Österreich betoniert zu viel Boden zu
Statistik Austria hat auch heuer wieder gefragt: „Wie geht’s Österreich?“ Die Antwort lautet: Materiell gut, aber beim Bodenverbrauch ganz schlecht. Seit 2001 wurden 117.000 Hektar verbaut.
„Die verbaute Fläche nahm von 2001 bis 2018 um 26 Prozent zu. Das entspricht einem Plus von rund 1.170 km², das sind 117.000 Hektar oder umgerechnet rund 2,8 mal die Landesfläche Wiens", sagt Dr. Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria. "Damit wuchs die Beanspruchung von Flächen seit 2001 deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung mit plus 9,9 Prozent.“ Ein folgenschweres Umweltproblem ist dabei die fortschreitende Bodenversiegelung, also die Abdeckung des Bodens durch wasserundurchlässige Schichten, etwa Asphalt und Beton. Der Anteil der versiegelten Flächen an den Siedlungs- und Verkehrsflächen in Österreich betrug 2018 41,2 Prozent. „Der kontinuierliche Anstieg der Flächeninanspruchnahme seit 2001 durch Bau-, Verkehrs- und sonstige Flächen wird von einem unabhängigen Bewertungsteam für ‚Wie geht’s Österreich?‘ als deutlich negativ erachtet“, so Pesendorfer.
Bodenverbrauch gefährdet den Standort Österreich
„Als Naturkatastrophenversicherer fordern wir einen bewussteren Umgang mit unserer natürlichen Ressource Boden. Weniger Äcker und grüne Wiesen bringen schwerwiegende Konsequenzen mit sich“, stellt Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, fest. Durch den Verlust von Boden (im Schnitt der letzten 10 Jahre 20 Hektar oder 30 Fußballfelder pro Tag) gefährden wir die bereits jetzt sinkende heimische Lebensmittelversorgung und tausende Arbeitsplätze. Seit 2001 wurden 117.000 Hektar verbaut, das entspricht beinahe der gesamten Ackerfläche des Burgenlands. Zudem ist Österreich als attraktives Tourismusland durch den unkontrollierten Wildwuchs von Straßen, Einkaufszentren etc. massiv gefährdet und wir nehmen auch das Risiko weiterer Wetterextreme, wie Hochwasser und Überschwemmung, in Kauf. Auch der Klimawandel wird durch den Wegfall des Bodens als CO2-Speicher beschleunigt. „Der tägliche Bodenverbrauch konnte zwar mittlerweile auf 18 Fußballfelder reduziert werden, wir liegen aber noch immer um den Faktor 5 über dem Ziel der österreichischen Bundesregierung aus dem Jahr 2002 mit 2,5 Hektar pro Tag, das wären rund 4 Fußballfelder pro Tag“, gibt Weinberger zu bedenken.
Zusammenhang mit der Lebensmittelversorgung
Laut einer AGES-Studie droht bis 2060 bei gegenwärtiger Entwicklung des Bodenverbrauchs eine Unterversorgung zum Beispiel bei Getreide, Mais oder Kartoffeln! Doch wir sind schon jetzt sehr verletzbar: In den letzten Jahren betrug der Selbstversorgungsgrad bei Brotgetreide nur noch 86 Prozent. „Vom Asphalt kann man nicht abbeißen. Daher müssen - als eine Maßnahme - besonders wertvolle Agrarflächen gesetzlich unter Schutz gestellt werden. Sonst gefährden wir nachhaltig den Standort Österreich für künftige Generationen“, fordert Weinberger.
Umfassendes Maßnahmenbündel für weniger Bodenverbrauch notwendig
Um den Bodenverbrauch auf den 2,5-Hektar-Zielwert einzudämmen, muss ein Bündel an Maßnahmen umgesetzt werden:
- Österreichweite Leerstands-Datenbank und eineFlächenmanagement-Datenbank, die Gemeinden dabei unterstützt, Baulücken und Leerstände in Ortskernen transparent zu erfassen und bestmöglich zu nutzen
- Monetäre Anreizsysteme für eine Revitalisierungsoffensive leerstehender Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien. Laut Umweltbundesamt haben wir in Österreich 40.000 Hektar derartige leerstehende Immobilien (das entspricht der Fläche der Stadt Wien)
- Innenentwicklung vor Außenentwicklung: Baulandausweisungen sollen nur noch dann genehmigt werden, wenn die betreffende Gemeinde nachweisen kann, dass keine angemessenen Innenentwicklungspotentiale verfügbar sind
- Interkommunaler Finanzausgleich
- Schutz besonders wertvoller Flächen (landwirtschaftlicher Vorrangflächen), wie am Beispiel der Schweiz, wo die produktivsten Landwirtschaftsböden für die Ernährungssicherung der Bevölkerung gesetzlich vor Verbauung geschützt sind
- Vermehrtes Bauen in die Höhe und in die Tiefe
- Ausbau des öffentlichen Verkehrs, da dieser weniger Flächen in Anspruch nimmt
- Kommunalsteuer als Landessteuer, um den Ausbaudruck von Bürgermeistern und Gemeinden zu nehmen.
„Faktum ist: Der gegenwärtige Bodenverbrauch gefährdet die Zukunft der nächsten Generationen. Daher ist eine dringende Korrektur der Bodenpolitik und eine Reform der Raumordnungnotwendig. Gerade die Sanierung des Leerstands unter dem Motto ‚Lieber sanieren statt Wiesen und Äcker neu zubetonieren‘, schont die Umwelt und schafft tausende Arbeitsplätze. Ein perfektes Beispiel, bei dem sich Ökologie und Ökonomie ergänzen und das kluge Volkswirtschaften und Unternehmen bereits erkannt haben. Das sind wir unseren Kindern und Kindeskindern schuldig!“, appelliert Weinberger an die politischen Entscheidungsträger.