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Retten Veganer die Welt?

Was der grüne Hype für Ökologie und Welternährung wirklich bringt. Interview mit Dr. Karl von Koerber.

Viele Menschen entsagen tierischen Produkten und wollen damit etwas Gutes für ihre Gesundheit, den Umweltschutz, die Welternährung und die Tiere tun. Es steht außer Frage, eine pflanzliche Ernährung hat viele Vorteile, aber eine Lösung für Klimawandel und Welthunger im Sinne der Nachhaltigkeit liegt trotzdem nicht im kompletten Verzicht auf alle tierischen Lebensmittel. Dr. Karl von Koerber, der seit Jahren intensiv zu „Nachhaltiger Ernährung“ forscht und lehrt, erklärt die ökologischen und gesellschaftlichen Hintergründe dazu.

LEBENSART: Welchen Einfluss hat unsere Ernährung auf die Klimabelastung?

Karl von Koerber: Der Anteil der Ernährung an den gesamten Treibhausgasen beträgt in Deutschland etwa 20 Prozent. Das Hauptproblem dabei ist die intensive Tierhaltung in großem Umfang, bei der auch verstärkt Antibiotika eingesetzt werden. Für die Herstellung von 1.000 Kilokalorien Rindfleisch braucht man im Schnitt eine Fläche von 31 Quadratmetern und 15.000 Liter Wasser. Im Vergleich dazu: Die Produktion von 1.000 Kilokalorien Gemüse nimmt nur 1,7 Quadratmeter und gut 300 Liter Wasser in Anspruch – das ist weitaus ressourcenschonender. Die großen Landwirtschaftsflächen zur Futtermittelproduktion erschweren die globale Nahrungsversorgung. Über ein Drittel der weltweiten Getreideernte wird an Tiere verfüttert. Würden mehr Getreide und Hülsenfrüchte direkt für die menschliche Ernährung genutzt, gäbe es deutlich mehr Nahrung für die Welt. Wiederkäuer sind aber keine Nahrungskonkurrenten für den Menschen, da sie vorhandenes Dauergrünland nutzen können. Ohne sie wäre die Überwindung des Welthungers noch schwieriger.
 

Bio-Landwirtschaft ist für die Umwelt verträglicher. Wodurch zeichnet sie sich aus?

Bio-Landwirtschaft zeichnet sich aus durch geringere Klimabelastung, keine beziehungsweise niedrige Schadstoffeinträge in die Umwelt, eine Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität. Auf Futtermittelimporte aus Entwicklungsländern, Gentechnik und Lebensmittelbestrahlung wird verzichtet. Hingegen setzt die konventionelle Landwirtschaft überwiegend chemisch-synthetische Stickstoffdünger ein, die unter sehr hohem Einsatz von fossilen Energiequellen wie Erdöl hergestellt werden. Weil Erdöl immer knapper und teurer wird, sind dringend Alternativen gefragt. Im Öko-Landbau werden natürliche Stickstoffdünger eingesetzt, die auf Kompost, Gründüngung mit Leguminosen und Mist aus Tierhaltung basieren. Durch die flächengebundene Tierhaltung, also nur eine bestimmte Anzahl von Tieren pro Hektar, passt die Menge des Mistanfalls mit dem Düngerbedarf der Futterpflanzen zusammen.
 

Sollten Fleisch und Milch aus der Küche verbannt werden und wir alle zu Veganern werden?

Nein, das ist nicht nötig. Damit würden wir uns von einer angestrebten natürlichen, ausgewogenen und bedarfsdeckenden Ernährung entfernen. Allerdings ist es unbestritten, dass eine überwiegend pflanzliche Ernährung große ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile bringt. Daher wäre ein deutlich verringerter Konsum der von Tieren stammenden Produkte empfehlenswert. Ein völliger Verzicht auf Tierhaltung würde im Öko-Pflanzenbau wegen der fehlenden tierischen Dünger die Versorgung der Böden und Pflanzen mit Nährstoffen erschweren.
 

Was heißt das für Konsumenten?

Weniger Fleisch, Wurst, Milch und Eier, aber dafür in hoher ökologischer und ethischer Qualität. Eine gute Orientierung ist der früher übliche Sonntagsbraten, also etwa einmal in der Woche ein Fleischgericht – und ab und zu auch mal Wurst. Tierische Produkte sollten keine billige Massenware sein. Durch das eigene Kaufverhalten können wir die Weichen für eine klimafreundliche und sozialverträgliche bzw. nachhaltige Ernährung stellen.
 

Infos: Dr. Karl von Koerber, Arbeitsgruppe Nachhaltige Ernährung, Beratungsbüro für ErnährungsÖkologie, München. www.nachhaltigeernaehrung.de

Interview: Anita Arneitz

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