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Das tapfere Schneiderlein

Umweltfreundliche Textilien erkennt man an ihren Gütezeichen – und Qualität ist durchaus in Österreich zuhause. Eine Reise durch textile Highlights in Österreich.

Ein junger Mann zieht sich gerade seine Sportjacke an. Er hält sich im Gebirge auf, im Hintergrund sieht man bewaldete Berghänge und felsige Gebirgsrücken.
Foto: Kottersteger

Die Herstellung von Textilien hat in Österreich eine lange Tradition. Schon im 19. Jahrhundert waren heimische Textilerzeugnisse für ihre Qualität und ihre Handwerkskunst bekannt. Die österreichische Textilindustrie hatte einst 70.000 Beschäftigte.

Das ist lange her. Aktuell gibt es in Österreich rund 200 Textilunternehmen. Besonders in den 90er-Jahren gab es einen starken Strukturwandel, Stichwort „Fast Fashion“: Importe billiger Massenproduktionen aus Türkei, China oder Indien erhöhten den Wettbewerb. Kleidung wurde nicht nur zur billigen Massenware, sondern auch zum Wegwerfprodukt.

Und trotzdem hat die Textilindustrie in Österreich nach wie vor einen großen Stellenwert – weiterhin wird hierzulande gesponnen und gewebt, weiterhin werden kleine, feine Kollektionen und neue textile Materialien ersonnen. Unter dem Motto „Nische statt Masse“ steht heute die Spezialisierung auf qualitativ hochwertige Produkte im Vordergrund – von Bekleidung und Mode über Heimtextilien bis zu hochtechnischen Textilien. So werden in Österreich heute nicht nur Textilprodukte hergestellt, auf denen man das Gras wachsen lassen kann, es gibt es auch eine Reihe von heimischen textilverarbeitenden Betrieben, die mit den höchsten Ökostandards zertifiziert sind.

Spieglein, Spieglein an der Wand...

… wer hat das beste Siegel im Land? Kleidung und Heimtextilien wie Bettwäsche liegen uns nicht nur emotional nahe. Wie umweltverträglich ihre Materialien sind, wirkt sich auf die Hautverträglichkeit, auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden aus. Vor jedem Kauf auf das Etikett zu achten und sich dieses „Ritual“ zur Gewohnheit werden zu lassen, ist daher der beste Tipp: Die Materialzusammensetzung zeigt, wie wohl wir uns in einem Stück fühlen werden und unterschiedliche Textil-Gütesiegel geben Auskunft über Qualität und Herstellung (siehe Kasten).

Die Zukunft liegt in unserer Hand

Siegel und Labels reichen jedoch nicht aus, um den negativen Einfluss der globalen Textilindustrie auf Umwelt und Klima zu reduzieren – es geht auch darum, wenig Kleidung in guter Qualität zu kaufen, sie lange zu tragen und schließlich zu recyceln. Dazu entwickelt die EU bereits Vorgaben – und erfreulicherweise steigt auch die Nachfrage nach nachhaltigen Textilprodukten. Viele österreichische Unternehmen haben auf diesen Trend reagiert. Trotzdem beherrscht die „Fast Fashion“ noch immer den weltweiten Textilmarkt – etwas, das wir mit jedem Kauf mitentscheiden. „Die wichtigsten Fragen, die wir uns stellen müssen, wenn wir ein Kleidungsstück in der Hand halten, lauten: Woher kommt der Rohstoff? Wie geht es den Leuten, die es produziert haben, und was passiert mit dem Teil, wenn wir es nicht mehr brauchen? Wenn wir dies hinterfragen, hat das letztendlich Auswirkungen auf die gesamte Textilbranche“, so der Vorarlberger Textilpionier Stefan Grabher, der mit kompostierbaren Textilien neue Wege geht. 

„Preloved“ ist in Mode
Die Hände einer Schneiderin bei der Arbeit an der Nähmaschine.
Foto: Fredmansky, Vieböck

Österreichs Textilunternehmen haben mittlerweile viel zu bieten, wenn es um umweltverträgliche Produkte geht. Aber auch nach dem Kauf haben wir es in der Hand, was mit einem Kleidungsstück passiert. Anstatt ein nicht mehr gebrauchtes Stück einfach wegzuwerfen, gibt es viele sinnvolle Alternativen, um Kleidung ein „Second Life“ zu ermöglichen. Waren es früher vor allem Flohmärkte, sind es heute Secondhandläden und Online-Plattformen, wo „preloved“-Teile zum Kauf angeboten werden – das spart Ressourcen und bares Geld. So profitieren nicht nur Verkäufer*in und Käufer*in, sondern vor allem die Umwelt.

Textile Highlights aus Österreich:
Von der Bio-Matratze bis zur grünen Unterwäsche

Die Forderung der EU, textile Produkte künftig kreislauffähig zu produzieren und gleichzeitig den Vorgaben zu Ökodesign, Reparaturfähigkeit und Wiederverwendung sowie Recyclingfähigkeit zu entsprechen, stellt die österreichische Textilwirtschaft vor große Herausforderungen. Doch auch heute ist schon vieles möglich, wie heimische Unternehmen zeigen. Begib dich mit uns auf eine nachhaltige Tour durch Österreich und erfahre, was unser Land im Bereich der höchsten Ökolabels zu bieten hat: 

„Cradle to Cradle Gold“ für Mary Rose

Unsere Tour beginnt in Vorarlberg. Mary-Rose-Gründer Stefan Grabher zeigt, dass man Textilien aus Biobaumwolle letztendlich sogar kompostieren kann. Der Textilpionier beweist, dass „Cradle to Cradle“, eine durchgängige Kreislaufwirtschaft, möglich ist: Die Firmenphilosophie ist ganzheitlich ausgelegt – vom Rohstoffanbau bis zum Produktionsprozess und schlussendlich der Kompostierfähigkeit der Produkte. Verschlissene Kleider einfach auf den Komposthaufen zu werfen, klingt ungewöhnlich, kennenlernen kann man die kompostierbaren Textilien in den Geschäften in Dornbirn und Innsbruck. shop.maryrose.at

Leinenweberei Vieböck: GOTS und IVN Best

Ein helles Schlafzimmer, das Doppelbett neben dem großen Fenster ist mit Bettwäsche aus Leinen in Natur-, Bordeaux- und Rosétönen bedeckt.
Foto: Vieböck
Als nächstes machen wir im oberen Mühlviertel in Oberösterreich Halt: Wer Wert auf hochwertige Leinenprodukte legt, wird bei der Leinenweberei Vieböck in Helfenberg fündig. Sie stellt Leinen aus europäischen Garnen sowie Baumwollstoffe her, verwebt diese ausschließlich in Helfenberg und näht auch selbst. Als weltweit einzige Leinenweberei ist der oberösterreichische Traditionsbetrieb seit 2011 mit den Bio-Gütezeichen GOTS und IVN Best zertifiziert. www.vieboeck-shop.at

Frottierhandtücher in Weiß und verschiedenen Grüntönen liegen gefaltet und gestapelt auf Holzpodesten, daneben ein Seifenspender aus Glas und Zimmerpflanzen.
Foto: Herka

Herka Frottier kann GOTS

Vom Mühlviertel ist es quasi nur ein Katzensprung hinüber ins Waldviertel. Im kleinen Ort Kautzen werden die Frottierwaren des Familienunternehmens HERKA hergestellt – einige davon ebenso GOTS zertifiziert und somit aus biologischer Baumwolle gefertigt und biologisch gefärbt. www.herka-frottier.at/shop

Waldviertler Biomatratzen

Ebenfalls in Kautzen ist die Textilwerkstatt Obermühle beheimatet, die für ihre natürlichen Rohstoffe bekannt ist. Hier entstehen in Handarbeit Textilien aus Schafwolle und Hanf in Bioqualität. Auch alle Materialien der Waldviertler Biomatratzen, wie Baumwolle, Kokosfasern und Naturkautschuk sind GOTS, GOLS bzw. IVN Best zertifiziert. www.obermuehle.at

Ökopionier Grüne Erde

Weiter geht es zurück ins oberösterreichischen Scharnstein. Hier ist seit 1993 die „Grüne Erde“ zu Hause – ein Unternehmen, das sich mit Produkten in den Bereichen Bekleidung, Möbelstoffe, Textilien und Matratzen einen Namen gemacht hat. Die Produkte sind NATURTEXTIL BEST sowie GOTS zertifiziert. Seit 2021 gibt es die erste Schlafkollektion aus rein pflanzlichen Rohstoffen, die nach Richtlinien der European Vegetarian Union geprüft und als VEGAN zertifiziert ist. www.grueneerde.com

Funktionsunterwäsche für den Winter: Ein weibliches Model trägt ein silbergraues, langärmeliges Oberteil mit Rollkragen, den sie bis über ihre Nase hoch aufgerollt hat und somit als Maske dient.
Foto: Hasselblad H5D / Löffler

Grüne Unterwäsche von Löffler

Wenn es um nachhaltige Sportbekleidung geht, können wir gleich in der Gegend bleiben. Dann ist man beim oberösterreichischen Textilproduzenten Löffler richtig. Mit transtex – der Löffler-Innovation aus den 70er Jahren – kam die erste Funktionsunterwäsche aus der Kunstfaser Polypropylen auf den Markt. Die Weiterentwicklung transtex RETR’X ist die erste MADE IN GREEN-zertifizierte Funktionswäsche aus recyceltem Material. www.loeffler.at

Ein dunkelhaariges Model in einer geblümten Sommer-Kombi aus zusammengehörendem Top und Wickelrock lehnt am Geländer einer steinernen Treppe und zeigt dabei viel linkes Knie. Im Hintergrund Palmen und eine grüne Wasserfläche.
Foto: Meijerhof

Nachhaltige Mode aus Wien

Eine Zugfahrt später können wir Kleidung für Büro und Alltag anprobieren – zum Beispiel aus den „Capsule Kollektionen“ von Dana Meijerhof. Sie verarbeitet häufig Deadstock – Stoffe, die aus anderen Produktionen ausgeschieden wurden – zu zeitlosen Teilen, die man immer wieder tragen kann. Um Verschwendung zu vermeiden, ist jedes Meijerhof-Stück Made-to-order. meijerhof.at

Und auch sonst gibt es einiges an heimischer, nachhaltig produzierter Mode – mehr dazu hier – als Konsument*in haben wir es tagtäglich selbst in der Hand, wie schnell der Fast-Fashion-Trend von nachhaltigen Textilien abgelöst wird.

Nina Stögmüller

KLEINES TEXTILES
UMWELTZEICHEN-EINMALEINS

Mehr dazu hier

Global Organic Textile Standard (GOTS)
steht für ökologisch und sozial verantwortliche
Textilproduktion. Das Siegel
garantiert, dass die verarbeiteten
Materialien aus biologischem Anbau
stammen und strenge Umwelt- und
Sozialstandards eingehalten wurden.
„GOTS“ ist derzeit das anspruchsvollste
Gütezeichen am Massenmarkt.

 

IVN Best kennzeichnet Textilien aus
Naturfasern, die ökologisch und frei von
schädlichen Chemikalien und nach hohen
sozialen Standards produziert wurden.
Die Fasern stammen aus biologischem
Anbau und auch bei Reißverschlüssen und
Knöpfen gibt es strenge Vorschriften.

 

Naturland steht im Textilbereich für
Bio-Produkte aus mindestens 95 Prozent
Naturfasern. Das Gütezeichen ist relativ
streng, sollte jedoch um Abwassertests
und soziale Kriterien entlang der
gesamten Lieferkette ergänzt werden.

 

OEKO-TEX MADE IN GREEN kennzeichnet
Textilien und Lederartikel, die in
umweltfreundlichen Betrieben und an
sicheren und sozialverträglichen
Arbeitsplätzen produziert wurden. Es
legt strenge Maßstäbe in Bezug auf die
genutzten Chemikalien an. Der Öko-Tex
Standard 100
ist im Gegensatz weniger
aussagekräftig – er belegt lediglich eine
schadstoffarme letzte Verarbeitungsstufe.

 

Cradle2cradle (C2C) stellt den Kreislaufgedanken
und damit Recycling, Langlebigkeit
und Ressourcenschonung in den
Vordergrund. Es gibt vier Stufen mit
sehr unterschiedlichen Anforderungen:
Bronze, Silber, Gold und Platin.

 

Das Österreichisches Umweltzeichen
betrachtet die Umweltauswirkungen von
Produkten und legt im Textilbereich
ein strenges Chemikalienmanagement,
biologischen Anbau für Naturfasern
sowie einen Recyclinganteil bei Kunstfasern
fest. Es sollte um Abwassertests
und soziale Kriterien entlang der
gesamten Lieferkette ergänzt werden.
Das EU Ecolabel sorgt für eine einheitliche Kennzeichnung von umweltfreundlichen Produkten im gemeinsamen europäischen Markt. Seine Kriterien werden aktuell überarbeitet.

Eine junge Frau bei der Arbeit an einer Nähmaschine in der Produktion der Firma Löffler.
Foto: Löffler

Der Blauer Engel legt bei Textilien
dieselben Bedingungen wie das
Österreichische Umweltzeichen fest.

Der Organic Content Standard (OCS) kennzeichnet Produkte, die zu mindestens 95 Prozent aus biologisch angebauten Materialien bestehen, legt jedoch keine weiteren Vorgaben für die Produktion fest.

Das Austria Gütezeichen bezeichnet Textilien, die zumindest teilweise in Österreich hergestellt wurden, gibt aber ansonsten keine Auskunft über die Herstellungsbedingungen oder verwendeten Materialien.

Bio-Zertifikate für Baumwolle
garantierten den Bio-Anbau der Faser – darüber, wie es bei der textilen Verarbeitung weitergeht, gibt dieses Siegel keine Auskunft.

SOZIALE GÜTEZEICHEN

Das FAIRTRADE Textile-Produktion-Siegel stellt faire Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette sicher. Textilien, die hingegen das FAIRTRADE Certified Cotton-Siegel tragen, enthalten ausschließlich fair gehandelte Baumwolle, die weitere Produktion wird aber nicht überprüft. „FAIRTRADE“ ist nicht automatisch „Bio“ – sonst wären viele kleine Produzent*innen vom fairen Handel ausgeschlossen. Die Umstellung auf eine nachhaltigere Landwirtschaft wird jedoch finanziell unterstützt.

Die Fair Wear Foundation legt ihren Fokus auf die Verbesserung der Produktionsbedingungen – dass beispielsweise die Arbeitsbedingungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) eingehalten werden.