Lockenkopf statt Schmalztopf
Jeder Lockenkopf hat eine andere Haarstruktur. Das macht die Haare unberechenbar, aber auch schön. Geduld und Experimentierfreude helfen Ihrem Haar auf die Sprünge!
Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Lockenköpfe manches Mal mit dem „zerzausten Vogelnest“ auf ihrem Kopf hadern und umgekehrt Menschen mit glatten Haaren sich nichts sehnlicher wünschen als Naturlocken oder -wellen. Gerade in den Wintermonaten, in denen Heizungsluft und Mützen unsere Haare strapazieren, scheinen die „bad hair days“ kein Ende zu nehmen. Unzählige Blogartikel und YouTube-Videos später spricht der ratlose Blick auf das Regal im Drogeriemarkt Bände: Shampoo für Locken? Conditioner für mehr Volumen? Lockencreme für feines Haar? Mousse für strapaziertes Haar? Oder alles zusammen?
Die gute Nachricht: Locken auf möglichst natürliche Weise zu pflegen, ist keine Raketenwissenschaft und muss auch nicht teuer sein. Es erfordert aber etwas Geduld sowie die Bereitschaft, sich eingehend mit den eigenen Haaren und den Inhaltsstoffen von Pflegeprodukten zu beschäftigen. Denn Locken sind nicht gleich Locken.
Die eigenen Locken bestimmen
Zunächst sollte jeder Lockenkopf Dichte, Dicke, Porosität und Elastizität der eigenen Haare kennen. Mit Haardichte ist gemeint, wie viele Haare auf dem Kopf sind. Wer eine geringe Haardichte hat, benötigt eine Pflegeroutine, die Volumen erzeugt. Dichtes Haar braucht dagegen eher Pflegeprodukte, die das Haar bändigen.
Nicht zu verwechseln ist die Haardichte mit der Haardicke, die den Durchmesser des einzelnen Haares meint. Feines Haar hat einen geringen Durchmesser und benötigt eine Pflege mit leichten Inhaltsstoffen. Pflegeöle oder Produkte mit schweren Inhaltsstoffen wie Sheabutter oder Olivenöl lassen feines Haar leicht aushängen, pflegen dickes Haar (mit größerem Durchmesser) dafür umso besser.
Die Haarporosität ist entscheidend dafür, wie viel beziehungsweise wie gut das Haar Feuchtigkeit und pflegende Inhaltsstoffe aufnehmen kann. Stark poröses Haar fühlt sich rau an und glänzt nicht. Es hat eine weit offene Schuppenschicht, absorbiert Feuchtigkeit sehr leicht, gibt sie aber auch schnell wieder ab. Gering poröses Haar mit einer glatten, kompakten Schuppenschicht sieht gesund aus, lässt sich aber eher schwer stylen. Zu reichhaltige Pflegeprodukte lagern sich schnell darauf ab, anstatt in das Haar einzudringen, und lassen es schmierig wirken.
Elastizität ist die Fähigkeit der (nassen!) Haare, in die Länge gezogen zu werden und wieder in den Ursprungszustand zurückzuspringen, ohne dabei zu reißen. Feuchtigkeitsmangel ist der Hauptgrund für wenig elastische Haare.
Individuelle Pflegeroutine entwickeln
Hat man bestimmt, wie dicht, dick, porös und elastisch die Locken sind, gilt es, geeignete Pflegeprodukte zu finden. Locken benötigen vor allem zwei Dinge: Feuchtigkeit und Proteine. Die Kunst liegt darin, herauszufinden, in welchem Rhythmus und in welcher Menge die individuellen Locken Proteine beziehungsweise Feuchtigkeit benötigen, um schön auszusehen. Wer besonders motiviert ist und es mit Pflegeprodukten übertreibt, wird enttäuscht sein. Locken können auch „überpflegt“ werden. Das merkt man daran, dass sie sich schnell aushängen und in getrocknetem Zustand nass oder schmierig aussehen.
Die Curly-Hair-Methode
Eine beliebte Methode, um die Locken mit ausreichend Proteinen und Feuchtigkeit zu versorgen, ist die sogenannte Curly-Hair-Methode. Wer diese Methode ausprobieren möchte, verzichtet bei der Lockenpflege auf Sulfate, Silikone und austrocknende Alkohole sowie Haarbürste und Hitze. Stattdessen werden die Locken mit Conditioner, allenfalls einem milden Shampoo gewaschen, mit einer Leave-in-Kur, also einer Spülung, die nicht unbedingt ausgewaschen werden muss, gepflegt, mit den Fingern gekämmt, mit einem Lockengel oder Lockenschaum fixiert und möglichst an der Luft getrocknet. Mittlerweile gibt es zahlreiche Pflegeprodukte, die als Naturkosmetik zertifiziert und/oder als „curly hair safe“ eingestuft sind. Lockenköpfe, die sich bereits mit den Inhaltsstoffen beschäftigen, genügt ein Blick auf das Etikett. Wem die Bezeichnungen noch nicht geläufig sind, vertraut auf Produktlisten oder entsprechende Videos (zum Bespiel hier oder hier). Auf Blogs für Lockenköpfe können helfen, zum Beispiel natuerlich-lockig.de oder lockenpflege.de
Lockenpflege aus dem Küchenschrank
Hängen die Locken schlaff nach unten, erhalten sie mit selbst angesetztem Reiswasser, Agar-Agar oder einer Mischung aus Bier und Honig neue Sprungkraft. Ganz einfach kann ein vollkommen natürliches, günstiges Leinsamengel hergestellt werden, das den Locken Feuchtigkeit spendet und problemlos im Kühlschrank aufbewahrt wird: Man gebe 30 g Leinsamen und 250 ml mineralarmes, stilles Wasser in einen Topf, koche es ein paar Minuten auf und seihe es durch ein Sieb oder einen alten Nylonstrumpf ab!
Rohstoffe für selbst gemachte Naturkosmetik-Produkte finden sich bei www.naturkosmetik-werkstatt.at und www.diebrise.at
In einschlägigen Foren findet man entsprechende Produktlisten, die häufig zu Amazon führen – die Produkte werden nicht selten quer durch Europa geschickt. Der Anbieter Ecco Verde versendet von einem Lager in der Steiermark. Wer den Weg noch kürzer halten möchte, findet in Drogeriemärkten vergleichsweise günstige sulfat-, paraben- und silikonfreie Produkte, die „curly hair safe“ sind. Mit festen Shampoos, wahlweise von zertifizierten Herstellern, aus dem Drogeriemarkt oder selbst hergestellt, spart man zusätzlich die lästige Plastikverpackung. Ebenso wie beim Haarewaschen mit Roggenmehl, das allerdings etwas Übung erfordert.
Wer seine Locken jahrelang mit konventionellen Produkten gepflegt, glatt geföhnt, gebürstet und gefärbt hat, muss ihnen mehrere Wochen oder sogar Monate geben, um sich zu erholen und an eine neue Pflegeroutine zu gewöhnen. Wer aber „bad hair days“ erhobenen Hauptes erträgt und am Ball bleibt, tut seinen Locken und der Umwelt etwas Gutes. Denn Naturlocken sind mehr als nur Haare – Naturlocken sind eine innere Einstellung!