Wohntraum statt Alptraum
Ob Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung – beim Immobilienkauf lauern Tücken technischer, rechtlicher und finanzieller Natur.
Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen. Manchmal. In den Phasen dazwischen lassen wir auch unseren Bauch entscheiden – besonders, wenn wir uns verlieben. Die Welt ist schön durch die rosa Brille, aber auch gefährlich. Speziell, wenn man sich in eine Immobilie verliebt. Eigentlich ist es kaum zu glauben, dass ausgerechnet beim Immobilienkauf – der vielleicht teuersten Unterschrift im Leben – die Entscheidung oft aus dem Bauch heraus getroffen wird. Da wird angesichts der traumhaften Aussicht oder des entzückenden Erkers vielleicht noch mal kurz durchgerechnet, ob sich das mit dem Kredit ausgeht, und schon unterzeichnet man das Makleranbot oder den Kaufvertrag.
Ankaufberatung schützt
„Mit einem Gebrauchtwagen um 5000 Euro fährt fast jeder zum ÖAMTC für eine Kauf-Überprüfung. Aber bei einer Immobilie wird oft nur ein Freund mitgenommen“, schüttelt Herwig Holler den Kopf. Es betreibt in Orth/Donau ein Sachverständigenbüro für das Bau- und Immobilienwesen.
Auch Günther Nussbaum-Sekora besichtigt Immobilien mit potenziellen Kaufinteressenten. „Grundsätzlich lauern in jedem Bauteil und in der Gebäudetechnik Fallen, die Probleme machen können“, erklärt der Bausachverständige, Spengler, Dachdeckermeister, Luftdichtheitsprüfer und Gebäudethermograf. Und wer denkt, bei einer Neubauwohnung von einem seriösen Bauträger könne nicht viel schief gehen, wird von Nussbaum-Sekora eines Besseren belehrt: „Probleme treten überwiegend im Neubau auf.“
Mängel erkennen oder ausbaden
Im Dezember besichtigte Nussbaum-Sekora eine nigelnagelneue Dachbodenwohnung in Wien. „Ich habe die Steckdosen mit einem Strömungsprüfröhrchen – ähnlich einem Räucherstäbchen – untersucht. Da ist mir der Rauch gleich ins Gesicht gefahren.“ Beim näheren Hinsehen zeigte sich, dass aus allen Steckdosen kalte Luft strömte. „Gerade im Dachbodenbereich kommt es häufig zu Problemen mit der luftdichten Ebene, was fast immer zu Bauschäden führt. Schon nach einem Winter können Schäden am Dachstuhl auftreten“, weiß der Experte. „Diese Wohnung ist noch leer, zwei baugleiche Dachbodenwohnungen sind aber bereits bewohnt. Alle drei müssen saniert werden. Wenn der Bauträger Pech hat, muss der Trockenbauer nach dieser Meldung Konkurs anmelden.“
Hohes Insolvenzrisiko
Natürlich hätten die drei Familien auch eine Klage gegen den Bauträger einreichen können. Doch davon rät Holler ab: „Man sollte versuchen, solche Probleme außergerichtlich zu lösen. Geht die Sache zu Gericht, kann man sie meistens vergessen.“ Einerseits können sich derartige Verfahren in die Länge ziehen – bei einer unbeheizbaren Wohnung keine sehr angenehme Vorstellung. Andererseits besteht das Risiko, vor Gericht zwar Recht, aber kein Geld zu bekommen. Fast jeder sechste Insolvenzfall betrifft in Österreich ein Unternehmen aus der Baubranche.
Autor: Robert Koch
Lesen Sie mehr in der LEBENSART Feb/März 2011