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Leihen für Fortgeschrittene

Wer kennt das nicht aus den endlos-zeitlosen Tagen der Corona-Pandemie? Es wird entrümpelt und ausgemistet. Doch wieso überhaupt besitzen? Schlaue Miet- und Leihsysteme machen das Leben leichter und die Keller leerer. So ganz nebenbei schont es Geldbörse, Ressourcen und Klima. Ein Kompass durch die Welt der Sharing-Systeme.

Auf einer Oberfläche sind Sachen aufgelegt: ein Gürtel, eine Sonnenbrille, Schuhe, eine Tasche, eine Armbanduhr, ein Tablet, ein Beutel und eine Kamera.
Foto: Lumn, Pexels

Mieten statt kaufen ist eigentlich eine uralte Sache. Ein Mietauto im Urlaub ist ebenso „old economy“, wie Skier am Urlaubsort zu leihen und damit das aktuellste Modell zu ergattern. Gang und gäbe ist der Leihservice der Baumärkte, die von der Betonmischmaschine bis hin zum Häcksler so ziemlich jedes Gerät anbieten, mit dem man sich nicht den Keller verstellen will. Noch mehr Nutzen bieten junge, neue Plattformen, die sich der Vernetzung und der Ressourcenschonung verschreiben.

Lastenräder, die entlasten

Leihen statt kaufen und kräftig das Klima zu entlasten, das hat sich das Projekt „KlimaEntLaster“ auf den Bildschirm geschrieben. Das Prinzip ist bestechend einfach. Die öffentliche Hand und Partner, etwa der Klimafonds, finanzieren Lastenräder, die kostenlos geliehen werden können. Eine Kaution von 50 Euro sorgt dafür, dass das Fahrrad zurückfindet. Eine Versicherung gegen Diebstahl und Vandalismus ist auch dabei. Das Projekt läuft seit Februar 2019, ist auf drei Jahre angelegt und kann bereits in der Halbzeit Erfolge vermelden. Neun von zehn Nutzer*innen hat die Aktion zum ersten Mal auf ein Lastenrad gelockt, jede*r Dritte nutzt es mindestens einmal pro Woche. Natürlich haben die KlimaEntLaster-Räder Elektro-Antrieb. Es gibt Räder mit zwei Kindersitzen. Hobby-Handwerker*innen freuen sich über die Ein-Kubikmeter-Kiste für den Weg zum Baumarkt. „Besonders Jungfamilien erledigen nun vieles mit dem Rad statt mit dem Auto“, sagt die Projektleiterin Claudia Leichtfried von der Energy Changes Projektentwicklung GmbH in Wien. Das spart CO2. Und auch Gewerbetreibende entdecken geliehene Lastenräder für ihren Lieferservice.

„Wir konzentrieren uns mit KlimaEntLaster auf mittelgroße Städte. In großen Städten sind Lastenräder schon angekommen“, erklärt Projektleiterin Leichtfried. Drei Bundesländer sind mit den Städten Freistadt in Oberösterreich, Mattersburg im Burgenland und Amstetten in Niederösterreich mit von der Partie. Nun gehe es darum, aus der Projekterfahrung Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Lastenräder dauerhaft ins Stadtbild integrieren.

Wir wollen mit unserem Leih-Projekt KlimaEntLaster den Anstoß geben, dass Lastenräder auch in kleineren Städten gang und gäbe werden."

Projektleiterin Claudia Leichtfried, Energy Changes Projektentwicklung in Wien

„Pumpipumpe“: Pickerl picken und leihen

Wenn es um das Teilen von Alltagsgegenständen geht, hat die Sharing-Community von „Pumpipumpe“ die Nase vorne. Die Idee stammt aus Bern und der Name leitet sich aus dem Schweizerischen vom Wort „Velopumpi“ (Radpumpe) ab. 2012 hatten Lisa Ochsenbein, Ivan Mele und Sabine Hirsig die Idee, Sticker zu kreieren, mit denen Menschen an ihren privaten Postkästen zeigen können, welche Gegenstände in diesem Haushalt ausgeliehen werden können. Das können eine Pasta-Maschine, ein Schlagbohrer oder ein Staubsauger sein. Oder auch Fondue-Sets – allein in Basel gibt es 75 und in Zürich 250 davon zu leihen. Europaweit machen bei Pumpipumpe 20.000 Haushalte mit. Ziel ist dabei nicht nur weniger Besitz, Ressourcenschonung und Sparen, sondern auch die Belebung der Nachbarschaft.

In Linz beginnt die Dingelei(h), Vorarlberg tauscht Talente

Ein Projekt der Stadtverwaltung Linz nutzt die Infrastruktur der Magistrats-Bücherei im „Wissensturm“ beim Hauptbahnhof: Unter dem charmanten Namen „Dingelei(h)“ können seit 1. April 2021 kostenlos nützliche Gegenstände wie Nähmaschinen, Schlagbohrer, Brotbackautomaten, Fensterputzgeräte, Lochzangen und originelle Backformen von all jenen geliehen werden, die sich als Bibliotheksnutzer*in registrieren (ebenfalls kostenlos). „Wir wollen damit neue Wege aufzeigen und auch zum Vernetzen anregen“, sagt die für die Büchereien zuständige Linzer Kultur-Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer. Deshalb ist dieser Service auch nicht auf Linzer*innen beschränkt. Jeder, der sich in der Bücherei registrieren lässt, kann ausleihen.

„Sharing ist caring. Wir haben unseren städtischen Leihservice Dingelei(h) auch gestartet, um zum Nachdenken und Vernetzen anzuregen.“

Doris Lang-Mayerhofer, Stadträtin in Linz

Auch im Ländle tut sich was. Die gemeinnützige Vorarlberger Genossenschaft Allmenda vernetzt Tauschkreise, Talente und Gemeinschafts-Finanzierungen für bürgergetriebene Projekte, etwa auch regionale Kraftwerke. „Der Verleih von Bohrmaschinen über Fest-Geschirr bis Häcksler funktioniert gut“, sagt Gernot Jochum-Müller, 25 Jahre lang Vorstand von „TALENTE“ Vorarlberg.

WEBTIPPS

www.wedresscollective.com
Plattform zum Verleihen und Leihen von Mode und Accessoires gegen Provision

www.endlosfesch.at
Die Vienna Fashion Library – Designerteile ausleihen, tragen und wieder zurückgeben

eddibike.com
Rad-Abo mit Mobilitätsgarantie, Wien

wissensturm.linz.at/bibliothek
Kostenloses städtisches Verleihservice für Haushaltsgegenstände in Linz, gebunden an die Infrastruktur der Büchereien

www.klimaentlaster.at
Verleihprojekt für Lastenfahrräder, kostenlos, kombiniert klimafreundliche Mobilität mit Sharing Economy

www.pumpipumpe.ch
Netzwerk eines nichtgewinnorientierten Vereins zum kostenlosen Leihen und Verleihen von Haushaltsgegenständen, dessen Nutzer*innen und Anbieter*innen
sich über Pickerl an Briefkästen finden, Bern

www.carusocarsharing.com
Vorarlberger Leihplattform für E-Autos

www.allmenda.com
Gemeinwohl-Genossenschaft mit Ländle-Talente-Tauschkreis

WeDress: der endlose digitale Kleiderkasten

In Wien hat Jasmin Huber die Leidenschaft für Ressourcenschonung und eine Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks zu einem Geschäftsmodell kombiniert. Seit März 2020 ist die Veganerin mit WeDress Collective aktiv, eine „Peer-to-Peer Fashion Sharing Plattform“, bei der hochwertige Mode und Accessoires gemeinsam genutzt werden. Jede*r hat Schönes und Edles im Kleiderschrank hängen, das zwar geliebt, aber nicht oft getragen wird.

„Unsere Sharing-Community WeDress gibt edlen Modeteilen, die oft im Kasten hängen, ein besser genutztes Leben. Denn ein Kleidungsstück, das nicht mindestens 30-mal getragen wird, ist nicht nachhaltig“

Jasmin Huber, Gründerin und Geschäftsführerin von WeDress Collective GmbH

Ein Kleidungsstück ist nur dann auch ökologisch sinnvoll, wenn es mindestens 30 Mal getragen wird. Verleiher*innen legen deshalb ein Profil an, laden Fotos in den digitalen Kleiderkasten und warten auf Interessierte. Das Kleidungsstück wird stadtintern umweltfreundlich per Fahrradbot*in verschickt. Bezahlt werden Leihgebühr und die Putzereikosten. Um wenige Euro pro Tag können so Stücke gemietet werden, die bei Kauf bis zu einige hundert Euro kosten. Gründerin Jasmin Huber profitiert von einer 20-prozentigen Provision. Künftig ist auch ein „Concierge-Service“ geplant, bei dem das Handling übernommen wird, was 50 Prozent Provision kostet. In Wien sind derzeit gut 350 Modeteile im Verleih. Im Herbst will WeDress in München starten. Ab 300 Teilen sei eine Stadt interessant, sagt Jasmin Huber. Und: „Wir reagieren auch auf lokales Marktgeschehen.“ Gebe es etwa in Linz, St. Pölten oder Graz großes Interesse, gehe WeDress auch dorthin. Eine Marktbeobachtung beim Praxis-Check: Auch Modegeschäfte bieten auf WeDress Stücke zum Ausleihen an.

In Wien sind die „Eddi-isten“ los

Auf Stadtradler*innen zielt das Wiener Start-up Eddi Bike Mobility GmbH mit einem anderen Konzept. Eddi Bike ist eine Radmietplattform für jene, die einfach in die Pedale treten und sich um sonst nichts sorgen wollen. Bereitstellung, Wartung, Reparatur und Ersatz bei Diebstahl erledigt Eddi gegen Zahlung einer Abo-Pauschale. Seit März 2021 läuft eine Testphase mit einer dreistelligen Anzahl von Rädern und damit Kund*innen. Bald sollen es 1.000 sein, sagt Stephan Ziegler, der mit Philipp Eder Eddi Bike als Geschäftsführer leitet. Derzeit gibt es die Räder nur mechanisch; E-Antrieb soll folgen. Die Kosten für ein Jahres-Abo: 24,90 Euro pro Monat. Derzeit wird eine Warteliste abgearbeitet. Wer in der Testphase mitmacht? „Ein interessanter Mix“, sagt Ziegler und sieht alle Altersgruppen vertreten.

Leasing ist eine andere Welt

Dies ist ein Beispiel, bei dem es nicht mehr ums Teilen geht, sondern um die dauerhafte Anmietung eines Gegenstandes. Eines muss klar sein: Der Endpreis bei Leasing oder Ratenzahlung summiert sich immer höher als bei einem ganz normalen Kauf. Das ist auch der Preis der Sorglosigkeit, etwa beim Rad-Abo-System Eddi. Denn würde man zwei, drei Jahres-Abo-Preise aufsummieren, könnte man darum locker ein Rad kaufen, das man länger fährt. Dass es bei Abo- oder Leasingsystemen gegen ein neueres Modell ausgetauscht werden könnte, ist ein Trumpf für Technikverliebte, doch wenn es um Ressourcenschonung geht, ist das Modell der Wahl noch immer Ausleihen oder bis an die Produkt-Lebensdauer nutzen. Eine Waschmaschine, die zehn Jahre hält und dann womöglich nach einer Reparatur weiter wäscht, ist nicht nur am billigsten, sondern gibt auch den verwendeten Rohstoffen einen unschlagbaren Lebenszyklus. Freilich muss abgewogen werden, ob die Energieeinsparung neuerer Geräte die Abwrackung der alten wert ist. Denn auch der neue Rohstoff eines neuen Haushaltsgeräts und dessen CO2-Belastung müssen mitkalkuliert werden. Möchte man Geräte Lebensphasen anpassen, ist die Verlängerung des Lebenszyklus durch den guten alten Verkauf eine keineswegs schlechte Wahl. Konsument*innen inserieren auf vielen Gebrauchtgeräte-Plattformen gratis. Das mag zwar ein wenig mühsamer sein, doch es ist auch einzupreisen, dass es hinter den Internet-Fassaden der schönen neuen Abo-Leasing-Miet-Plattformwelten auch nicht immer super-ökologisch und ressourcenschonend zugeht.

LEASEN ODER KAUFEN

Leasing ist eine besondere Form der Nutzung von Objekten, die besonders von Unternehmen und selbstständig tätigen Personen genutzt wird. Leasing-Raten bieten nicht nur die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs wie bei einem Kauf. Leasing-Raten haben auch den Vorteil, dass sie im selben Geschäftsjahr in vollem Umfang gewinn- und damit steuermindernd abgesetzt werden können und nicht über Jahre aufgeteilt werden müssen, wie bei Bezahlung eines Kaufpreises. Bei Leasing für Konsument*innen hat man diese Gestaltungsmöglichkeit in der Regel nicht, was die Attraktivität von Leasing für Konsument*innen senkt. Abzuwägen ist im Einzelfall und gegenüber dem Kaufpreis zu berechnen. Aber auch Sorglosigkeit und die Möglichkeit der unkomplizierten Rückgabe sind einzupreisen. Ressourcenschonung ist bei Leasing nicht das Hauptargument. Denn es gibt keine Kontrolle darüber, ob nach Leasingende Zurückgegebenes nicht verschrottet oder entsorgt wird.

Karin Haas

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