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Eine Reise zu Klimagerechtigkeit

Gemeinsam lernen, gemeinsam handeln - SOHO-Jahresausstellung führt in Ottakring vom 8. November bis zum 1. Dezember auf eine gemeinsame Reise.

Hände, die von roten Bändern umwoben sind vor einem blassroten Hintergrund.
Bild: Cati Krueger

„In Einklang mit der Natur zu leben, haben die kurzsichtigen Industriegesellschaften mit
Herablassung sogenannten ‚Naturvölkern‘ überlassen und sich auf ein Unmaß an Erfindungen
gestürzt.“

Anne Teresa De Keersmaeker zu Il Cimento dell’Armonia e dell’Inventione im Rahmen von Impulstanz 2024.


Die Ausstellung „Eine kollektive Reise zu Klimagerechtigkeit: gemeinsam lernen, gemeinsam handeln“ macht die historischen, sozialen und wirtschaftlichen Ursachen von Ungerechtigkeit, die eng mit ökologischen Entwicklungen zusammenhängen, mittels zeitgenössischer Kunst sichtbar und be/greifbar. Dabei wird unter anderen Kritik an der hierarchischen Beziehung zwischen Menschen und Natur und der anhaltenden koloniale Ausbeutung von Menschen, Pflanzen, Tieren und anderen planetaren Wesen geübt, feministische* Aspekte und indigenes Wissen eingewoben, Zeit in Relation mit den Zyklen der Natur und mit dem Erbe der Vorfahr*innen gesetzt und so die Linearität unseres Zeitverständnisses erweitert.

Obgleich das Themenfeld groß und weltumspannend ist, ist es gleichzeitig auch hier und jetzt spür- und erfahrbar. Die Ausstellung nutzt deshalb besonders kollaborative Methoden um Wissen mit allen Sinnen austauschen zu können und zu zeigen, wie der Verlust an Biodiversität und soziale Ungerechtigkeiten Hand in Hand gehen.

Eröffnung: 7. November 2024, 18 Uhr | Zur Eröffnung sprechen Kulturstadträtin Veronica
Kaup-Hasler; Bezirksvorsteherin für den 16. Bezirk Stefanie Lamp; Vorsitzende der Kulturkommission für den 16. Bezirk Theresa Auer und das kuratorische Team
Ausstellung von 8. November bis 1. Dezember 2024
Ort: SOHO STUDIOS im Sandleitenhof, Liebknechtgasse 32, 1160 Wien

www.sohostudios.at

Die  Ausstellungsbeiträge

„Kollektive Freude im Widerstand“
Idee und Konzept: Susana Ojeda
Eingeladene Künstler*innen: Andrea Ancira, Luan Dannerbauer und Olivia Golde (Grafik und Design), Nina Sandino (Kostümdesign und Textilkunst), Bita Bell (Tanz und Choreographie), Zoe Gudović und Laura Garcia Sobreira (Musik und Gesang) | Afro Rainbow Austria (Kochinterventionen)

Radikale Vorstellungskraft und gemeinsame Fürsorge entwickelt neue Möglichkeiten des sozialen Protests: Die Gegenwart ist geprägt von bedeutenden politischen Diskussionen über Klimagerechtigkeit und dem Erstarken der extremen Rechten in Europa.
Inmitten dieses Szenarios des politischen Umbruchs wurde im Kollektiv ein Raum für fröhlichen Aktivismus geschaffen, um gemeinsam innovative Formen des Protests zu gestalten und alternative Lebensweisen zu bejahen. Vier Treffen widmeten sich der Förderung von Aktivismus durch das Teilen künstlerischer Praktiken. Themen wie Ökofeminismus, Dekolonialismus, Klimagerechtigkeit und Antirassismus wurden durch verschiedene Medien wie Textilkunst, Grafikdesign, Klang,
Körper und Ernährung behandelt.

Beklebte Gläser, rote Textilien und Transparente sind auf dem Boden ausgelegt.
Foto: SOHO in Ottakring

„Siona. Reise in die Gegenwart “

Von: David Osthoff

In dieser Arbeit von David Osthoff geht es darum, das Verständnis von Zeit, die Verbindung  zwischen Vergangenheit und Zukunft sowie die Auswirkungen des Internets visuell und akustisch  darzustellen. Entlang des ecuadorianischen Cuyabeno-Flusses lebt in der Gemeinde Puerto Bolivar die indigene Minderheit der Siona. Die besondere Gegebenheit dieses Ortes besteht darin, dass die Ausbeutung und Zerstörung des Lebensraums bisher weitgehend ausgeblieben ist. Der Schutz des Lebensraums hat ermöglicht, dass Traditionen am Leben bleiben, die in den meisten Kulturen  anderer indigener Völker bereits verloren gegangen sind. Der beschränkte Zugang über Flüsse hat die Modernisierung und technische Entwicklung stark verlangsamt. Die Bewahrung der kulturellen Identität und der traditionellen Praktiken ist ein bedeutender Faktor für die Gemeinschaft der Siona, die trotz der äußeren Einflüsse versuchen, ihre Kultur zu bewahren und weiterzugeben.
Gezeigt wird ein Flusskreislauf mit einer langsamen Kamerafahrt im Kanu dargestellt, der  symbolisch für den Lebensweg und das zyklische Zeitverständnis der indigenen Kulturen im Kontrast zum linearen Fortschrittsdenken der westlichen Wirtschaft steht. Die Interviews und Erzählungen der Dorfbewohner zum Thema Digitalisierung und Internet werden als Audiospur darüber gelegt. Die Interviews sind im Laufe der letzten 5 Jahre entstanden und zeichnen ein Bild starker Veränderungen. Dieser Wandel wird auch auf der visuellen Darstellung sichtbar. Die Arbeit ist ein work in progress.

Ein Foto eines Flusses mit üppiger, tropischer Vegetation.
Foto: David Osthoff

Beaver Lab presents: „Beaver Land“

Von: Franziska Thurner und Fabian Holzinger

Beaver Lab erkundet das Zusammenwirken von Natur und Kultur und unseren Umgang mit Wildtieren am Beispiel der im 19. Jahrhundert ausgerotteten und nun wieder zurückkehrenden Biber. Während diese seit 15 Millionen Jahren unsere Landschaften und Ökosysteme prägen, fehlt uns Menschen nun seit Generationen jeglicher Bezug zu diesen erstaunlichen Tieren – Mythen und Falschinformationen dominieren aktuelle Debatten.
Neben wissenschaftlichen Fakten oder Historischem wird insbesondere auf das Leben mehrerer Biberfamilien in Linz und dem Mühlviertel Bezug genommen, die Rolle von Tieren in der Kunst (oder als Kunstschaffende) beleuchtet und Utopien der Koexistenz bis Konvivialität im Hinblick auf Klimakrise und Artensterben erarbeitet.
Im Sommer 2023 gastierte das Beaver Lab als öffentliches Feldlabor mit skulpturaler Biberburg und Diskurs Programm am Linzer Donauufer – nun entstehen im Wiener Sandleitenhof medienkünstlerische Auseinandersetzungen mit Bibern als Ökosystemingenieur*innen, ihrem Wirken und ihrer Nachbarschaft. Besucher*innen werden eingeladen, sich in spiele-rischer Weise mit anderen Lebewesen verwandt zu machen, sich einige Zeit um quengelnde Biber Babys zu kümmern, als Eisvogel kleine Fische zu jagen oder als Blauflügel-Prachtlibelle am Biberdamm zu rasten.

Ein Biberkopf lugt knapp über die Wasseroberfläche.
Foto: Leopold Kanzler

„Sensible Systeme“

Installation aus fünf Keramiktafeln und Videodokumentation
Ergebnisse der Arbeit „Erdzeitalter“, Beitrag der Klasse für ortsbezogene Kunst, Universität für angewandte Kunst im Rahmen der Klima Biennale Wien 2024
Idee und Konzept: Ursula Gaisbauer
Technische Unterstützung: Marie Janssen
Umsetzung mit Studierenden der Klasse für ortsbezogene Kunst: Anna Brock, David Fedders, Marie Filippovits, Lena Heinschink, Laura Josic, Tutku Kocabas, Flores Paul, Yevhenia Pavlova, Michelle Schäfer, Lin Wolf, Ida Zahradnik
Videodokumentation: Nick Shandra

Die Idee des Phönix-Komplex‘, dass die Menschheit die Erde verbrennen muss, um sie zu erneuern, ist so alt wie die Menschheit selbst. Diese Idee opfert jedoch die langfristige Zukunft zugunsten der unmittelbaren Gegenwart. In ihrer Arbeit „Erdzeitalter“ hinterfragt Ursula Gaisbauer das Vertrauen in die regenerativen Kräfte der Natur und setzt ihm die künstlerisch-rituelle Handlung entgegen.
Das Entstehen und Sterben der Arten über Jahrmillionen wurde auf die gesamte Dauer der Klima Biennale Wien übertragen und prozesshaft in Form von Workshops nachempfunden. So entstanden im kollektiven Prozess fünf Keramiktafeln entsprechend dem großen Massen-sterben (Ordovizium, Devon, Perm, Trias und Kreide) und bilden diese sensiblen Systeme ab.
Besonders das Massensterben ist ein für die Evolution extrem relevanter Prozess. Seitdem Leben auf der Erde existiert, starben bisher insgesamt fünfmal ca. 80 Prozent aller Lebewesen aufgrund verschiedener klimarelevanter Ereignisse. Durch die dabei frei werdenden ökologischen Nischen konnte eine neue Variabilität an bisher unbekannten Arten entstehen.
Die Pflanzen und Tiere des entsprechenden Erdzeitalters wurden aus Ton geformt, zu kollektiven Skulpturen zusammengefügt, getrocknet, glasiert und gebrannt. Für den speziellen Brennprozess wurde mit Marie Janssen ein Keramikofen vor Ort am Areal der Klima Biennale aufgebaut und jeweils über acht bis zwölf Stunden mit Holz befeuert.
Eindrücke des Prozesses und der Entstehung der Keramiktafeln sind in einem künstlerischen Dokumentationsvideo von Nick Shandra festgehalten, der das Projekt begleitete.

Eine Keramikplatte mit geformten Pflanzen und Tieren eines vergangenen Erdzeitalters.
Bild: Ursula Gaisbauer

„COMMON GROUND ― eine gemeinsame Praxis“

Von: COMMON GROUND Group ― Marieluisa Lenglacher, Johanna Preissler, Carina Riedl, Elisabeth Smejkal

Seit 2022 entsteht in gemeinsamer Arbeit vieler Menschen ein großer Teppich. Jede Person hinterlässt einen geflochtenen Zopf, der Teil des Teppichs wird - und damit eine Spur darin. Im Rahmen der miteinander verbrachten Zeit öffnet sich Raum für Austausch und Gespräche. Die handwerkliche Technik ist einfach und kann sofort angewendet werden.
Aussortiertes und Weggeworfenes verwandelt sich in ein Objekt, das allen Platz bietet – um in Dialog zu treten, zuzuhören und voneinander zu lernen. Der COMMON GROUND entsteht in gemeinsamen Flecht-Sessions, die von Mitgliedern der COMMON GROUND Group gehostet werden und sowohl in Zusammenarbeit mit Gruppen und Communities (z.B. Mama lernt Deutsch, Station Wien, Obdach Forum Wien, Volkshilfe Community Work) als auch mit Einzelpersonen stattfinden.

Eine Person flechtet einen bunten Zopf aus Stoffresten, vor ihr ein buntes Gewebe aus vielen Zöpfen.
Foto: Johanna Preissler

Bisher sind in mehr als 30 Sessions über 500 Menschen Teil des COMMON GROUND geworden.

2024 war das Projekt auch Teil der ersten Klima Biennale Wien. Das Setting und die gemeinsame Arbeit bieten den Boden für eine sehr besondere Begeg-nungsform. Immer wieder werden auch andere Kollektive und Künstler*innen zu den Sessions eingeladen, um während des gemeinsamen Flechtens Gespräche mit Fokus auf Aspekte öko-soziale Transformation, Vielfalt und Zusammenarbeit zu führen.
In den SOHO Studios sind alle Besucher*innen herzlich zum Mitflechten eingeladen und können unabhängig von den Sessions einen Zopf in der Braiding Station hinterlassen oder an drei Session-Terminen mit wechselnden Special-Guests Teil des COMMON GROUND werden. | @braidingcommunity_commonground

Mehr zum SOHO-Jahresschwerpunkt 2024: „Klimagerechtigkeit und Demokratie“

„Lieber keine Atmosphäre als ein Warten darauf, dass sie besser wird.“ So ähnlich könnten die Gedankengänge jener sein, die sich zum Mars hingezogen fühlen, um mit viel Geld und ewigem Leben einen Absprung von einer kaputten Erde zu wagen. Das ist beispielhaft für ein medial gern verbreitetes menschliches Verlangen nach Technik basierter Macht, über die „kleine“ Welt hinaus die Natur zu beherrschen. Zum Glück sind andere Geister von einer Treue zum irdischen Dasein, bescheideneren Gedanken und Ehrfurcht vor der Endgültigkeit beseelt.
Andererseits: wer kann es sich leisten, sich um eine Balance zwischen den Welten, die in einem großen Ganzen zusammenwirken, zu kümmern? Bequemlichkeit und Gewohnheit, Wut und Zorn, Furcht und Resignation, Alltagssorgen oder Desinteresse, Profitgier und Machtstreben stehen da ganz nah an der Tür und großen gesellschaftlichen Würfen entgegen.

Wie kann es weitergehen? Was haben wir zu verlieren? 2024 taucht SOHO in Ottakring in Fragen der Klimagerechtigkeit und der demokratischen Aushandlung ein, initiiert gemeinschaftsbildende künstlerische Prozesse und regt die Freude am Tun an. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen findet Ausdruck in der künstlerischen Übersetzung in den SOHO STUDIOS sowie im lokalen öffentlichen Raum rund um den Sandleitenhof.

Die SOHO STUDIOS
Die SOHO STUDIOS sind ein Ort, wo kulturelle Nahversorgung und Werkstätten für Kunstschaffende zusammentreffen. Die kunstschule.wien hat hier ebenfalls einen Unterrichtsraum. Die SOHO STUDIOS ― „Kunstlabor“ und „Freiraum“ ― können für Workshops, Symposien, Ausstellungen u.Ä.m. gemietet werden. | Kontakt: vermietung@sohostudios.at
Seit 2013 ist das Team des Trägervereins Soho in Ottakring für die Programmgestaltung der SOHO STUDIOS verantwortlich. Das künstlerische Programm beinhaltet stets auch Themen der Vielfalt und Geschlechtersensibilität, Ökologie und Nachhaltigkeit sowie eines achtsamen und demokratischen Miteinanders.