelt werden, auf jeden Fall bereits im Kindergarten. Natürlich muss die Vermittlung an das Alter angepasst werden. Unsere Ausstellung ist für Kinder ab 10 Jahren konzipiert – das war jedoch einer Raum- und Ressourcenfrage geschuldet. Die Ausstellung lebt von den Räumlichkeiten, in denen sie sich befindet und wirkt in jedem Raum anders. Kleinere Kinder brauchen mehr Raum für Bewegung. Wir haben versucht, eine Erzählung zu schaffen, die für verschiedene Altersgruppen und Lerntypen funktioniert, indem wir in der Ausstellung mit allen Sinnen arbeiten. Letztendlich wollten wir auch Erwachsene damit erreichen, da sie diejenigen sind, die die Rechte umsetzen müssen. Deshalb haben wir im Human Rights Space auch Schulungen für Erwachsene angeboten.
LEBENSART: Was waren die größten Herausforderungen im Projekt?
Katharina: Für mich war die größte Herausforderung natürlich die Finanzierung und der Standort.
Der Human Rights Space war mein Herzensprojekt – ich habe es gemacht, weil es mein Traum war. Das geht aber nur, wenn die Rahmenbedingungen passen. Die Umsetzung des Human Rights Space hat mich gelehrt – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – gut auf mich selbst aufzupassen, das muss immer an erster Stelle kommen.
Was mich immer wieder ermutigt hat, war das Feedback von Kindern und Jugendlichen. Zu sehen, dass es etwas bewirkt, dass es bei ihnen ankommt.
Überraschend für mich war, dass sie für die Themen derart brennen. Doch dann wiederum macht es auch Sinn, es sind schließlich Themen, die sie in ihrem Alltag beschäftigen, Themen, für die in der Schule oft zu wenig Raum zur Verfügung steht. Manchmal brechen dabei Sachen auf, die herausfordernd sind – wir sprechen ja zum Beispiel über Gewaltschutz, Diskriminierungserfahrungen oder psychische Gesundheit. Genau das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem es möglich ist, über diese Themen zu sprechen. Zu thematisieren, was Gewalt ist, welche Formen es gibt, dass in Österreich JEDE Form von Gewalt verboten ist, und an wen sich Kinder und Jugendliche wenden können. Oft können sie Gewalterfahrungen nicht einordnen – sie holen sich keine Hilfe, weil sie glauben, dass das, was sie erleben, normal ist. Ähnlich ist es bei der psychischen Gesundheit – sie glauben, dass sie mit ihren Problemen allein oder selbst daran schuld sind. Da müssen wir ihnen vermitteln, dass sich jede Menschenrechtsverletzung auf unsere Psyche auswirkt – dass sie nicht daran Schuld sind, wenn es ihnen schlecht geht und dass sie sich Hilfe holen können. Das ist mir persönlich ein Anliegen.
Benedetta: Für uns als Vermittler*innen war natürlich auch eine Herausforderung, dass wir jedes Mal eine ganz neue Gruppe vor uns hatten, bei der wir nicht wussten, wo sie stehen und wo wir sie abholen können, um nicht langweilig aber gleichzeitig auch nicht zu weit weg zu sein. Das braucht viel Improvisation.
Nora: Man muss sich immer neu einlassen. Man kann nicht auf alles vorbereitet sein.
Benedetta: Bei Klassen gibt es auch Dynamiken und Konflikte, die man nicht kennt – Gruppenarbeit zu machen, ohne dass Konflikte ausgelöst werden oder diese genau einmal anzusprechen war schwierig, aber auch sehr spannend. Die Ausstellung ist ein Raum, in dem sie endlich – vielleicht zum ersten Mal – etwas ansprechen können.
Nora: Da kommen manchmal auch Themen auf, die man nicht ausreichend behandeln kann oder wo man nicht in der Position ist, sie zu klären.
Benedetta: Bei der Ausstellung hilft diesbezüglich, dass immer klar gezeigt wird, an wen man sich mit einem Thema wenden kann. Für jedes Thema gibt es eine Kontakttafel, die wortwörtlich greifbar ist, die man in die Hand nehmen kann.
Dieses Haptische – beinahe alle Elemente in der Ausstellung können berührt werden – war für mich ein Erlebnis. In meiner Jugend waren Ausstellungen etwas, das man anschaut und bloß nicht angreift. Das ist ein großer Unterschied: Etwas in die Hand nehmen zu können löst bei Kindern und Jugendlichen etwas aus, weil sie aktiv werden. Gerade in unserer digitalen Welt brauchen wir es, etwas mit den Händen zu tun. Nicht die passive Haltung vorm Display, sondern der Kontakt mit verschiedenen Materialien.
Nora: Egal wie unmotiviert sie am Anfang wirken – spätestens wenn es darum geht, selbst zu benennen, was man ändern könnte, sind die meisten aufgeblüht und wollten etwas beitragen. Es hat ihnen gutgetan, dass wir ihnen auch wirklich zugehört haben.
Katharina: Gerade die, die von Lehrenden oft als still, teilnahmslos oder störend wahrgenommen wurden, waren im Workshop oft dann jene, die sich eingebracht haben. Weil es eine andere Form des Lernens ist, weil ihnen ein anderer Raum geboten wird. Sie waren dann selbst oft überrascht, welche anderen Dynamiken sich in so einem Setting außerhalb der Schule ergeben.
LEBENSART: Was hat euch am meisten begeistert – was waren eure schönsten Momente?
Katharina: Für mich war das das Human Rights Space Festival. Es war einer der Höhepunkte des Projekts, als alle 115 Kinder und Jugendlichen, die in dieser Phase dabei waren, sich kennenlernten. Auch weil sie so eine Erfahrung in Pandemiezeiten lange nicht hatten.
Benedetta: Für mich war es jedes Mal wieder der Punkt, an dem die Kinder und Jugendlichen, die zu uns in die Ausstellung kamen, ihr Plakat gestalteten und präsentierten. Die Kleingruppen wählten ein Thema, zum Beispiel „Recht auf Bildung“, aus und begaben sich dazu auf Entdeckungsreise – immer im Vordergrund stand, wo man aktiv werden und etwas Positives beitragen kann. Und dann war da auf einmal etwas Konkretes, etwas Sichtbares da – davon was sie gesehen und mitgenommen haben. Das war sehr oft ein Aha-Erlebnis. Sie kamen oft auch auf sehr gute Ideen – haben nicht nur die Probleme aufgelistet, sondern darüber nachgedacht, wie man sie lösen kann.
Nora: Für mich war das Schönste, dass die Ausstellung so toll funktioniert hat. Dass auch viele „schwierige“ oder „ruhige“ Kinder und Jugendliche animiert wurden, etwas beizutragen – weil sie selbst etwas tun konnten und wirklich gefragt wurden, was sie denken. Das fand ich sehr, sehr schön.
Und für mich selbst war es auch bereichernd zu wissen, dass wir das weitergeben können, was wir selbst als Kind und Jugendliche nicht gewusst, nicht gelernt haben – dass ein Empowerment stattfindet.
LEBENSART: Was waren die Kriterien, die die Kinder und Jugendlichen für ihren Ort der Kinder- und Menschenrechte definiert hatten?
Katharina: Die Vision umfasste drei Teile – Ausstellung, Begegnungsort, Ideenlabor. Die Ausstellung sollte spielerisch und motivierend sein – dass man auch beim Thema Gewaltschutz oder psychische Gesundheit nicht rausgeht und sich denkt, dass die Welt schlecht ist. Sie sollte alle Sinne berühren, weil jede Person etwas anderes benötigt, etwas anderes wahrnimmt und anders lernt. Der Begegnungsort sollte regelmäßig für Veranstaltungen genutzt werden können, das Ideenlabor Kinder und Jugendliche konkret und individuell unterstützen, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen wollen. Ich finde, das ist noch immer eine wunderschöne Vision, aber dazu bräuchte es ein fixes Team und Räumlichkeiten. So haben wir, was wir konnten in der Ausstellung umgesetzt – auch dort konkrete Ideen gesponnen und Begegnungen ermöglicht.
Ein anderer Wunsch war, dass der Raum so bunt sein soll wie die Gesellschaft, mit bunten Lichtern – ihn konnten wir mit geborgten Lichterketten erfüllen. Pflanzen waren ebenso gewünscht, aber nicht in allen Räumlichkeiten möglich, in denen wir zu Gast waren. Es gäbe noch viel Potenzial und viele Ideen. Wichtig war den Kindern und Jugendlichen zum Beispiel auch eine Selfcare-Raum: Ein ruhiger Raum, wo sie verarbeiten können, was sie in der Ausstellung gehört und gesehen haben. Ein „unverletzender“ Raum, ein Wohlfühlort mit Meeresrauschen oder Vogelgezwitscher, der gut riechen soll, zum Beispiel nach Orangen, Zitrone, Zuckerwatte oder Büchern.
Benedetta: Das Haupthindernis ist dabei der Raum. Wenn man einen Raum hätte, dann könnte man alles andere machen.
LEBENSART: Was konnte man dann in der Ausstellung so aktiv machen?
Benedetta: Es gab zum Beispiel Tools, um das Selbstbewusstsein und Wohlbefinden zu trainieren – Übungen, wie zum Beispiel fest mit der Hand gegen etwas zu drücken, die Augen zu schließen und sich zu überlegen, wofür man dankbar ist oder womit man sich verbunden fühlt. Dann gab es Beispiele von Power-Posen, die man ausprobieren und sich dabei selbst im Spiegel anschauen konnte. Das hat die Kinder und Jugendlichen total angesprochen.
Nora: Auch gut angekommen sind Brillen, wo man verschiedene Sehbehinderungen nachempfinden konnte – ein Wunsch von Kindern mit diesen Behinderungen.
Katharina: Sehr gut hat auch das Kinderrechtebarometer funktioniert, wo in kleinen Gruppen abgestimmt werden kann, wie gut oder nicht gut die Kinderrechte in Bildungseinrichtungen umgesetzt werden. Das war natürlich auch für die Begleitpersonen spannend.
Nora: Besonders zur Schule hatten sie viele Ideen und Ansätze, wie sie sich den idealen Ort zum Lernen vorstellen – z.B. wünschen sie sich auch dort einen Rückzugs-Ort, der ausschließlich für Kinder und Jugendliche da ist und Ruhe bietet. Die Schulumgebung ist oft extrem laut und überfordernd.
LEBENSART: Wird die Ausstellung nun noch anderswo einziehen?
Katharina: Derzeit ist sie in Pause – aber Gespräche laufen, dass sie wieder eingesetzt werden kann. Dazu braucht es einen barrierefreien Standort mit mindestens 130 Quadratmetern und – wenn Kinder- und Jugendliche kommen sollen – eine Betreuung vor Ort.
Benedetta: Besonders die Zugänglichkeit von Räumlichkeiten ist schwierig – viele Räume sind zum Beispiel an Bürozeiten gebunden und entsprechen nicht dem Gedanken einer solchen Ausstellung.
Katharina: Natürlich macht es die Barrierefreiheit nicht einfacher – aber wenn die Räumlichkeiten nicht barrierefrei sind, dann widerspricht das den Kinder- und Menschenrechten und damit der Ausstellung selbst.
LEBENSART: Wo können sich Erwachsene und Kinder am besten über Kinder- und Menschenrechte informieren?
Katharina: Zum Beispiel hat Amnesty International Österreich ein sehr großes Angebot – sie haben für Erwachsene Academy-Kurse zu bestimmten Themen und sie bieten für Schulen und Kindergärten Workshops an. Zu spezifischen Themen gibt es auch eigene Organisationen zum Beispiel ZARA mit Anti-Rassismus-Arbeit oder das IZ mit unterschiedlichsten Angeboten. Für Erwachsende hat das Netzwerk Kinderrechte viele Infos auf der Website. Es veröffentlicht zum Beispiel auch einen Bericht über die Umsetzung der Kinderrechte in Österreich, der den österreichischen Staatenbericht an den UN-Kinderrechtsausschuss kritisch ergänzt.
Nora: Bücher und andere Medien sind zu einzelnen Kinderrechten oft einfacher zu finden als zu Kinderrechten allgemein – zum Beispiel zum Thema Antidiskriminierung und Bildung.
WEISST DU...
… welche KINDERRECHTE es gibt?
Die Kinderrechtskonvention hat 54 Artikel – die Kinderrechte werden dabei oft in drei Kategorien unterteilt:
1. Schutzrechte:
Kinder und Jugendliche brauchen besonderen Schutz. Zu den Schutzrechten gehört zum Beispiel der Schutz vor Diskriminierung und der Schutz vor Gewalt. In Österreich ist jede Form von Gewalt in der Erziehung verboten.
2. Versorgungsrechte:
Sie garantieren, dass Kinder und Jugendliche ausreichend versorgt werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf Gesundheit, Wasser, eine gesunde Umwelt und Ernährung, das Recht auf Bildung und das Recht auf Freizeit und Spiel.
3. Beteiligungsrechte:
Sie legen fest, dass Kinder und Jugendliche ein Recht darauf haben, ihre Meinung zu äußern und mitzubestimmen. Dazu gehören das Recht auf Achtung der Meinung von Kindern, das Recht auf freie Meinung und Information sowie das Recht auf Zugang zu Information.
Daneben gibt es noch eine Reihe an sogenannten „Verfahrensrechten“, zu denen u.a. die Verpflichtung der Staaten gehört, die Kinderrechte bei Kindern und Erwachsenen bekannt zu machen (Art. 42).
ÜBER DAS PROJEKT
Im Human Rights Space wurde mit über 200 Kindern- und Jugendlichen ein Begegnungsort für Kinder- und Menschenrechte geschaffen, der eine mobile Ausstellung, die Menschen interaktiv und lebendig ihre Rechte näherbringt, umfasst. Momentan ist die Ausstellung in Pause, hier kannst du aber einen kleinen Blick hinein werfen:
humanrightsspace.at
youtu.be/z43t2GCU4SA
Ein interaktives Poster zum Thema Menschenrechte für die Schule gibt es hier zum Download.