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Aktiv dabei! Natur pflegen, Artenreichtum erhalten

Schmetterlinge bestimmen, Wiesen mähen, Verbuschung eindämmen: Bei Exkursionen und Pflegeeinsätzen in den niederösterreichischen Naturschutzgebieten lernen Kinder und Erwachsene viel über Flora und Fauna und helfen mit, Biodiversität zu erhalten.

Vier Jugendliche auf einer Wiese rund um einen Fund. Zwei stehen, zwei bücken sich zum Fund hinunter.
Foto: Naturschutzakademie

Sicher, auch eine Folge „Universum“ ist lehrreich. Faszination für die Tier- und Pflanzenwelt, die unglaubliche Artenvielfalt in der Natur, Wissenswertes über Flora und Fauna können ganz gut über den Bildschirm vermittelt werden. Und doch … Selbst die beste Dokumentation ersetzt nicht das Erleben in der echten Natur. Wo das Gras an den nackten Unterschenkeln kitzelt, wo es nach feuchter Erde riecht und Ameisen über die Finger krabbeln. „Das, was ich im Fernsehen sehe, erlebe ich nicht richtig“, bestätigt Julia Kelemen-Finan. „In der Natur kann ich Tiere und Pflanzen berühren. Das ist etwas ganz anderes.“ Kelemen-Finan ist Biologin und Obfrau der Naturschutzakademie, die unter anderem Aktivitäten für Kinder und Jugendliche in den Naturschutzgebieten Niederösterreichs organisiert. „Wir wollen den Kindern den Spaß am Entdecken in der Natur vermitteln und ihnen zeigen, wie sie biologische Vielfalt erkennen und Arten bestimmen können.“ Dafür lädt Kelemen-Finan Klassen in die Naturschutzgebiete ganz in deren Nähe ein. Denn, so die Biologin, die Natur vor der eigenen Haustür sei besonders faszinierend. Wenn man sich – ausgestattet mit Neugierde und Becherlupe – auf Entdeckungsreise begibt.

Zwei Mädchen auf einer Wiese. Eines hält ein Sammelgefäß mit einer Schiefkopfschrecke in die Kamera. Sie lachen und sind sichtlich Stolz über ihren Fund.
Auf Entdeckungsreise: Kinder und Jugendliche entdecken mit Julia Kelemen-Finan Natur und ihre Lebewesen. Foto: Naturschutzakademie

Zum ersten Mal einen Heuschreck in der Hand

Auf den Eichkogel im Bezirk Mödling zum Beispiel, der auf seinen Halbtrockenrasen, in den Flaumeichenwäldern und aufgelassenen Weingärten außergewöhnlichen Artenreichtum zu bieten hat. Schüler*innen des Gymnasiums Bachgasse in Mödling machten sich dort im vergangenen Schuljahr auf die Suche nach Tier- und Pflanzenarten. Bei einer Artenrallye bestimmten und fotografierten sie unter fachlicher Anleitung Schmetterlinge wie den Aurorafalter, Tintenfleckweißlinge oder den Kurzschwänzigen Bläuling und erforschten andere Insekten, darunter Goldwespen, Soldatenkäfer, Erdbock oder den Trauerrosenkäfer. Mit großer Begeisterung. „Mit den jüngeren Kindern in der Volksschule arbeite ich mit einfachen Bestimmungskärtchen und Büchern. Die Kinder schauen sich das Muster auf den Flügeln an und überlegen, welcher Schmetterling das sein könnte.“ Auch beliebt: Mit verbundenen Augen bekommen die Kinder eine Blume in die Hand, die sie ausgiebig befühlen, betasten und riechen. Dann kommen Blume und Augenbinde weg, und die Kinder suchen eine Blume derselben Art in der Wiese. „Das, was die Kinder lieben, ist das Haptische, der Hautkontakt“, sagt Kelemen-Finan. „Lehrer*innen erzählen mir, dass manche bei diesen Exkursionen zum ersten Mal einen Blumenstrauß gepflückt oder einen Heuschreck in der Hand gehalten haben.“

Handlungsspielräume aufzeigen

Julia Kelemen-Finan auf einem Portraitfoto in der Natur. Sie hat rötliche Haare, trägt eine Brille und lacht in die Kamera.
Biologin Julia Kelemen-Finan. Foto: privat

Im besten Fall werde den Kindern und Jugendlichen bewusst, wie viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten es in ihrer unmittelbaren Nähe gibt. Und wie schützenswert diese sind. „Wir wollen ihnen ihren eigenen Handlungsspielraum aufzeigen. Jeder kann zum Beispiel Schmetterlinge oder andere Insekten im Garten anlocken, dort, wo ein Stück Rasen nicht gemäht wird.“ Auch bei der Pflege von Naturschutzgebieten können sich Kinder und Jugendliche beteiligen. „Die Schüler*innen aus dem Gymnasium in Mödling haben am Eichkogel geholfen, die Verbuschung einzudämmen, indem sie stark wuchernde Gehölze entfernt haben“, erzählt Julia Kelemen-Finan. Darüber hinaus sind auch bei Pflegeeinsätzen, die von Gemeinden organisiert werden, immer wieder ganz junge Helfer*innen mit dabei. Denn: „Bereits Kinder können mit einer Heckenschere arbeiten und kleine Gehölze wegschneiden.“ So wie sich Kinder gern um ein Haustier kümmern, würden sie sich auch um Blumenwiesen und das darauf kreuchende und fleuchende Getier kümmern – wenn sie einmal erlebt haben, wie wertvoll diese sind.

Zwei Mädchen schnuppern an gelben Blüten. Sie lachen, das eine legt den Arm um die Schultern des anderen.
Foto: Naturschutzakademie.at

Positiver Zugang

Julia Kelemen-Finans Zugang zur Natur ist stets ein positiver. „In Niederösterreich gibt es so viele schöne Naturschätze. Genau das wollen wir vermitteln.“ Verhaltensregeln in der Natur sind ein wichtiges Thema. Darüber, wie bedroht und bereits zerstört Teile der Natur sind, spricht sie mit den Kindern hingegen kaum. „Die Kinder hören von klein auf, wie der Mensch die Natur zerstört, wie schrecklich alles ist. Und das, bevor sie Natur überhaupt kennenlernen können. Da versuchen wir gegenzusteuern.“ Was Entdeckungstouren in der Tier- und Pflanzenwelt bei den Kindern bewirken, hört Julia Kelemen-Finan immer wieder von den beteiligten Lehrer*innen: „Die Kinder gehen nach so einem Ausflug mit viel offeneren Augen durch die Gegend. Auf einmal entdecken sie Schmetterlinge vor der Schule, die ihnen vorher gar nicht aufgefallen sind.“

Auf Themen wie Naturschutz und Artenvielfalt aufmerksam machen: Dieses Ziel hat auch Margit Gross vom Naturschutzbund Niederösterreich. Eine Möglichkeit, das zu tun, bieten Pflegeeinsätze, die Unternehmen im Rahmen sogenannter „Citizen Days“ mit ihren Mitarbeiter*innen organisieren. Den Firmen dienen solche Einsätze der Teambildung, für den Naturschutzbund haben sie einen zweifachen Nutzen: „Für uns ist das eine gute Gelegenheit, Menschen für den Naturschutz zu begeistern, die wir sonst nicht so leicht erreichen“, sagt Gross. „Gleichzeitig brauchen wir Hilfe, um die Gebiete, für die wir verantwortlich sind, zu pflegen.“

Drei Erwachsene und ein Kind schaufeln Gradschnitt in einen Sammelsack.
Gemeinsames Anpacken am Waschberg: Beim Pflegeeinsatz wird Gras- und Gehölzschnitt gesammelt. Foto: Naturschutzakademie.at

Artenreichtum auf kargen Böden erhalten

Wie sieht so ein Pflegeeinsatz aus? Feuchtwiesen und Trockenrasen müssen in der Regel einmal im Jahr gemäht und von Büschen und Gräsern befreit werden. „Diese nehmen sonst überhand“, erklärt Gross. „Die Robinie beispielsweise, eine neu-zugewanderte Baumart, wandert in Trockenrasen ein und kann dort schnell den Lebensraum verändern. Dadurch verschwinden an den Trockenrasen angepasste gefährdete Pflanzen und damit auch Tiere. Denn Flora und Fauna sind in einem System eng miteinander verwoben.“

Müde, aber zufrieden

Ein Portraitfoto von Margit Gross vor hellgelben Hintergrund. Sie hat kinnlange dunkle Haare und lacht in die Kamera.
Margit Gross vom Naturschutzbund Niederösterreich. Foto: privat

Mit den Firmenmitarbeiter*innen, aber noch viel öfter mit freiwilligen Helfer*innen aus der Region, die das Gebiet gut kennen, rücken Margit Gross und ihr Team Pflanzen wie Robinien zu Leibe. „Es gibt viele Leute, die schon das fünfte oder sechste Mal bei einem Pflegeeinsatz dabei sind. Ich und meine Kolleginnen und Kollegen gehen mit, koordinieren, erklären und pflegen gemeinsam mit ihnen.“ Was die Helfer*innen motiviert: Das Gefühl, einen Beitrag zum Schutz der Natur zu leisten, und die Verbundenheit mit dem Gebiet, das sich vor der eigenen Haustür befindet. Ähnlich wie Julia Kelemen-Finan will Margit Gross den Fokus weg von der Zerstörung der Natur hin zum Staunen über ihre Schönheit lenken. Und zum Beitrag, den man zu ihrem Erhalt leisten kann. „Das Tolle: Wenn im Jahr darauf dort dann alles blüht, sieht man den Ertrag der eigenen Arbeit.“ So sehr Gross den ehrenamtlichen Einsatz schätzt, sieht sie auch das Land Niederösterreich in der Verantwortung. Denn: „Nicht alles können Freiwillige leisten.“ Wie erfüllend ein Tag Arbeit im Naturschutzgebiet sein kann, sieht man laut Gross jedenfalls deutlich: „Für Menschen, die sonst den ganzen Tag im Büro sitzen, ist so ein Einsatz sicher sehr anstrengend, vor allem wenn es heiß ist. Auf den Fotos schauen alle immer recht müde aus. Aber auch sehr zufrieden.“

Mehr Infos:

www.noe-naturschutzbund.at

www.naturschutzakademie.at

Sandra Lobnig

Dieser Beitrag ist in der LEBENSART Naturland Niederösterreich erschienen.
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