Sekt: Wenn's Bio prickeln soll
Sektkellereien kaufen Bio-Trauben ein. Winzer stellen ihre Produktion um: In den kommenden Jahren wird vermehrt Bio-Schaumwein in den Gläsern sprudeln.
Herbst vor 205 Jahren. Auf den Banketten, Bällen und Diners des Wiener Kongresses floss reichlich Champagner. Inspiriert davon etablierten sich in vielen Teilen der Donaumonarchie Unternehmen, die sich der Herstellung von schäumenden Weinen widmeten. Auch im Wien der 1820er-Jahre werden schon eine Handvoll Sektfabriken in den Branchenbüchern genannt. 1842 begann ein junger Mann, der in Reims bei Ruinart sein Handwerk gelernt hatte, seine Schaumweinproduktion: Robert Alwin Schlumberger. Das ist heute noch einer der großen Namen. Gemeinsam mit Szigeti und Kattus zählt die Sektkellerei mengenmäßig zu den Platzhirschen im österreichischen Sektreich. Letzterer macht jetzt auf grün. Auf dem Etikett und mit 10.000 Flaschen Bio-Sekt im Sortiment.
Der Grundwein stammt von Rebflächen der Kattus-Produzenten im Weinviertel. „Wir sind unserem Stil, trockene und unverfälschte Sekte und Frizzante zu produzieren, treu geblieben. Die Qualität des Grundweins ist für uns unumgänglich und diese soll mit einer vergleichsweise geringen Dosage betont werden", erläutert Johannes Kattus. Das Wiener Unternehmen möchte mit Kattus Organic dem aktuellen Trend zu nachhaltigem Genuss nachkommen, heißt es. Die Nachfrage nach Bio-Produkten aus regionaler Herstellung steigt seit Jahren. So auch beim Schaumwein. Hierzulande stellen rund 130 Betriebe Sekt her. Dazu kommen 3.000 Betriebe als Rohstofflieferanten (Trauben oder Grundweine) für Sektkellereien. Zudem lassen Bio-Winzer ihre Weine versekten, um auch Bubbles im eigenen Sortiment zu haben.
Von Langenlois in die Champagne
Willi Bründlmayer hat als einer der Ersten in Österreich Winzersekt gemacht. „Meine Frau Edwige ist ja Französin und ihr Lieblingsgetränk war natürlich Champagner", erzählt er. Bevor der Konsum langfristig ein zu großes Loch im Geldbeutel hinterlassen konnte, und weil die Lage zwischen dem kühlen Waldviertel und dem warmen Donautal vielversprechend erschien, beschloss Bründlmayer, sich selbst am Schaumwein zu versuchen. Und so reiste das Ehepaar vor 30 Jahren nach Epernay zur „Station Oenotechnique de Champagne“ um sich Fachwissen und Meinung zu ihrem Grundwein zu holen. Das Projekt kam gut an. Die Gastronomie sei dankbar für die österreichische Alternative gewesen, erinnert sich der Winzer zurück. Die Nachfrage wurde immer größer und nachdem die Weine im Keller reiften, war dieser rasch voll. Bei schrittweiser Erweiterung kommt der Sektmacher jetzt auf jährlich 100.000 Flaschen Sekt. Litermäßig sind das zwar nicht einmal 20 Prozent seiner Ernte, aber dafür erhält Bründlmayer die größere Aufmerksamkeit. Mit der Bio-Umstellung hat es umso länger gedauert.
Auf Bio-Sekt muss ein Betrieb immer besonders lange warten. Im Falle der Bründlmayers ist die erste zertifizierte Ernte – nach drei Jahren Umstellungszeit – 2018. Die daraus vinifizierten Sekte werden ab 2021 oder 2022 am Markt sein. Die Grundlage für den Sekt bildet also der Bio-Wein. Behandlungsmethoden, wie die Schönung mit Polyvinylpyrrolidon (PVPP), sind nicht erlaubt. „Tiragelikör“ oder „Versandlikör“ – die bei der Sektherstellung zum Einsatz kommen können – müssen auch zu 100 Prozent biozertifiziert sein. „Wir verwenden für die Vergärung in der Flasche die Hefe „Quartz“, die aus einem Bio-Betrieb selektioniert wurde", sagt Bründlmayer.
Traditionskellerei im Burgenland
„Natürlich muss auch der zugesetzte Zucker biologisch sein“, ergänzt Peter Szigeti. Die burgenländische Traditionskellerei hat selbst keine Rebflächen. Sie arbeiten mit benachbarten Winzern seit Jahrzehnten zusammen, zum Beispiel mit Georg Lunzer aus Gols und der Winzergenossenschaft in Pamhagen. Bio-Sekt haben sie seit mehr als zehn Jahren im Programm. Und doppelt so lange stellen sie schon für Bio-Winzer Sekte her. Es sind etwa 120 Winzer aus der ganzen Europäischen Union, die bei Szigeti versekten lassen. Davon sind zirka zehn Prozent Bioproduzenten. Wie auch die Renners aus der Golser Nachbarschaft.
Weinviertel – Heimat der Sektgrundweine
Drei Viertel der heimischen Sektgrundweine stammen aus dem nordöstlichen Weinviertel. „Da muss was dran sein, wenn alle da die Trauben kaufen", dachte sich Peter Zuschmann-Schöffmann. Er hat – selbst aus der Gastronomie kommend – mit seiner Frau Else den Betrieb ihrer Eltern übernommen. 2007 probierten sie sich am ersten Sekt. 2015 war ihr erster Bio-Jahrgang. Heuer kam damit der erste Bio-Sekt in den Verkauf. Die beiden arbeiten an einem eigenen Online-Auftritt und versekten mittlerweile mit teilweise geliehenem Degorgiergerät und Gemeinschaftsfüllanlage direkt am Hof. „Wir wollen das ganz gerne in der eigenen Hand haben. Selbst kennt man den Grundwein, die Gärung und so weiter, am besten. Das macht die Fehlervermeidung einfacher. Man hat die Chance bei Sekt viele Fehler zu machen. Und man macht sie auch", gibt er zu. Für den Sekt muss man schon im Weingarten anders arbeiten, zum Beispiel was das Verhältnis von Trauben und Blätter angeht. Gerade auf den sandigen Böden des Weinviertels, würde der Sekt sonst früher die essentielle Säure verlieren. „Der PH-Wert muss für die mikrobiologische Haltbarkeit passen, wenn das Ding ungeschwefelt drei bis vier Jahre auf der Hefe liegen soll", erklärt er.
Prickelndes Glossar
Champagner = Die französische Bezeichnung ist markenrechtlich geschützt. Andere durch Flaschengärung hergestellte Schaumweine heißen in Frankreich außerhalb der Champagne Crémant oder Vin Mousseux, in Spanien Cava, in Italien Spumante und bei uns eben Sekt.
Vom Sekt spricht man also immer nur, wenn es eine zweite Gärung in der Flasche gibt.
Der Rest wird als Sparkling, Perlwein oder Frizzante bezeichnet, wobei letzterer weniger Kohlensäureüberdruck hat (und damit nicht unter die Schaumweinsteuer fällt). Viele Bio-Winzer haben diese Alternativen in ihrem Sortiment. Die Kohlensäure wird meistens bei der Füllung direkt in die Flasche zugesetzt oder kommt beim Tankgärverfahren zustande.
Prosecco ist eine geschützte Herkunftsbezeichnung für Weine aus Venetien und Friaul-Julisch Venetien.
Pet Nat steht für Petillant Naturell (franz. für „natürliches Prickeln"), dazu füllt man den gärenden Traubenmost in die Flasche. Der Druck entsteht durch das Fertigvergären.
Dosage: Einerseits gibt es die Füll-Dosage, die man mit dem Grundwein und Hefe in die Flasche bringt um eine zweite Gärung auszulösen, andererseits gibt es die Versand-Dosage mit der man die Flasche nach dem Degorgieren auffüllt. Je nach Restzuckergehalt geht es dann von Extra Brut bis zu Süß mit mehr als 50 Gramm pro Liter. Zero Dosage bedeutet, dass auf die Versand-Dosage verzichtet wird. Man spricht von Ultra Brut, Brut Nature oder Non-Dosage.
Degorgieren = Nach dem Abrütteln werden die Rohsekte kopfüber in ein Kältebad getaucht. Die im Flaschenhals gesammelte Hefe gefriert zu einem Pfropfen, der nach dem vorsichtigen Öffnen des Kronkorkens aus der Flasche schießt.
Mousseux bezeichnet das Prickeln im Schaumwein (CO2)
Die österreichische Sekt-Qualitätspyramide
Für die Bezeichnungen „Österreichischer Sekt geschützten Ursprungs" gelten unterschiedliche Qualitätsparameter:
"Klassik“: Mind. 9 Monate auf der Hefe.
„Reserve“: Mind. 18 Monate auf der Hefe, Handlese.
„Große Reserve“: Mind. 30 Monate auf der Hefe, Handlese, Ernte und Pressung in einer einzigen Gemeinde.
Erfreuliches gibt es auch in der Steiermark
Die Familie Harkamp aus St. Nikolai im Sausal hat sich erfolgreich zur Sekt-Manufaktur entwickelt. Sie versekten für mehr als 90 Kollegen. „Es ist ein schnell wachsendes Segment. Um den Sekt gibt es wieder einen Hype", sagt Hannes Harkamp. Den Bio-Anteil schätzt er auf – ähnlich wie beim Stilwein – zirka 14 Prozent. Lohnversektung und der eigene Betrieb müssen streng getrennt sein. Selbst bewirtschaften die Harkamps 20 Hektar eigene Flächen, in jüngsten Jahren biodynamisch nach Demeter-Kriterien. „Wir sind Winzersekterzeuger mit eigenen Weingärten. Das unterscheidet uns von den anderen Sektkellereien. Wir sind nicht auf Zulieferung angewiesen", sagt er. Demeter-Sekt darf keine Schönungsmittel, keine Stabilisierungsmittel sehen; der Grundwein darf nicht mit Reinzuchthefe vergoren werden; der Zucker muss genauso aus biodynamischer Landwirtschaft stammen. Viele Sekt-Macher befinden sich gerade im Bio-Umstellung. Auch bei Harkamp freut man sich schon, wenn der erste erste Bio-Sekt im kommenden Jahr auf den Markt kommt.
Was hat es mit histaminfreien/armen Sekt auf sich?
Sekt ist nicht durch die Reifung, sondern durch die komplexen Vergärungen möglicherweise histaminhaltig. Bei der traditionellen Methode durchläuft er zwei alkoholische Gärungen: zuerst eine im Fass oder Tank und dann eine in der Flasche. Zusätzlich macht er in aller Regel einen biologischen Säureabbau (wie meist auch Rotwein). Bei jeder Gärung oder Fermentation können Histamine entstehen, so wie beispielsweise beim Käse. Histaminarmen Sekt kann man erzeugen, wenn man die Gärungen möglichst einfach und zügig gestaltet und zusätzlich bei der Flaschengärung Bentonit (Steinmehl aus Ton) hinzufügt. Sie bindet zumindest teilweise eventuell vorhandenes Histamin, das dann beim Abrütteln gemeinsam mit dem Hefedepot entfernt wird.
Sekt im Geschmackstest:
Wir haben Bio-Sekt aus der Steiermark, dem Burgenland und Niederösterreich gekostet
Jurtschitsch
Brut Rosé Zweigelt, Pinot Noir und Sankt Laurent, 12 vol.%, 16,95€, www.jurtschitsch.com
Schönes Candy-Rosa, himbeerig auch im Duft, nicht zu süß, tanzende Ribisel auf der Zunge.
Szigeti
Bio Welschriesling Brut, 12 vol%, 15,90 €, www.szigeti.at
Startet schön druckvoll, riecht nach Schwarzbrotkruste, aber auch streichholzig, und hat appetitanregende Gerbstoffnoten einer Mostbirne.
Kattus
Organic Grüner Veltliner, 11,5 vol%, 9,90 €, Spar Gourmet, www.kattus.at
Fruchtig, straff, Granny Smith-Apfel, Passionsfrucht, leichte Süße lässt an Birnenkompott denken
Loimer
Brut Nature Blanc de Blancs Große Reserve, Chardonnay, Pinot blanc, Pinot gris, 12,5 vol%, 37,95 €, www.loimer.at
Weißbrotduft, als würde man eine Bäckerei betreten, schöne Zitrusnote, vollmundig, kommt dem französischen Vorbild sehr nahe und bei den Verkostern gut an.
Strohmeier
Sekt Rosé Blaue Wildbacher (Schilcher), 11,5 vol%, 29,95€, www.weinco.at
Trüb und rostfarbig an Terracotta erinnernd, Dörrobst, eingelegte Johannisbeeren, Nelken, Rosinen, angenehm trocken am Gaumen, und leicht sauerkrautig, viel Spannung.
Renner
Rosé Sekt Extra Brut 2015, Zweigelt, Pinot Noir, 13,5 vol%, 19,90 €, www.rennerundsistas.at
Briochekipferl, Zwetschke, weißer Pfirsich, mild und dezent, fein salzig, haselnussig im Abgang.
Zuschmann-Schöffmann
Riesling Brut 2015, 12,5 vol%, 21 €, www.zuschmann.at/wein-und-sekt/
Zitrusnoten, Mürbteig, Cremant-ähnlich, feine Perlage. Feiner Duft nach Steinobst und Apfel, cremig, harmonisch und sehr überzeugend.
Schödl
Blanc de Noir, Pinot Noir, 12,5%, www.weingutschoedl.at
Grapefruitduft, Pomelo am Gaumen, warm, zimtig, später Honig, Milchschokolade, Apfelmus, verbranntes Karamell, Thymianhonig, äußerst vielschichtig
HuM Hofer
Bio SEKT Pupitres, Welschriesling, 12,5%, 14,00 €, www.weinguthofer.com
Duftet nach Stachelbeeren und feinen Wiesenkräutern, Geschmack nach frischen Äpfeln und Physalis.
Juliane Fischer