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Arten des Jahres

Mit Acker-Schwarzkümmel, Gefleckter Höhlenspinne und Brillenschaf haben es dieses Mal weniger bekannte, aber sehr interessante Arten „auf´s Podest“ geschafft.

Fünf der Bilder von Arten des Jahres 2024.
Fünf der Arten des Jahres 2024, Fotos: Wolfgang von Brackel, Robert Patzner, Stefan Lefnaer, Gabriele Hubich, Wolfgang von Brackel

Auch heuer präsentiert der Naturschutzbund wieder eine vielfältige Liste der Arten des Jahres für Österreich. Das sind die Arten des Jahres 2024:

Alien des Jahres: Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)

Mit der Ernennung zum Alien des Jahres möchte der Naturschutzbund auf diesen weitverbreiteten Neophyten aufmerksam machen und ein Bewusstsein für seine Auswirkungen auf die Umwelt schaffen.

Eine Pflanze mit hellgrünen großen herzförmigen Blättern und weißen Blütenständen.
Foto: Alexander Mrkvicka
Einwanderung nach Europa
Der Japanische Staudenknöterich wurde im 19. Jahrhundert als Zierpflanze nach Mitteleuropa eingeführt. Ziel war es damals, ihn als Kulturpflanze und als Futterpflanze für Wild und Vieh zu nutzen. Die ursprünglich aus Ostasien stammende Pflanze verwilderte Ende des 19. Jahrhunderts und ist seither als Neophyt anzutreffen. Sie ist damit ein Agriophyt, also durch menschliches Zutun in ein Gebiet gelangt, in ihrem Weiterbestehen vom Menschen aber unabhängig.

Lebensraum
In Österreich ist die mehrjährige Staude in allen Bundesländern anzutreffen. Man findet sie an feuchten Standorten wie Böschungen, Ufern, Auwäldern und Waldrändern. Ihr dienen dabei Flüsse als Ausbreitungskorridore. In seinen Standortbedingungen ist der Japanische Staudenknöterich sehr anspruchslos. Er bevorzugt allerdings feuchte und grundwassernahe Böden sowie lichte bis halbschattige Standorte.

Beschreibung
Die sommergrüne Staude kann bis zu 3 m hohe Triebe ausbilden, welche bis zu 30 cm am Tag wachsen. Die Sprosse der Pflanze sind rot überlaufen und innen hohl.

Durch seine bis zu 20 cm langen, lederartigen Blättern und die Größe der Pflanzen bildet der Japanische Staudenknöterich große und dichte zusammenhängende Bestände, die kaum von anderen Pflanzen überwachsen werden können. Die Staude ist zweihäusig: Es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Ab Ende Juli sind kleine weiße Blüten auf langen Blütenständen zu sehen, aus welchen später dreiflügelige Früchte werden.

Mit seinen unterirdischen Sprossausläufern, sogenannten Rhizomen, kann der Japanische Staudenknöterich bis 2 m tief in die Erde wachsen. Seine Rhizome nutzt er auch zur vegetativen Vermehrung, der Fortpflanzung über Zellteilung. Im Gegensatz zu anderen krautigen Pflanzen bildet der Japanische Staudenknöterich kaum Feinwurzeln aus. Wenn im Winter der oberirdische Teil der Pflanze abstirbt, hinterlässt er eine kahle Böschung, auf der Erosionsgefahr besteht.

Gefahr durch den Japanischen Staudenknöterich
In der Liste der „100 of the World’s Worst Invasive Alien Species“ von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) ist auch der Japanische Staudenknöterich genannt. Er stellt zwar keine direkte Gefahr für den Menschen dar, aber unterdrückt heimische Pflanzen durch seine Größe und Dichte, sodass eine starke Licht- und Wurzelkonkurrenz entsteht.

Als Neophyt ist der Japanische Staudenknöterich kein Bestandteil der heimischen Flora, sondern verwilderte und hat sich gut etabliert. Besonders an Gewässerufern und Hochwasserschutzbauten ist seine Ausbreitung sehr bedenklich. Der Japanische Staudenknöterich hat sich an Ufern monokulturartig ausgebreitet, da in Mitteleuropa die Schädlinge fehlen, die ihn in der Herkunftsregion reduzieren. Die Rhizome können die Uferbefestigungen sowie Hochwasserschutzbauten und Verkehrsstrukturen schädigen, was große wirtschaftliche Schäden verursacht. Zudem wird durch die Pflanze verhindert, dass sich an Flussufern eine bodenfestigende Krautschicht etabliert, die den Erosionsschutz verbessern würde. Durch seine geringe Bildung von Feinwurzeln ist der Japanische Staudenknöterich selbst dazu auch ungeeignet.

Auch heimische Insektenarten können durch die Dominanz des Japanischen Staudenknöterichs verdrängt werden. So wird bspw. bei Verdrängung von Blutweiderich (Lythrum salicaria) die Nahrungsgrundlage der Sägehornbiene (Melitta nigricans) eingeschränkt und diese dann seltener.

Maßnahmen gegen Ausbreitung
Die wichtigste Maßnahme gegen die Ausbreitung des Japanischen Staudenknöterichs ist, ihn nicht weiter zu verbreiten oder absichtlich anzupflanzen. Seine Bekämpfung ist sehr aufwendig, da er sich durch Rhizome, die schnell brechen können, immer wieder gut erholen kann und somit alle Sprossteile entfernt werden müssen.

Die Bekämpfung kann durch abmähen, abstechen, abreißen und ausgraben erfolgen. Wichtig ist dabei, dass die Pflanze nicht durch Gartenabfälle und Erde verschleppt wird. Zudem sollte bei Neuanlagen Erde verwendet werden, die frei von Rhizomen ist. Auch Beweidung mit Schafen, Pferden und Kühen sowie die Förderung konkurrenzfähiger natürlicher Pflanzengesellschaften wie Schilf (Phragmites communis) und Schwarzerle (Alnus glutinosa) sind Gegenmaßnahmen.

Weniger häufige Verwandte
Weniger häufig als der Japanische Staudenknöterich ist der Sachalin-Staudenknöterich (Fallopia sachalinénsis). Diese Art wird sogar bis zu 4 m hoch und wurde wenig später als der Japanische Staudenknöterich aus Ostasien nach Mitteleuropa eingeführt. Auch der Sachalin-Staudenknöterich kann Mauerwerk und Hochwasserschutzbauten durch seine Rhizome schädigen. Durch sein Vorkommen in Höhenlagen und die deutlich größeren, bis zu 40 cm langen, weichen und behaarten Blätter kann man ihn gut vom Japanischen Staudenknöterich unterscheiden.

Der Hybrid beider Arten heißt Bastard-Staudenknöterich (Fallopia x bohémica). Er ist besonders resistent gegen Bekämpfungsversuche.

Ein weiterer Bekannter der Gattung der Knöteriche ist der Silberregen (Fallopia baldschuanica). Anders als die anderen vorgestellten Arten ist dieser eine rechtswindende Liane, die zu Fassadenbegrünung und Begrünung von Lärmschutzwänden eingesetzt wird. Sie kommt aus West-China und Tibet und kann verwildert in Ruderalfluren (nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen, meist Brachen) auftreten.

Blume des Jahres: Acker-Schwarzkümmel (Nigella arvensis)

Dass landwirtschaftliche Flächen – wie Getreideäcker – seltene und gefährdete Pflanzenarten beherbergen können, ist für viele Menschen überraschend. Eine der seltensten Arten der heimischen Segetalflora (Ackerbegleitpflanzen) ist der Acker-Schwarzkümmel mit seinen kompliziert aufgebauten Blüten und seiner ausgefeilten Blütenbiologie. Die Pflanze ist eine unserer attraktivsten Ackerwildkräuter, ihre blaublühende Verwandte Nigella damascena (Jungfer im Grünen bzw. Gretl in der Stauden) ist eine beliebte Zierpflanze.

Eine Blüte mit weit auseinanderstehenden weißen Blütenblättern und prominenten grün-gelben Pollenständen.
Foto: Stefan Lefnaer
Verbreitungsgebiet und Lebensraum
Die Heimat des Schwarzkümmels liegt im östlichen Mediterranraum, wo es rund 20 Arten aus dieser Gattung gibt. Als in der Jungsteinzeit die Ackerbauern aus dem Vorderen Orient nach Mitteleuropa einwanderten, rodeten sie Wälder, legten regelmäßig umgepflügte Äcker an und schufen so Habitate, die davor nicht vorhanden waren. Auf diesen offenen Bodenstellen konnten sich einjährige spezialisierte Arten ansiedeln. Zu dieser Zeit trug der Mensch durch die Umgestaltung und kleinteilige Gliederung der Landschaft dazu bei, die Artenvielfalt zu erhöhen. Der Acker-Schwarzkümmel, ein Hahnenfußgewächs, begleitet den Menschen in Mitteleuropa seit ungefähr 4.500 Jahren. Als für die Landwirtschaft harmloses 15–45 cm hohes Beikraut lebt es in Getreideäckern über kalk- und skelettreichen Böden. Mit Hilfe seines über 80 cm in den Boden reichenden Wurzelsystems kann die Pflanze auch an trockenen Standorten gut gedeihen.

Gefährdung
Ab Beginn der Industrialisierung ging die Biodiversität in Mitteleuropa wieder kontinuierlich zurück. Die Bestände des Acker-Schwarzkümmels brachen seit den 1960er Jahren aufgrund des landwirtschaftlichen Herbizideinsatzes drastisch ein. Einst war die Pflanze in ganz Österreich verbreitet. Heute ist sie nur noch im Osten Österreichs anzutreffen, v.a. im Wiener Becken und im Nordburgenland, wo sie laut Roter Liste als „stark gefährdet“ eingestuft ist. Die Art ist aber kaum mehr in Äckern zu finden, da diese heutzutage zur Ertragssteigerung viel dichter mit Getreide bestockt werden als in früherer Zeit, was der lichtbedürftigen Pflanze den Lebensraum entzieht. Rückzugsorte des Schwarzkümmels sind nun Ackerränder, Böschungen, Brachen und Kulturbrachen wie aufgelassene Schottergruben.

Blütenbiologie
Windbestäubte Arten wie Gräser und Nadelgehölze „verschwenden“ energetisch wertvollen Pollen, von denen der meiste an ungeeignete Plätze verweht wird. Insektenbestäubte Arten wie der Acker-Schwarzkümmel sind im Laufe der Evolution eine Symbiose mit Tieren eingegangen, die den Pollentransport wesentlich zielgerichteter übernehmen und im Gegenzug dafür meist Nektar und/oder Pollen als Futter erhalten. Aber auch dabei kann es zu Verlusten kommen, u.a. indem der Pollen auf einer anderen Art oder auf der Ursprungspflanze landet oder indem Nektar von „Unbefugten“, die gar nichts zur Befruchtung beitragen, entwendet wird.

Beim Schwarzkümmel hat sich im Laufe der Evolution ein ausgefeilter Blütenaufbau entwickelt, der die Bestäubung optimiert.

Ernannt von: Naturschutzbund gemeinsam mit Verein zur Erforschung der Flora Österreichs

Text von Stefan Lefnaer unter Mitarbeit von Luise Schratt-Ehrendorfer (gekürzt)
Einzeller des Jahres: Cafeteria

Cafeteria ist eine Gattung einzelliger Geißeltierchen, sogenannter Flagellaten.  Ihre vordere Geißel, ein peitschenähnlicher Zellfortsatz, ist mit zusätzlichen Härchen besetzt. Es gibt elf beschriebene Arten von Cafeterien, von der Atacama-Wüste in Chile bis hin zur Tiefsee in bis zu 8.300 m Tiefe. Hauptunterschiede zwischen den Arten lassen sich auf molekularer Ebene finden. Bei allen Cafeterien erfolgt die Aufnahme von Nahrung (in Form von Bakterien) durch die nach vorne gerichtete Geißel. Mit der hinteren Geißel sitzt der kleine Flagellat an Oberflächen fest.

Eine schwarz-weiß Mikroskopaufnahme eines bohnenförmigen Einzellers mit einer langen Geissel.
Foto: Deutsche Gesellschaft für Protozoologie
Namensfindung in der Cafeteria
Die beiden berühmten Protozoologen (Forscher der Wissenschaft von Einzellern), der Däne Tom Fenchel und der Nordire David Patterson, hatten in den 1980er Jahren diverse neue Geißeltierchen in ihren Versuchen in der Nähe des Öresunds gefunden. In einer Cafeteria sitzend mussten sie neue Namen finden. Einer dieser neuen Flagellaten sah aus wie eine Kaffeetasse, weshalb die Wahl, diesem den Gattungsname Cafeteria zu geben, leicht fiel. Diese ursprünglichste Cafeteria-Art bezeichneten die beiden als Cafeteria roenbergensis, die sogenannte Typus-Art der Gattung Cafeteria.

Aufgrund morphologischer (das Aussehen betreffender) und genetischer Unterschiede wurde die Gattung Cafeteria im Jahre 2020 schließlich in neue Arten untergliedert.

Bindeglied im Ökosystem
Cafeteria-Arten spielen als bakterienfressende, einzellige Lebewesen eine entscheidende Rolle im (mikrobiellen) Nahrungsnetz als Bindeglied zu höheren trophischen Ebenen und als Remineralisierer von Nährstoffen in biogeochemischen Kreisläufen. So verhindern sie als Primärkonsumenten der Bakterien, dass diese sich übermäßig vermehren. Durch Remineralisierung bewirken sie, dass Nährmineralien den Produzenten (z. B. Pflanzen) wieder zur Verfügung stehen.

Verbreitung als „global player“
Die erste beschriebene Cafeteria burkhardae wurde aus dem Nordatlantik aus 5.793 m Tiefe isoliert.  Neben Cafeteria burkhardae wurden außerdem sechs neue Cafeteria-Arten anhand morphologischer und molekularer Merkmale aus marinen Oberflächengewässern und der Tiefsee beschrieben, darunter aus dem Atlantik, dem Pazifik, dem Mittelmeer, dem Indischen Ozean und der Ostsee.

Die Art Cafeteria burkhardae zeigt in verschiedenen Experimenten eine große Toleranzbreite an unterschiedlichen Salzgehalten: von Süßwasserbedingungen bis hin zu stark salzhaltigem Wasser (150 ‰S). Zum Vergleich, das offene Meer hat einen Salzgehalt von 35 ‰S.

Stammbaumanalysen haben gezeigt, dass sich Cafeteria burkhardae genetisch an verschiedenen weltweiten marinen Probenahmestellen (Oberfläche bis Tiefsee) nachweisen lässt, was ihre sehr weite Verbreitung bestätigt. Eine ähnlich große weltweite Verbreitung ist nur für sehr wenige Einzeller bekannt. Andere Cafeteria-Arten wurden nicht so weit verbreitet nachgewiesen. Es scheint also so zu sein, dass manche Cafeteria-Arten eher als „global player“ agieren und manche weniger.

Ernannt von: Gesellschaft für Protozoologie, weitere Informationen auf www.protozoologie.de

Flechte des Jahres: Schönes Muschelschüppchen (Normandina pulchella)

Die Wahl fiel dieses Jahr auf eine Art, die nach massiven Bestandseinbußen während der Zeit hoher Belastung der Luft mit Schadstoffen nun wieder eine Zunahme erkennen lässt. Dies ist dem Wunsch geschuldet, mit den Arten eine positive Botschaft zu übermitteln ‒ leider geht dies auch nicht ohne Wermutstropfen ab.

Eine grau-grüne Flechte zwischen Moosen.
Foto: Wolfgang von Brackel
Warum sind Flechten und Moose gegenüber Luftschadstoffen so empfindlich? Im Gegensatz zu Höheren Pflanzen besitzen sie kein effektives Abschlussgewebe und nehmen Wasser mit der gesamten Oberfläche auf. Insbesondere die epiphytischen, d.h. die auf der Rinde lebender Bäume wachsenden Arten sind für ihre Wasserversorgung allein auf den Regen bzw. Tau angewiesen und haben sich durch eine rasche Wasseraufnahme bei der ersten Benetzung an diese Mangelsituation angepasst. Dadurch bekommen sie aber auch die besonders hohe Schadstoff-Fracht der ersten Regen- oder Nebeltropfen ab, wenn die Luft noch nicht ausgewaschen ist. Zudem sind Moose und Flechten auch oder gerade im Winterhalbjahr aktiv, wenn die Luft durch Hausbrand und Inversionswetterlagen besonders hoch belastet ist. Alle Arten leiden darunter, manche kommen damit einigermaßen zurecht, andere gar nicht. Die Flechte des Jahres 2024 gehört zur letzteren Gruppe.

Aussehen
Der dauerhaft sichtbare „Körper“ (Lager) des Schönen Muschelschüppchens besteht aus kleinen, blaugrünen, muschelförmigen Schüppchen, die Bestände bis zu einigen Zentimetern Durchmesser bilden können.

Das Lager des Schönen Muschelschüppchens ist aus kleinen, kaum über 2 mm breiten, muschel- bis ohrförmigen Schüppchen zusammengesetzt, die teils einzeln auftreten, teils sich zu kleinen Beständen von mehreren Zentimetern Durchmesser zusammenschließen. Die einzelnen Schüppchen sind blau- oder hellgrau, matt, gelegentlich schwach konzentrisch gestreift, leicht wellig, aber der Unterlage mehr oder weniger anliegend und am Rand deutlich wulstig aufgebogen. Überwiegend an den Rändern älterer Schuppen bricht das Lager zu sogenannten Soralen auf, die feine rundliche vegetative Verbreitungsorgane (Soredien) freigeben; diese Sorale können sich selten über das ganze Lager ausdehnen. Die sehr selten auftretenden Fruchtkörper (Perithecien) sind annähernd kugelig, schwarz und in das Lager eingebettet, aus dem sie auf der Unterseite deutlich herausragen; die Mündungsregion ragt nur leicht über die Lageroberseite. Die Sporen sind farblos, zigarrenförmig, bestehen aus 6‒8 Zellen und liegen zu Acht in den Sporensäcken.

Verwechslungen sind bei genauerem Hinsehen kaum möglich. Ähnlich sehen allenfalls sterile Schuppen verschiedener Cladonia-Arten aus, die aber in der Regel von der Unterlage mehr oder weniger abstehen und keinen wulstig aufgebogenen Rand aufweisen; auch finden sich hier die Sorale, wenn vorhanden, an der Schuppenunterseite. Die Basidiolichene Muschel-Hutflechte (Lichenomphalia hudsoniana) besitzt eher reingrüne Lagerschuppen ohne Sorale und lebt auf Rohboden, nicht an der Borke von Bäumen.

Ökologie
Normandina pulchella kommt hauptsächlich über Moosen an der Borke von Laubbäumen vor, siedelt aber auch direkt auf der Borke oder an Silikatfelsen. Ihren Schwerpunkt hat sie im unteren bis mittleren Bergland in niederschlagsreichen, milden Lagen. Sie steigt aber auch in niedere Lagen herab und bevorzugt hier beregnete Baumstämme, gerne in Obstgärten oder in luftfeuchten, nicht zu dunklen Wäldern.

Verbreitung und Gefährdung
Das Schöne Muschelschüppchen ist weltweit verbreitet und kommt auf allen Kontinenten außer der Antarktis vor. In Europa reicht ihr Areal von den griechischen Inseln und Südspanien bis nach Lappland und Island, von Portugal und Irland bis zum Kaukasus. Sie kommt in Mitteleuropa von der Küste bis in montane Lagen vor und erreicht in den Alpen etwa 1.500 m.

Normandina pulchella gehört zu den Arten, die seit der Verbesserung der lufthygienischen Bedingungen zum Ende des letzten Jahrhunderts, insbesondere der massiven Reduzierung der Emissionen von Schwefelverbindungen, deutlich häufiger geworden sind. Möglicherweise hat die Art nun wieder zumindest einen Teil ihres früheren Areals zurückerobert. Durch die deutliche Zunahme der Art in den letzten 20 Jahren kann sie in ganz Mitteleuropa nicht mehr als gefährdet gelten.

Biologie
Das Schöne Muschelschüppchen verbreitet sich in Mitteleuropa fast ausschließlich durch Soredien (feine rundliche vegetative Verbreitungsorgane), nur ganz ausnahmsweise werden Fruchtkörper gebildet, in denen Sporen heranreifen, durch die sich die Art sexuell fortpflanzt.

Parasiten
Die kleinen Schuppen von Normandina pulchella können von einer Reihe von Parasiten befallen werden. Spezifisch für die Art sind Capronia normandinae, Globosphaeria jamesii, Cladophialophora normandinae und Tremella normandinae, während Nectria byssophila, Paranectria oropensis, Thelocarpon epibolum und Cladophialophora parmeliae auch auf einer Reihe anderer Wirtsflechten vorkommen.

Ernannt von: Naturschutzbund Österreich gemeinsam mit der Bryologisch-Lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa (BLAM) e. V.

Text von Wolfgang von Brackel & Norbert J. Stapper (gekürzt)

Fledermaus des Jahres: Großes Mausohr (Myotis myotis)

Das Große Mausohr ist auf besondere Weise mit dem Menschen verbunden - in vielen europäischen Ländern wählen die Weibchen Kulturdenkmäler wie Kirchen und Schlösser für ihre Wochenstuben, was uns zeigt, wie sehr der Mensch für das Überleben dieser Fledermäuse verantwortlich ist und wie wichtig ein Netzwerk von Kultur- und Naturlandschaften ist. Mit der Wahl des Großen Mausohrs zur Fledermausart der Jahre 2024-2025 soll nicht nur auf die Erhaltungsprobleme hinweisen werden, sondern auch auf bewährte Verfahren, die überall in Europa zum Schutz dieser Art umgesetzt werden.

Eine Fledermaus sitzt auf einem Balken.
Foto: Josef Limberger

Morphologie
Das Große Mausohr ist eine große Fledermaus mit einer breiten Schnauze und großen, langen Ohren. Die Rückseite ihres Körpers ist braun bis rötlich-braun, während die Unterseite schmutzig weiß oder beige ist. Der Tragus, ein senkrechter Zapfen vor der Ohrmuschel, reicht etwa bis zur Hälfte des Ohrs und hat normalerweise eine dunkel pigmentierte Spitze. Sie erreicht eine Kopf- und Körperlänge von 6,7 bis 7,9 cm und ein Gewicht von 20 bis 27 g. Ihre Flügelspannweite beträgt zwischen 35 und 43 cm.

Verbreitung und Lebensräume
Diese Art lebt in fast ganz Europa, fehlt aber (mit Ausnahme einzelner Individuen) in den meisten Teilen Skandinaviens und auf den Britischen Inseln. Die östliche Verbreitungsgrenze in Europa verläuft durch Polen und die Ukraine.

Die Populationen wurden in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts stark dezimiert und davon immer noch nicht erholt.

Um zu überleben, benötigt diese Art das ganze Jahr über eine Vielzahl von Lebensräumen. In weiten Teilen Europas ziehen die Weibchen ihre Jungen in den ruhigen Dachböden großer Gebäude auf und jagen in naturnahen Laubwäldern oder über Wiesen und Weiden in der Kulturlandschaft nach Nahrung. Für den Winterschlaf benötigt das Große Mausohr monatelang stabile mikroklimatische Bedingungen, die es in natürlichen Höhlen findet.

Sommerquartiere
Im südlichen Teil ihres Verbreitungsgebiets quartiert sich die Art im Sommer typischerweise in Höhlen, Bergwerken und anderen unterirdischen Plätzen zum Schlafen ein. Vor allem in Mitteleuropa nutzt das Große Mausohr auch künstliche Schlafplätze, z.B. Dachböden, Kirchen, Keller und große Brücken. Gelegentlich werden auch Baumhöhlen und Fledermauskästen genutzt. Mutterschaftskolonien in Höhlen können in Mitteleuropa 50 bis 5.000 Fledermäuse und bis zu 8.000 Individuen in südlichen Regionen umfassen. Diese Kolonien bestehen meist aus weiblichen Fledermäusen (manchmal ist auch eine kleine Anzahl von Männchen dabei). Sie bilden sich in südlichen Regionen normalerweise Ende März und werden im August aufgelassen. Die Männchen übernachten in der Regel einzeln und nutzen Baumhöhlen, Dächer, Türme, Fledermauskästen und Brückenspalten. Die Wahl des Schlafplatzes hängt in erster Linie von den mikroklimatischen Bedingungen (30-34 °C) und dem Grad der Parasitenbelastung ab. Die Fledermäuse bewegen sich während der Fortpflanzungszeit oft innerhalb der Kolonie, um die optimalen Standorte zu finden.

Lebensräume für die Nahrungssuche
Das Große Mausohr wählt seinen Lebensraum für die Nahrungssuche nach dem Vorkommen von Beutetieren und der leichten Zugänglichkeit zu bodenbewohnenden Gliederfüßern (z.B. Insekten, Spinnentiere) aus. Auf landschaftlicher Ebene benötigen sie große Waldgebiete und sind in einer Vielzahl von Lebensräumen anzutreffen, darunter offene Laubwälder, Waldränder, halboffene und offene Wiesen und Weiden, landwirtschaftliche Flächen und Obstgärten. Sie sind in Höhenlagen von Meereshöhe bis etwa 2.000 m zu finden, wobei sie Gebiete unterhalb von 800 m bevorzugen. Da sie sich vor allem von bodenlebenden Insekten ernähren, favorisieren sie Wälder mit großen Lichtungen und spärlicher Bodendecke. Sie können im Flug kleine Insekten wie Käfer fangen und diese dann auch gleich verzehren. Um größere Insekten zu fressen, müssen sie sich absetzen. Bei der Nahrungssuche befinden sie sich in der Regel in geringer Höhe über dem Boden und man nimmt an, dass sie eine Kombination aus Gehör und Geruchssinn nutzen, um Beutetiere zu lokalisieren. Der Lebensraum für die Nahrungssuche befindet sich üblicherweise in einem Umkreis von 5–15 km vom Schlafplatz, in Ausnahmefällen fliegen sie aber auch deutlich weiter. Das gesamte Nahrungsgebiet eines Großen Mausohrs kann bis zu 1.000 ha groß sein. Allerdings konzentrieren sich Fledermäuse normalerweise auf ein bis fünf kleinere Kerngebiete, die zwischen ein und zehn ha groß sind.

Ernährung
Die Mausohrfledermaus ernährt sich hauptsächlich von großen bodenbewohnenden Gliederfüßern (Arthropoden). Am beliebtesten sind Laufkäfer (Carabidae), von denen ein großer Teil Echte Laufkäfer (Gattung Carabus) sind, gefolgt von anderen Bodenarthropoden wie Hundertfüßer (Chilopoda), Spinnen und Käferlarven. Andere Käfer, Maulwurfsgrillen, Schnaken oder Echte Grillen sind nur selten oder saisonal als Beute von Bedeutung.

Das Große Mausohr verlässt sich bei der Jagd auf Bodeninsekten oft nicht nur auf die Echoortung: Es nutzt seine großen Ohren, um die Geräusche von Beutetieren wahrzunehmen, die in trockenen Blättern herumkriechen.

Lebensweise
Ab Mitte August schwärmen die Fledermäuse in Höhlen herum, wo sie sich gelegentlich paaren. Die Paarung findet jedoch häufiger an den Schlafplätzen der Männchen statt. In Mitteleuropa werden die Jungtiere zwischen Ende Mai und Anfang Juni geboren, im Mittelmeerraum kann dies bereits Anfang April der Fall sein. Die ersten Trainingsflüge im Alter von drei bis vier Wochen finden noch im Quartier statt, die ersten Flüge außerhalb des Schlafquartiers beginnen im Alter von etwa fünf Wochen.

Das Große Mausohr hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren. Allerdings können einige Individuen auch viel älter werden. Das älteste bekannte Individuum wurde 25 Jahre alt.

Winterschlaf
Das Große Mausohr hält seinen Winterschlaf in unterirdischen Quartieren wie Höhlen, Tunneln oder Kellern. In diesen Überwinterungsquartieren nutzt es feuchte und relativ warme Bereiche mit Temperaturen bis zu 12° C. Im Winter hängen Einzeltiere oder kleine Gruppen meist frei an der Decke oder verstecken sich tief in Spalten. Größere Ansammlungen von mehreren hundert Tieren werden selten gebildet.

Gefährdung
Das Große Mausohr wird in der Roten Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature) von 2016 als "nicht gefährdet" eingestuft. Auf lokaler Ebene gilt die Art jedoch als "potenziell gefährdet" oder "gefährdet" aufgrund anhaltender Bedrohungen auf regionaler und nationaler Ebene. Das betrifft vor allem den Verlust von Lebensräumen, einschließlich der Korridore zu und von Schlafplätzen und Nahrungsgebieten sowie den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden. Diese verringern die Insektenvielfalt und führen möglicherweise zu einer indirekten Vergiftung von Fledermäusen. Der Abfluss von Pestiziden ins Wasser kann den Bestand an Wasserinsekten stark beeinträchtigen. Schließlich stellen auch die Störung und Zerstörung von Schlafplätzen eine kritische Bedrohung für die Art dar, insbesondere während der Mutterschafts- und Überwinterungs-Perioden.

Da die Fledermaus eng mit dem Menschen verbunden ist, ist es notwendig, alle Beteiligten in die Schutzmaßnahmen einzubeziehen. Jede Veränderung in unserer Umwelt, zum Beispiel in der Architektur, der Land- oder der Forstwirtschaft, hat Auswirkungen auf diese Art.

Gesetzlicher Schutz
Das Große Mausohr ist in den Anhängen II und IV der EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gelistet und ist damit eine Art von besonderem Interesse für das europaweite Natura 2000-Netz. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, das Vorkommen dieser Art zu berücksichtigen, wenn sie der Europäischen Kommission Natura 2000-Gebiete vorschlagen und das Große Mausohr sowie seine Lebensräume in ihrem gesamten Staatsgebiet zu schützen

Darüber hinaus wird das Große Mausohr im Rahmen des  Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen (UNEP-EUROBATS) im Einklang mit dem Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten(Bonner Konvention/CMS) behandelt. Alle Vertragsparteien dieses Übereinkommens (EU- und Nicht-EU Mitgliedsstaaten) sind aufgefordert, Rechtsinstrumente zum Schutz aller Fledermausarten zu verfügen, einschließlich des Großen Mausohrs.

Die Fledermaus des Jahres wird ernannt von BatLife Europe.

Text: Heather Woods, Philippe Théou & Ulrich Hüttmeir

Wassertier des Jahres: Schleie (Tinca tinca)

Mit der Ernennung der Schleie zum Fisch des Jahres 2024 möchte der Österreichische Fischereiverband diese in Österreich weitverbreitete Süßwasserfischart ins allgemeine Bewusstsein rücken. Es soll vor allem auf die aktuelle Bedrohung der Art und auf die Gefährdung ihres Lebensraums – der Auengewässer – hingewiesen werden.

Allgemeines
Die Schleie (Tinca tinca) gehört zu den karpfenartigen Fischen. Sie ist auf der Roten Liste Österreichs als gefährdet gelistet, da ihre Bestände stark zurückgehen.

Ein Fisch mit gedrungenem dunkelgrauen Körper.
Foto: Hans Harra
Beschreibung
Schleien haben eine mittlere Länge von 20 bis 30 cm und können über 4 kg schwer werden. Die Färbung der Art variiert zwischen olivgrün bis olivbraun mit einem goldenen Glanz an der Flanke. Ihre Flossen sind abgerundet und ihr Maul kann zur Nahrungsaufnahme vorgestülpt werden. Die kurzen Bartfäden in jedem Maulwinkel dienen als Tast- und Geschmacksorgane.  Die Männchen haben deutlich größere Bauchflossen als die Weibchen, wodurch sich die beiden Geschlechter unterscheiden lassen. Auffallend ist auch die Iris der Augen, die intensiv rot bis orange ist.

Herkunft des Namens
Der Name Schleie lässt sich auf die großen Schleimmengen, die sie über die Haut abzusondern vermag, herleiten.

Lebensraum
Ihren Lebensraum stellen sommerwarme Stillgewässer und sehr langsam fließende Gewässer dar, wo sie in kleineren Gruppen in Grundnähe lebt. Dies können Flussauen, Teiche,  Seen und Auengewässer sein. Sie braucht außerdem dichte Pflanzenbestände von Tauchblattpflanzen und einen weichen Untergrund. Die Schleie kommt im gesamten gemäßigten Europa und Asien vor.

Lebensweise
Die Schleie beginnt ihre Aktivitäten meist erst bei Einsetzen der Dämmerung, tagsüber ruht sie an geschützten Stellen. In den Wintermonaten hält sie Winterruhe in Grundnähe. Bei über 30° C im Sommer kann sie einen „Wärmeschlaf“ halten. Die Nahrung der Schleie besteht vorrangig aus Insektenlarven, Muscheln, Schnecken und Würmern sowie gelegentlich pflanzlicher Kost aus Wasserpflanzen und Algenaufwuchs. Bei der Nahrungsaufnahme durchwühlt sie mit umgestülptem Maul den Gewässergrund.

Während der Laichzeit, die – abhängig von der Wassertemperatur – in die Monate Juni und Juli fällt, legt sie portionsweise bis zu 300.000 klebrige Eier während mehrerer Wochen auf Laichkräutern ab und benötigt daher auch vegetationsreiche naturnahe Gewässer. Auengewässer sind dabei bedeutende Laich- und Aufwuchshabitate. Von einem guten Bestand der Schleie profitieren auch die Larven der seltenen Malermuschel, welche die Schleie als sogenannten Wirtsfisch nutzen können.  

Ursachen der Gefährdung
Die Lebensräume der Schleie sind die ehemals unzähligen Weiher und Tümpel der Auen. Zudem fand man sie in den sonnendurchfluteten, krautigen und schilfbewachsenen Uferbereichen von Seen. Ihr Bestand reduziert sich auch, wenn zu viele Welse im Gewässer sind. Durch die Siedlungsentwicklung und verschiedene flussbauliche Maßnahmen sind ihre Lebensräume immer weiter unter Druck geraten und in manchen Regionen gänzlich verschwunden.

Die Schleie benötigt naturbelassene Uferbereiche mit reichen Beständen an Tauchblattpflanzen, um erfolgreich laichen zu können.

Ernannt nach einem öffentlichen Online-Voting von Österreichischer Fischereiverband (ÖFV) und Landesfischereiverbände unter Mitwirkung des Bundesamtes für Wasserwirtschaft (BAW, Scharfling) sowie des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei (ÖKF)

Quelle: Fische, Krebse & Muscheln in heimischen Seen und Flüssen, 2. Auflage, W. Hauer (2020); Fischlexikon.eu, Die Süßwasserfische der österreichischen Monarchie, Heckel & Kner (1858)

Höhlentier und Spinne des Jahres: Gefleckte Höhlenspinne (Nesticus cellulanus)

Verbreitung, Lebensraum und Gefährdung
Die Gefleckte Höhlenspinne ist über ganz Europa bis in die Türkei verbreitet und häufig zu finden. In Mitteleuropa bzw. Österreich ist die Art vornehmlich an die planar-kolline Höhenstufe (bis 800 m Seehöhe) gebunden, es gibt aber auch Nachweise bis knapp 1000 m Seehöhe. Sie lebt vor allem in Höhlen und Bergwerkstollen. In fast allen Roten Listen gilt die Art als nicht gefährdet, kann aber wie in Kärnten, durchaus schon auf der Vornwarnliste stehen.

Eine Spinne mit schwarzem Hinterleib mit ockerfarbenen Tupfen und langen, kräftigen Beinen, die ebenso gestreift sind.
Foto: Christian Zaenker
Beschreibung
Die Körperlänge der gefleckten Höhlenspinne beträgt bei Weibchen 3,5–6 mm, die Männchen sind mit 3–5 mm etwas kleiner. Der Vorderkörper ist gelblich gefärbt und besitzt eine schwärzliche Zeichnung, die Brust ist hellgelb mit schwarzen Flecken. Der Hinterleib ist graugelbweißlich mit schwärzlichen Flecken und die Beine sind gelblich und schwarz geringelt.

Lebensweise
Die Gefleckte Höhlenspinne ist – wie der Name schon sagt – meist in Höhlen, Bergwerkstollen, Grotten und alten Kellergewölben anzutreffen. Sie ist also auf Standorte mit einem kühlen und feuchten Mikroklima angewiesen, die zudem vor Frost geschützt sein müssen und keine großen Temperaturschwankungen aufweisen dürfen. Daher kann sie im Freiland gelegentlich auch im Spaltensystem von Geröllhalden, in dunklen feuchten Erdspalten, unter Moospolstern, in hohlen Bäumen oder in Brunnenschächten zu finden sein.

Nesticus cellulanus baut zumeist in Vertiefungen von Höhlenwänden einen weitmaschigen Netzteppich, von dem aus Fangfäden nach unten führen. Die Fangfäden sind im unteren Bereich mit einer sehr regelmäßig angeordneten Reihe von Klebetröpfchen besetzt. Sobald sich ein Beutetier an den Klebetröpfchen verfangen hat, wird es von der Spinne mit weiteren Fangfäden beworfen, dann mit mehreren Giftbissen getötet und anschließend zum Netzteppich emporgezogen. Als Beute kommen am Boden bzw. an den Wänden laufende Tiere in Frage, wie z. B. Stechmücken oder andere Insekten.

Das Paarungsverhalten weist ebenfalls einige Eigenheiten auf: der Begattung geht eine Werbung voraus, wobei das Männchen an einem Faden des weiblichen Netzes zupft. Und nach einer kurzen nur wenige Minuten dauernden Kopulation, bei der beide Partner rücklings im Netz hängen, gibt das Weibchen dem Männchen bei der Einführung der Taster Hilfestellung.

Der kugelige rötlichgelbe Eikokon, in den das Weibchen die Eier legt, wird von diesem bis zum Schlüpfen der Jungspinnen an ihren Spinnwarzen getragen und erst später im Netz befestigt.

Die Reife- und Fortpflanzungszeit erstreckt sich kontinuierlich über das ganze Jahr, so dass alle Stadien gleichzeitig angetroffen werden können, allerdings mit einer Häufung der erwachsenen Tiere in den Sommermonaten.

Warum wurde die Gefleckte Höhlenspinne zur Europäischen Spinne des Jahres gewählt?
Der Wahl ist eine Anfrage des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., der seit 2009 ein Höhlentier des Jahres wählt, vorangegangen. Dessen Mitglieder hatten die Idee – ähnlich wie schon 2012, als die Große Höhlenspinne Meta menardi ausgesucht wurde – das Höhlentier und die Spinne des Jahres zu kombinieren. Ein Vorschlag, dem sich die „Spinnen-Jury“ (84 Arachnologen aus 27 europäischen Ländern) angeschlossen hat. Dies ist auch als deutliches Zeichen dafür zu verstehen, dass gerade bei der Erforschung der unterirdischen Ökosysteme und der darin vorkommenden Arten noch ein enormer Handlungsbedarf besteht und die gute Zusammenarbeit zwischen den Höhlenforschern (Speläologen) und den Spinnenforschern (Arachnologen) weiter ausgebaut werden soll.

Mit der Wahl der Spinne des Jahres soll aber nicht nur eine „wenig beliebte“ Tiergruppe ins rechte Licht gerückt und auf bedrohte Lebensräume – in diesem Fall Höhlen als spezielle schützenswerte Lebensräume – hingewiesen werden, sondern gleichzeitig erhoffen sich die Wissenschaftler*innen, Daten zur aktuellen Verbreitung zu bekommen. In diesem Sinne: halten Sie beim nächsten Besuch einer Höhle die Augen offen und helfen Sie mit ihrer Fundmeldung/ihrem Foto bei der Dokumentation dieser Art. Zum Beispiel dem Verband Österreichischer Höhlenforschung.

Die Koordination zur Spinne des Jahres liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of Arachnology (ESA).

Text von Christoph Hörweg

Insekt des Jahres: Pillenwälzer (Sisyphus schaefferi)

Warum Mistkäfer als Jahresinsekten Mitteleuropas? Weil im Kreislauf der Natur alles verwertet wird; was wenn nicht? Wir Menschen haben noch viel von der Kreislaufwirtschaft der natürlichen Umwelt zu lernen – auch von Dung nutzenden Mistkäfern. Unter 40.000 Insektenarten Österreichs eine interessante und zugleich repräsentative Art zu erwählen ist und bleibt schwierig. Zur besonderen Jahresart unter den zehn Arten der Familie der Mistkäfer (Geotrupidae) Mitteleuropas wurde für den deutschsprachigen Raum der Stierkäfer Typhaeus typhoeus erwählt. Da er eher im westlichen und nordöstlichen Mitteleuropa vorkommt, wird speziell für Österreich der hier vor allem in der Osthälfte des Alpenlandes lebende Pillenwälzer Sisyphus schaefferi zu Österreichs "high-light-species 2024" ausgerufen – Österreichs Beispiels-Mistkäfer.

Ein Käfer mit einem starken mattgrauen Panzer rollt eine Mistkugel.
Foto: Johannes Gepp

Pillenwälzer schneiden und formen aus Kotbrocken unterschiedler Herkunft rollbare Kugeln. Um sie vor Konkurrenten in Sicherheit zu bringen, werden sie mühsam meterweit verrollt und vergraben. Als „Futterbirnen“ dienen sie der eigenen Ernährung, als „Brutbirnen“ sind sie Orte der Entwicklung und Nahrung der nächsten Generation. So werden durch Koprophagie Abfallprodukte der Säugetiere verteilt und dem sich andauernd erneuernden Kreislauf der Natur zugeführt. Vor Jahrzehnten waren Mistkäfer im Osten Österreichs noch großflächig anzutreffen. Heute sind sie generell durch Antiparasitika gefährdet, z. B. durch Entwurmungsmittel für Haus- und Weidetiere. In der Steiermark betreut der Naturschutzbund mehrere der letzten „Pillenwälzer-Habitate“ durch giftfreie Beweidung.

Koprophage – in der Umwelt absolut unverzichtbar
Annähernd 10.000 Arten koprophager Käfer sind weltweit bekannt, in Mitteleuropa sind es etwa 130 Arten. Von diesen gehören zwölf – wie auch der Stierkäfer – zur Familie der Mistkäfer. Koprophage Käfer spielen in Ökosystemen eine entscheidende Rolle. Sie sorgen dafür, dass frischer Kot, vor allem von Säugern, relativ rasch, bei uns in der Regel innerhalb weniger Tage, von der Bodenoberfläche verschwindet. Dadurch wird der Nährstoffkreislauf zugunsten des Pflanzenwachstums geschlossen. So sorgen diese Käfer auch für die Unterdrückung der Entwicklung von parasitischen Würmern und Fliegen im Säugetierkot, fördern den Transport von Pflanzensamen und reduzieren die Emission von Treibhausgasen vor allem aus Kuhfladen. Allerdings werden diese Ökosystemleistungen nur erbracht, wenn die Fäkalien von Weidevieh stammen; Gülle und Mist von Tieren aus Stallhaltung können praktisch nicht verwertet werden.

Allein in Großbritannien wurden die kostenfreien Dienstleistungen der kotfressenden Käfer auf über 400 Millionen Euro pro Jahr berechnet.

Gefährdung und Schutz der koprophagen Käfer
Seit Mitte der 1980er Jahre verzeichnen Entomolog*innen und Ökolog*innen weltweit einen starken Rückgang der Populationen vieler Mist- und Dungkäfer. Der Auslöser: Halter*innen von Weide- und anderen Großtieren waren dazu übergegangen, ihre Tiere nicht nur bei akuten Krankheiten und Parasitenbefall, sondern prophylaktisch medikamentös zu behandeln.

Die Wirkstoffe werden aber von den behandelten Tieren ausgeschieden. So wirken sie über die eigentlichen Zielorganismen hinaus auch bei allen anderen im Kot lebenden Insekten. Das hat zur Folge, dass koprophage Käfer sterben oder nur noch eingeschränkt reproduzieren. Der Rückgang dieser Käfer wird von der Wissenschaft als ein wesentlicher Teil des weltweiten dramatischen Verlustes der Insektenfauna eingestuft.

Ernannt von: Johannes Gepp, Österreichs Kurator für das Insekt des Jahres

Lurch/Reptil des Jahres: Kreuzotter (Vipera berus)

Vor 120 Jahren wurden noch Fangprämien ausgesetzt und jedes Jahr Zehntausende dieser Giftschlangen erschlagen, sogar ein Kreuzotter-Vertilgungsverein wurde gegründet. Heute gilt das Reptil des Jahres 2024 in Österreich als „gefährdet“ und benötigt unseren besonderen Schutz. Die Kreuzotter ist eine „Schlage der Superlative“, da sie das größte Verbreitungsgebiet aller Schlangen weltweit hat.

Eine zusammengerollte, hellbraune Schlange mit einer markanten dunkelbraunen Zeichnung hebt den Kopf zu Angriff oder Verteidigung.
Foto: Benny Trapp
Verbreitung und Lebensräume
Die lebendgebärende Art hat das weltweit größte Verbreitungsgebiet aller Schlangen und besiedelt in mehreren Unterarten ein riesiges Gesamtareal in Europa und Asien. Es reicht von England bis zur russischen Insel Sachalin, als einzige Schlange ist die Kreuzotter auch jenseits des Polarkreises noch anzutreffen. Die kälteliebende Art gilt daher auch als eine Verliererin des Klimawandels.

In Österreich kommt sie in sieben von neun Bundesländern vor, sie fehlt in Wien und im Burgenland. Ihre Verbreitung beschränkt sich auf den Alpenraum, das nördliche Alpenvorland und das nördliche Granithochland der Böhmischen Masse.

Hier bilden vor allem Zwergstrauchheiden und die alpine Latschenzone mit Fels- und Blockhalden ihre Lebensräume.

Giftschlange
Neben der Hornotter ist die Kreuzotter die einzige in Österreich vorkommende Giftschlange. Bissunfälle kommen bei uns nur sehr selten vor, und auch nur, wenn die Viper sich angegriffen fühlt. Die Bisse können schmerzhaft sein und zu lokalen Symptomen wie Schwellungen führen, sind für gesunde Menschen aber kaum gefährlich oder gar tödlich. Dennoch ist es wichtig, den Biss einer Kreuzotter ernst zu nehmen, die Ruhe zu bewahren und gegebenenfalls ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Beschreibung
Heute treffen Menschen nur noch selten auf diese wunderschöne und sehr variabel gezeichnete Schlange. Die bis zu 90 cm langen Weibchen sind meist in den unterschiedlichsten Brauntönen gefärbt, von hellbraun über beige bis olivbraun, während die mit 60 cm etwas kleineren Männchen eher hell- bis silbergrau sind. Auch kupferrote Tiere oder die gänzlich schwarzgefärbten „Höllenottern“ treten regelmäßig auf.

Charakteristisch für die Kreuzotter sind das unterschiedlich ausgeprägte, meist scharf von der Körperfärbung abgegrenzte Zickzackband auf dem Rücken und die senkrecht stehenden Pupillen. An den schlitzförmigen Pupillen erkennt man eine Giftschlange.

Die Kreuzotter ist vor allem tagaktiv und besiedelt strukturreiche Heide- und Moorgebiete, Waldränder und Lichtungen. Zu ihren Beutetieren gehören Eidechsen, Frösche und Kleinsäuger, zu ihren wichtigsten Feinden Wildschweine, Marder und der Mäusebussard. So kann ein hoher Bestand an Wildschweinen zu ihrem Rückgang führen.

Etwa von Mitte Oktober bis Mitte März halten die Kreuzottern Winterruhe. Bevor es dann zur Paarung geht, treten die Männchen in Kommentkämpfen gegeneinander an. Dabei richten die Tiere ihren Vorderkörper auf und versuchen den Kontrahenten zu Boden zu drücken.

Gefährdung und Schutz
Die Ursachen für den Rückgang der Kreuzottern sind die Verschlechterung und der Verlust ihrer Lebensräume sowie Giftköder gegen Nagetiere. Die Kreuzotter ist streng geschützt. Um ihre Bestände zu sichern, sind Schutzmaßnahmen wichtig, die in erster Linie auf die Erhaltung und Optimierung der noch vorhandenen, manchmal nur kleinräumigen Lebensräume abzielen, z. B. durch die Anlage von Steinriegeln als Unterschlupf und Winterquartier. Aber auch Aufklärungsarbeit, die Vernetzung von Lebensräumen und Bestandsstützungen durch Neu- oder Wiederansiedlung von in Zoos und Freilandterrarien gezüchteten Tieren sind wichtige Maßnahmen.

Ernannt von: Österreichische Gesellschaft für Herpetologie

Mineral des Jahres: Magnesit Mg[CO3] (trigonal)

Kaum ein anderes Mineral hat eine so große fächerübergreifende Bedeutung wie der Magnesit. Im Alpenraum kommt er in sehr verschieden aussehenden Varietäten und vielen unterschiedlich entstandenen Vorkommen vor, deren Erforschung nicht nur international Wissenschaftsgeschichte geschrieben hat, sondern auch eine Erklärung der Entstehung vieler heimischer Gesteine liefert.

Ein Stein mit kantiger, kristalliger Struktur und beige-braun-grauer Färbung.
Foto: Robert Krickl
Österreich wurde zum Heimatland und einem Weltmarktführer der höchst bedeutenden Magnesit-Industrie, da das Mineral ein zentraler Rohstoff für Hochfeuerfestprodukte ist. Es ist unverzichtbar für die Erzeugung von Stahl, aber auch Zement oder Glas. Auch für zahlreiche andere Anwendungen – von Sport bis Lebensmittel – hat es in unserem modernen Alltag eine große Relevanz.

Nebst der wirtschaftlichen Bedeutung spielt Magnesit auch als Schmuckstein eine interessante Rolle. Daraus bestehende Dekorsteine finden sich unter anderem in einigen der bedeutendsten Kirchen des Landes und werden für die Herstellung von Schmuck, Skulpturen und anderer Kunstobjekte verwendet. Allerjüngste Experimente machen Magnesit auch zu einem Hoffnungsträger zur Bindung von CO2 aus der Atmosphäre und damit zu einem bedeutenden Mosaikstein bei der Bewältigung der hochaktuellen Klimakrise.

Ernannt von: Arbeitsgemeinschaft "Mineral des Jahres"

Moos des Jahres: Hängendes Widerhakenmoos (Antitrichia curtipendula)

Die Wahl fiel dieses Jahr auf eine Art, die nach massiven Bestandseinbußen während der Zeiten hoher Belastung der Luft mit Schadstoffen nun wieder eine Zunahme erkennen lässt. Dies ist dem Wunsch geschuldet, mit den Arten auch eine positive Botschaft zu übermitteln.

Moose sind – ebenso wie Flechten – gegenüber Luftschadstoffen sehr empfindlich. Im Gegensatz zu Höheren Pflanzen besitzen sie kein effektives Abschlussgewebe und nehmen Wasser mit der gesamten Oberfläche auf. Insbesondere die epiphytischen, d.h. die auf der Rinde lebender Bäume wachsenden Arten sind für ihre Wasserversorgung allein auf den Regen bzw. Tau angewiesen und haben sich durch eine rasche Wasseraufnahme bei der ersten Benetzung an diese Mangelsituation angepasst. Dadurch bekommen sie aber auch die besonders hohe Schadstofffracht der ersten Regen- oder Nebeltropfen ab, wenn die Luft noch nicht ausgewaschen ist. Zudem sind Moose und Flechten auch oder gerade im Winterhalbjahr aktiv, wenn die Luft durch Hausbrand und Inversionswetterlagen besonders hoch belastet ist. Alle Arten leiden darunter, manche kommen damit einigermaßen zurecht, andere gar nicht. Das Moos des Jahres 2024 gehört zu der letzteren Gruppe.

Eine Detailaufnahme eines hellgrünen Mooses mit bräunlichen Stämmchen.
Foto: Wolfgang von Brackel
Aussehen
Das Hängende Widerhakenmoos bildet große grüne Polster auf Blockschutt oder auf der Rinde von Laubbäumen. Durch den Standort, die kräftigen Polster, die rot durchscheinenden Stängel, vor allem aber durch die an der Blattspitze rechtwinklig abstehenden Zähne ist die Art gut kenntlich.

Antitrichia curtipendula bildet bis zu etliche Quadratdezimeter große, grüne bis dunkelgrüne, lockere Decken oder Hängerasen. Die aus den fadenförmigen Primärstämmchen entspringenden niederliegenden bis hängenden, bis zu 20 cm langen Sekundärsprosse sind unregelmäßig und entfernt fiederig beastet. Die 2,5‒3 mm langen Blätter liegen dem rotbraunen Stängel an oder stehen leicht ab, besonders an den Spross-Spitzen sind sie oft leicht einseitswendig. Sie sind am Rand schmal umgebogen, besitzen einen herzförmigen Grund und eine lang ausgezogene scharfe Spitze. Der Rand ist vor allem gegen die Spitze scharf rechtwinklig abstehend bis zurückgebogen gezähnt. Die einfache, kräftige Rippe erreicht etwa drei Viertel der Blattlänge, an der Blattbasis finden sich meist einige kurze Nebenrippen. Die Blattzellen sind verlängert rautenförmig bis linealisch, in den undeutlich abgesetzten Blattflügeln kurz rechteckig bis quadratisch, am Blattgrund rötlich verfärbt. Die selten zu beobachtenden ellipsoiden Kapseln stehen auf einem bis zu 12 mm langen glatten Kapselstiel.

Verwechslungen sind möglich mit anderen lockerrasigen Großmoosen, etwa mit dem Großen Hainmoos (Hylocomium brevirostre), Schönschnabelmoosen (Eurhynchium spp.) oder Kranzmoosen (Rhytidiadelphus spp.). Die Kombination der Merkmale roter Stängel, lang ausgezogene Blattspitze, einfache kräftige Blattrippe und rechtwinklig bis zurückgebogene Zähne am Blattrand ist jedoch eindeutig.

Ökologie
Das Hängende Widerhakenmoos tritt sowohl an der Rinde von Bäumen (epiphytisch) als auch auf Gestein (epipetrisch) auf. Die epiphytischen Vorkommen finden sich an Bäumen mit basenreicher Borke, so an Ahornen oder Eschen, sowohl am Stamm wie auch an größeren Ästen. Epipetrisch wächst sie auf Gesteinsblöcken, gerne in Blockhalden (Gneis, Kalk, seltener Sandstein, Granit). Gemeinsam ist den mäßig trockenen, basenreichen Standorten die geringe bis mäßige Beschattung und die luftfeuchte Lage in Gebieten mit höheren Niederschlägen.

Verbreitung und Gefährdung
In Europa besitzt die Art eine leicht atlantische Verbreitung mit einzelnen Vor- (oder Rest-)Posten im kontinentalen Bereich. Die Vorkommen häufen sich im westlichen Teil (Island, Britische Inseln, westliches Skandinavien, Spanien, Portugal, Frankreich) und klingen nach Osten aus. Die Art kommt nach einer Verbreitungslücke in Osteuropa wieder an der regenreichen Ostküste des Schwarzen Meeres vor und fehlt dann abgesehen von Taiwan in ganz Asien. Zudem findet man sie an der nordamerikanischen Westküste.

In Mitteleuropa kommt sie von der Ebene bis ins Hochgebirge vor. Ein Vergleich mit Niederschlagskarten zeigt, dass sie weltweit eine starke Präferenz für Gebiete mit über 1.000 mm Jahresniederschlag zeigt. Sie kommt jedoch auch in niederschlagsärmeren Gebieten vor (vor allem in Südschweden); möglicherweise weicht sie hier in regional- oder lokalklimatisch feuchtere Lagen aus.

Wegen ihrer hohen Empfindlichkeit gegenüber Luftschadstoffen ist die Art bereits Ende des vorletzten Jahrhunderts, dann aber vor allem in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts stark zurückgegangen und hat sich in die Gebirgslagen zurückgezogen. Außerhalb der Gebirge sind die Vorkommen am Bäumen nahezu völlig verschwunden, überdauern konnte die Art hier nur noch vereinzelt an Felsblöcken. Wegen des anderen Abflussverhaltens des Regens und der abpuffernden Wirkung des Gesteins sind auf Gestein wachsende Vorkommen von Moosen generell weniger empfindlich gegenüber sauren Niederschlägen als jene, die an Bäumen vorkommen. Neben den Luftschadstoffen spielen die großflächige Entwässerung der Landschaft und der Umbau der Wälder in Nadelholzmonokulturen sicher auch eine Rolle beim Rückgang der luftfeuchteliebenden Art.

Seit der Jahrhundertwende wird gelegentlich ein Wiederauftreten der Art aus einzelnen Gebieten Mitteleuropas berichtet. Zweifellos haben sich die lufthygienischen Bedingungen hinsichtlich der Belastung mit Schwefelverbindungen in dem Zeitraum deutlich verbessert, so dass mit einer Wiederausbreitung der Art gerechnet werden kann. Dem steht allerdings die Schwierigkeit entgegen, dass die wenigen Vorkommen außerhalb der Gebirge kaum oder nie Sporen bildende Generationen ausbilden und damit eine Fernverbreitung so gut wie ausgeschlossen ist. Inwieweit die Wiederfunde auf Neuansiedlungen zurückzuführen sind oder ob es sich um neue Entdeckungen überdauernder Kleinstpopulationen handelt, ist schwierig zu entscheiden.

Auf der Roten Listen für Österreich wird die Art als gefährdet und regional stark gefährdet eingestuft.

Biologie
Das Hängende Widerhakenmoos pflanzt sich durch Sporen fort. Die Bildung der Sporenkapseln ist allerdings bei schlechten Umweltbedingungen unterdrückt, dann kann nur noch eine (ineffektive) Nahverbreitung über Sprossbruchstücke erfolgen.

Ernannt von: Naturschutzbund Österreich gemeinsam mit der Bryologisch-Lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa (BLAM) e. V.

Text von: Wolfgang von Brackel & Norbert J. Stapper (gekürzt)
Nutztier des Jahres: Österreichischer Kurzhaarpinscher & Kärntner Brillenschaf

In Österreich gibt es über 40 gefährdete Nutztierrassen, deshalb werden jährlich zwei Rassen zur „Art des Jahres“ ernannt. Dabei wird jeweils ein Vertreter der Kategorie Kleintiere (Geflügel, Kaninchen, Hunde, Bienen) und einer der Kategorie Großtiere (Rinder, Pferde, Schweine, Schafe, Ziegen) gekürt.

Kleintiere: Österreichischer Kurzhaarpinscher

Ein kleiner Hund mit schwarzem Fell und hellbrauner Zeichnung und weichen Schlappohren.
Foto: Sissy Strubreiter
Der Österreichische Kurzhaarpinscher entstammt einer altösterreichischen Landhunderasse. Mit einer Schulterhöhe von 42 bis 50 cm ist er mittelgroß, stämmig gebaut und mittelschwer. Er hat ein wetterfestes Haarkleid in verschiedenen Farben von hellgelb über rotbraun bis hin zu schwarz. Die Felllänge variiert von kurz bis mittel, der Hals ist mittellang und kräftig ausgebildet, oft hat der Pinscher weiße Abzeichen an Kopf, Brust, Läufen und Rutenspitze. Er hat einen munteren und aufgeweckten Gesichtsausdruck. Er wird aufgrund seiner oftmals semmelfarbigen Exemplare auch sehr oft „Semmelhund“ genannt. Da ihm auf den Bauernhöfen oft nur spärliche Nahrung angeboten wurde, ist er ein ausgezeichneter Ratten- und Mäusejäger, was ihm in unseren Breiten den scherzhaften Namen „Rattler“ einbrachte.

1928 wurde er offiziell als Rasse anerkannt. Heute gibt es weltweit ungefähr 1.500 Österreichische Kurzhaarpinscher, davon knapp 1.000 in Österreich.

Der robuste Allrounder unter den Hofhunden
Der Österreichische Kurzhaarpinscher ist ein ausgezeichneter, genügsamer Hofhund mit robuster Gesundheit. Hoffremden Personen gegenüber ist er misstrauisch und damit ein sehr guter Wächter. Früher diente er zum Rattenjagen, heute wird er als wachsamer Hofhund sowie zum Viehtreiben eingesetzt, zudem ist er ein aufmerksamer Beschützer des Federviehs. Sein Jagdtrieb ist nur schwach ausgeprägt. Der Österreichische Kurzhaarpinscher ist spielfreudig, anhänglich und freundlich im Umgang mit vertrauten Personen und damit ein beliebter Familienhund. Wegen seiner Behändigkeit wird er auch gern als Sporthund eingesetzt. Zudem ist er die einzige einheimische „Nichtjagdhunderasse“ in Österreich.

Funde auf Pfahlbaustationen am Mondsee, Attersee und zahlreichen weiteren Ausgrabungsstätten belegen das Vorkommen seiner Ahnen in unserer Gegend bereits in der Jungsteinzeit und Bronzezeit.

Durch seine Hoftreue und Wachsamkeit ist der Österreichische Kurzhaarpinscher der ideale Wachhund für den Bauernhof und seine Tiere. Der angeborene Trieb, Mäuse und Ratten zu fangen, erspart den Einsatz diverser Schädlingsbekämpfungsmittel. Der österreichische Kurzhaarpinscher ist somit eindeutig als landwirtschaftliches Nutztier am Hof im Einsatz.

Großtiere: Kärntner Brillenschaf

Das Kärntner Brillenschaf ist aus der Kreuzung des alten Landschafes mit dem Bergamasker und vor allem dem Paduaner Seidenschaf hervorgegangen und war bis zum 2. Weltkrieg die verbreitetste und auch beliebteste Rasse in der Region Südkärnten/Friaul/Slowenien. 1844 erstmals unter dem Namen Seeländer erwähnt, wurden bis zur Jahrhundertwende jährlich an die 30.000 Tiere dieser Schafrasse nach Paris und bis 1934 auch etwa 14.000 Schafe in die Schweiz verkauft. Durch die vorzügliche Fleischqualität verbreitete sich dieses wunderschöne Schaf schließlich bis ins nördliche Deutschland. Mit Beginn des 2. Weltkriegs begann eine massive Rassendiskussion, in der man das rein weiße Schaf als oberstes Zuchtziel sah. Man versuchte, alle bodenständigen Schafrassen Österreichs über Verdrängungskreuzung zu vereinheitlichen und nur durch Zufall konnte sich das Kärntner Brillenschaf in kleinsten Beständen erhalten.

Vor über 30 Jahren begab man sich auf die Suche nach diesen Restbeständen und in mühsamer Kleinarbeit konnte man 21 weibliche und sieben männliche Tiere ausfindig machen. Es bedurfte anfangs großer Anstrengung und Überzeugungsarbeit, um diese alte Kärntner Schafrasse zu züchten und damit ein Stück lebendiges Kulturgut wieder zu erhalten.

Eine Gruppe weißer Schafe mit schwarzer Gesichtszeichnung grast in der Abendsonne.
Foto: Eduard Penker

Kärntner Brillenschafzucht „ohne Grenzen“
Der ehemalige „Verein der Kärntner Brillenschafzüchter Alpe-Adria” hat in Zusammenarbeit mit dem Schaf- und Ziegenzuchtverband Kärnten als verantwortliche Zuchtorganisation in den Jahren seines Bestehens viel erreicht. So gibt es in allen Bundesländern Österreichs mittlerweile wieder viele engagierte Züchter*innen, die gemeinsam und erfolgreich am Fortbestand und an der Weiterentwicklung der Kärntner Brillenschafzucht mitarbeiten. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen ist diese Schafrasse sehr beliebt.

Über das INTERREG-Projekt (Europäische territoriale Zusammenarbeit) „Kärntner Brillenschafzucht ohne Grenzen” arbeiteten die Zuchtorganisationen in Österreich und Slowenien eng zusammen, ebenso findet mit deutschen und südtiroler Züchter*innen ein intensiver Informationsaustausch statt.

Cleveres Schaf mit „Sonnenbrille“
Es ist ein kräftiges, mittelgroßes, weißes Schaf mit stark geramstem (gewölbtem), unbewolltem Kopf und mittellangen, hängenden bis leicht abstehenden Ohren. Besondere Kennzeichen des Kärntner Brillenschafs sind die schwarzen und braunen Flecken (Brillen) um die Augen sowie die in der äußeren Hälfte bis zu zwei Drittel schwarzen Ohren sowie fallweise auch schwarze Flecken an den Lippen. Die Pigmentierung reicht von einem Augenrand ohne Ohrenpigment bis zu ausgeprägtem, oben beschriebenem Pigment. Der Kopf ist unbewollt, die Wolle beginnt erst hinter den Ohren. Das Schaf ist sehr robust und leichtfuttrig, die Fruchtbarkeitsleistung liegt bei 160 bis 180 %. Die Böcke weisen ein durchschnittliches Gewicht von 75 bis 80 kg bei einer Widerristhöhe von 75 bis 80 cm auf, die Schafe erreichen bei einer Widerristhöhe von 70 bis 75 cm 55 bis 60 kg.

Das Kärntner Brillenschaf wird im Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) 2023 als „gefährdete“ Rasse gefördert (Prämienstufe A). Das „Kärntner Brillenschaf” in Wort und Bild ist ein eingetragenes und geschütztes Markenzeichen. Informationen zum Kärntner Brillenschaf unter www.brillenschafe.at

Ernannt von: Arche Austria - Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen

Pilz des Jahres: Steppen-Koralle (Phaeoclavulina roellinii)

Mit der Steppen-Koralle macht die Österreichische Mykologische Gesellschaft auf eine in Mitteleuropa ausgesprochen seltene Pilzart der Halbtrocken- und Trockenrasen sowie Steppen aufmerksam.

Ein helloranger, winziger Pilz, der von der Form wie eine Koralle mit mehreren Ästen aussieht.
Foto: Michaela und Gernot Friebes
Beschreibung
Die bis ca. 5 cm hohen Fruchtkörper haben einen einfachen, oft deutlich in den Erdboden eingesenkten Strunk, nach oben hin verzweigen sich die korallenförmigen Äste mehrfach, die Astenden sind schließlich relativ fein verzweigt. Der ganze Fruchtkörper ist mehr oder weniger einheitlich cremefarben bis ockergelb gefärbt. An der Basis des Strunks sitzen auffällige, weiße und ebenfalls verzweigte Myzelstränge (Rhizomorphen). Das Fleisch ist brüchig und hat weder einen besonderen Geruch noch Geschmack.

Lebensweise
Die Steppen-Koralle ist durch ihr Vorkommen an offenen und sehr wärmebegünstigten Standorten – insbesondere Trocken- und Halbtrockenrasen bzw. steppenähnlichen Habitaten (z. B. Felssteppen) – gut charakterisiert. Ihre Fruchtkörper entwickeln sich bevorzugt zwischen Moosen und bodenbewohnenden Flechten. Über die genaue Lebensweise der Steppen-Koralle ist noch wenig bekannt, vermutlich lebt sie aber saprobiontisch, d. h. boden- bzw. streuzersetzend. Auch eine symbiotische Beziehung mit gewissen Pflanzen der Trockenrasengesellschaften ist nicht auszuschließen. Die Lebensräume mit Vorkommen der Steppen-Koralle sind häufig aus botanischer, zoologischer und mykologischer Sicht ausgesprochen interessant.

Verbreitung
Die ursprünglich aus der Schweiz beschriebene Steppen-Koralle scheint ausschließlich in Europa vorzukommen. Länder mit sicheren Nachweisen sind Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Österreich, Schweden, die Schweiz und Tschechien, weitere Funde sind aus Estland, Frankreich, Italien, Polen und Slowenien gemeldet. In Österreich wurde die Steppen-Koralle bislang an zwei Orten in der Steiermark und im Burgenland nachgewiesen. In der Steiermark wächst sie auf einem steilen, südwestlich exponierten Halbtrockenrasen auf ungefähr 510 m Seehöhe.

Der burgenländische Nachweis stammt aus dem Naturschutzgebiet „Siegendorfer Puszta und Heide“. Bei diesem mykologisch relativ gut untersuchten Gebiet handelt es sich um Halbtrocken- bzw. Trockenrasen auf kalkhaltigem, sandigem Boden.

Gefährdung
Halbtrocken- und Trockenrasen sowie Sekundärsteppen sind in erster Linie durch Nutzungsaufgabe oder falsche Beweidungsformen sowie durch Wiederaufforstung gefährdet. Auch Stickstoffeinträge von umliegenden landwirtschaftlichen Flächen können langfristig negative Auswirkungen auf viele nährstoffmeidende Pilzarten haben.

Vom Schutz entsprechender Standorte aufgrund besonderer Pflanzen- oder Tierarten profitieren auch Pilze wie die Steppen-Koralle. Leider spielen Pilze im Naturschutz jedoch eine sehr untergeordnete Rolle, weshalb sie bei der Ausweisung von Schutzgütern bzw. bei Managementplänen in der Regel nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund können beispielsweise Pflegemaßnahmen in Naturschutzgebieten auch negative Auswirkungen auf die Vorkommen schützenswerter Pilzarten haben. Stärkere Einbindungen von Mykologen im Naturschutz wären daher sehr wünschenswert.

In der 2017 erschienenen Roten Liste der Großpilze Österreichs ist die Steppen-Koralle nicht berücksichtigt, da sie erst 2021 für Österreich nachgewiesen wurde. Die Bindung an vielerorts gefährdete Lebensraumtypen würde jedoch für einen hohen Gefährdungsgrad sprechen. In der Roten Liste der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) erfolgte eine Einstufung in der Kategorie 3 (VU – vulnerable/gefährdet).

Schutzmaßnahmen
Für die langfristige Erhaltung entsprechender Lebensräume sind in der Regel menschliche Eingriffe in Form von extensiver Beweidung oder durch schonende Mahd erforderlich, um der natürlichen Sukzession (Verbuschung) vorzubeugen. Jeglicher Nährstoffeintrag in die Flächen – beispielsweise auch durch Zufütterung von Weidetieren – ist nach Möglichkeit zu vermeiden.

Verwechslungsmöglichkeiten
Achtet man auf die spezielle Ökologie sowie die kleinen, etwa gelbockerlich gefärbten Fruchtkörper mit deutlichen weißen Rhizomorphen an der Basis, so ist kaum eine Verwechslung mit anderen Arten möglich. Werden die Fruchtkörper jedoch unvorsichtig gesammelt und die Rhizomorphen abgetrennt, wären Verwechslungen mit anderen Arten der Gattung Ramaria im weiteren Sinne (inkl. Phaeoclavulina) möglich, so z. B. mit Murrills Koralle (Phaeoclavulina murrillii) oder mit Arten der Wiesenkorallen (Clavulinopsis und Ramariopsis). Im mediterranen Raum könnte die Art mit Phaeoclavulina quercus-ilicis verwechselt werden, die sich in Farbe, Habitus und Ökologie (Vorkommen eher in der Streu von Laubbäumen) unterscheiden soll.

Text: Michaela und Gernot Friebes

Streuobst des Jahres: St. Veiter Pfelzkirsche

Streuobstbestände sind vielfältige und unersetzliche Lebensräume in unserer Kulturlandschaft. Durch den Streuobstanbau wird die traditionelle Obstsortenvielfalt erhalten, gleichzeitig liefert er wertvolles Tafel- und Verarbeitungsobst. Mit der „Streuobstsorte des Jahres“ wird eine Sorte stellvertretend für alle gefährdeten Obstarten ins Rampenlicht gerückt. Die St. Veiter Pfelzkirsche ist Botschafterin der Vielfalt 2024.

Eine dunkelrote Kirsche mit Stiel, aufgeschnitten, so dass man das weinrote Fruchtfleisch und den hellen Kern sehen kann.
Foto: Siegfried Bernkopf

Herkunft und Lebensraum
Zur Herkunft und Entstehung dieser Salzburger Kirschensorte ist nichts Näheres bekannt. Nach den Überlieferungen war sie bereits weit vor 1900 im Pongau verbreitet. Sie fühlt sich in den Höhenlagen des Salzachtales besonders wohl, da sie an die regionalen Boden- und Klimaverhältnisse gut angepasst ist. Die Bäume bevorzugen leichte, sandig-schottrige Böden und windoffene Lagen, wie sie im Pongau häufig anzutreffen sind. Der Schwerpunkt der Verbreitung der Sorte liegt in der Gemeinde St. Veit im Pongau und deren Umfeld.

Die Bäume der Sorte sind sehr robust und holzfrosttolerant. Sie sind unverzichtbarer, landschaftsprägender Teil der Pongauer Streuobstwiesen. Die Bäume können aber auch in anderen Regionen ausgepflanzt werden, in denen ähnliche Boden- und Klimabedingungen vorhanden sind.

Vermehrung durch Veredelung
Der Name der Kirsche weist darauf hin, dass die Sorte schon seit langem durch Veredelung (vulgo „Pfelzen“, „Pelzen“) vermehrt wird. Veredelt wird meist im Frühjahr mittels Pfropfung. Dabei wird ein Edelreis (Teilstück einer Rute) der Sorte auf die Unterlage gesteckt. Als Unterlagen werden bevorzugt Sämlinge der Vogelkirsche, aber auch solche von Tafelkirschen verwendet.

Die vegetative Vermehrung durch Veredelung ist eine alte Kulturtechnik, die zumindest seit römischer Zeit bekannt ist. Erst damit wird die Erhaltung der Obstsorten mit ihren typischen Eigenschaften möglich. Die „Sämlinge“ die bei der Aussaat von Obstkernen entstehen (generative Vermehrung), weichen in Eigenschaften und Fruchtqualität, im Gegensatz zur Veredelung,  meist erheblich von den Elternsorten ab.

Verwendung
Die reifen Früchte der St. Veiter Pfelzkirsche sind schwarz und mittelgroß. Das weiche purpurrote Fruchtfleisch ist süß mit geringer Säure und vollaromatisch mit sortentypischem Geschmack. Aufgrund der Fruchteigenschaften ist sie als Tafelkirsche beliebt und wird auch in der Küche sehr gerne verwendet (Strudel, Kompott etc.). Wegen ihres vorzüglichen Aromas und des hohen Zuckergehalts werden immer häufiger sortenreine Edelbrände daraus hergestellt, vereinzelt wird „St. Veiter Pfelzkirschen-Essig“ produziert.

Text: Siegfried Bernkopf & Christian Holler

Tier des Jahres: Feldhamster (Cricetus cricetus)

Der Feldhamster ist die einzige in unseren Breiten vorkommende Hamster-Art. Bekannter ist jedoch der in Vorderasien beheimatete Goldhamster, da dieser hierzulande gerne als Haustier gehalten wird. Der bunte Feldhamster hat gut entwickelte Backentaschen, einen gedrungenen Körper und ein auffällig buntes Fell. Seine Körperlänge beträgt 20 bis 27 cm und die Schwanzlänge von fünf bis sieben cm.

Eine Nahaufnahme eines Hamsters mit braunen, beigen und schwarzen Fell inmitten einer Wiese.
Foto: Gabriele Hubich

Beeindruckendes Drohverhalten
Wenn dem Feldhamster bei Gefahr nicht rechtzeitig die Flucht in seinen Bau gelingt, zeigt er ein beeindruckendes Drohverhalten. Hierfür stellt er sich auf die Hinterbeine und bläst seine Backentaschen auf, was ihn größer erscheinen lässt.

Zudem hilft ihm seine Fellfärbung. Die schwarze Bauchseite und seine weißen Pfoten imitieren ein Raubtiermaul mit „Reißzähnen“. Zusätzlich versucht er durch Zähnefletschen, lautes Fauchen und Knurren seinen Feind zu erschrecken. Gelegentlich springt er seinen Gegner sogar an und rettet mit diesem Überraschungsangriff häufig sein Leben.

Gefährdung der Kulturfolger
Zu Beginn der landwirtschaftlichen Intensivierung profitierte der Feldhamster als Kulturfolger von ihr. Die Trockenlegungen schützten seine Baue vor Überschwemmung und größere Felder erhöhten das Nahrungsangebot.

Der Feldhamster ist heute eine der meistgefährdeten Tierarten Österreichs. Er leidet an der durch die hocheffiziente Art der Ernte verursachten Nahrungsknappheit, zudem setzen Bewässerungen seine Baue unter Wasser. Außerdem wird er als Ernteschädling verfolgt und verliert Lebensraum durch die zunehmende Bebauung der Landschaft.

Schutz
Um die Hamster-Bestände wieder zu stabilisieren, sollten Ausbreitungskorridore, Ackerraine, unbefestigte Feldwege und Brachen erhalten sowie neu geschaffen werden. In Hamstergebieten sollte das Tiefpflügen eingeschränkt werden, sodass seine Baue geschützt werden. Außerdem sollten Ackerrandstreifen oder Brachstreifen mit Getreide eingesät werden, das nach der Ernte stehen bleiben kann. Auf manchen Äckern können gezielt auch Streifen nicht abgeerntet werden, um ausreichend Nahrung zu bieten. Bereits bestehende Brachen sollten erhalten bleiben.

Vorkommen und Lebensraum
Das Verbreitungsgebiet des einzigen in unseren Breiten vorkommenden Hamsters erstreckt sich von Zentralasien bis nach Europa. In seinem Lebensraum muss während der Vegetationszeit Nahrung vorhanden sein. Zudem bevorzugt der Feldhamster offene und halboffene Landschaften mit tiefgründigem Boden, in den er seinen Bau graben kann. Die Böden dürfen nicht zu feucht sein, da sonst seine Vorräte für den Winterschlaf verschimmeln.

Lebensweise
Abgesehen von der Paarungszeit leben Feldhamster überwiegend alleine und sind zumeist dämmerungs- und nachtaktiv. Der Hamster ist seinen Artgenossen gegenüber aggressiv und sehr territorial. Er hält für etwa sechs Monate Winterschlaf, während dieser Zeit sind die Eingänge seines Baus verschlossen. Die Tiere schlafen nicht die ganze Zeit durch, sondern haben Schlafintervalle von maximal 15 Tagen, die sich mit Aktivitätsphasen abwechseln, in denen sie fressen. Dafür legen sie im Spätsommer und Herbst Vorräte aus Samen, Früchten und Knollen in ihren Vorratskammern an. Diese sind wie die Wohn- und Kotkammern sowie zahlreiche große Gänge ein Teil ihres Baus. Zudem gibt es ein senkrecht nach unten führendes Fallrohr, in das sich der Feldhamster bei Gefahr flüchtet. Als Frostschutz wird der Bau bis zu zwei Meter in die Tiefe gegraben.

Feldhamster legen ihre Baue nur an Stellen an, an denen sie genug Deckung und Nahrung finden. Ihre Nahrung besteht nicht nur aus Samen, Früchten und Knollen, die sie vor allem im Herbst fressen und als Wintervorrat sammeln, sondern im Frühjahr vor allem aus grünen Pflanzenteilen wie Gräser und Kräuter. Zudem nehmen sie auch tierische Nahrung zu sich wie beispielsweise Schnecken, Regenwürmer und Käfer.

Ernannt von: Naturschutzbund Österreich nach öffentlicher Online-Abstimmung

Vogel des Jahres: Grauammer (Emberiza calandra)

Die Bestände der Grauammer wurden in den vergangenen 25 Jahren um 90 % reduziert – der Agrarlandvogel steht vor dem Aussterben. Intensive Landwirtschaft, fehlende Brachen und Feldraine sowie der massive Einsatz von Pestiziden sind die Ursachen dieser Negativentwicklung. Daher kürte die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich die Grauammer (Emberiza calandra) zum Vogel des Jahres 2024.

Ein Vogel mit braun-weiß gemustertem Gefieder und hellorangem Schnabel sitzt auf einer Pflanze.
Foto: Michael Dvorak
Verbreitungsinseln innerhalb Österreichs
Als Brutvogel des mitteleuropäisch-subkontinentalen Klimas brütet die Grauammer in kleinen Verbreitungsinseln im östlichen Weinviertel (NÖ), im Marchfeld (NÖ), auf der Parndorfer Platte (Burgenland) und im Neusiedler See-Gebiet (Burgenland). Das österreichweit bedeutendste Brutgebiet ist der Hanság (Burgenland): 2022 wurden hier 50 Reviere kartiert. Abseits dieser Gebiete ist die Grauammer im gesamten Bundesgebiet bis auf einzelne kleine Reliktvorkommen verschwunden.

Gefährdung
Die Grauammer ist stark gefährdet. Ihr Brutbestand erlitt in den letzten 25 Jahren einen massiven Niedergang: Von 1998 bis 2022 brach der Bestandsindex der unauffällig grau und braun gestrichelten Ammer um 95 Prozent ein. Der aktuelle Brutbestand dürfte sich auf weniger als 500 Reviere belaufen.

Dieser massive Bestandseinbruch korreliert signifikant - sowohl in Österreich als auch in anderen Teilen Mitteleuropas - mit der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung, die in zahlreichen Studien als Hauptfaktor für die Abnahme von Agrarlandvogelarten identifiziert wurde. Die artenreichen Brachflächen nehmen hierbei über das gesamte Jahr gesehen eine positive Schlüsselposition als Nahrungsquelle und Niststandort ein.

Der Erhalt der temporär aus der wirtschaftlichen Nutzung entnommenen Flächen sowie der vollständig unbewirtschafteten Feldraine, Grabenränder oder Grundstücksgrenzen könnte das Aussterben des Jahresvogels 2024 noch verhindern.

Weichtier des Jahres: Quellschnecke Bythinella

Das Österreichische Weichtier des Jahres wird von den Malakologen der Universität Salzburg gemeinsam mit dem Naturschutzbund Österreich ernannt - die im Süßwasser lebende Quellschnecken-Art Bythinella ist gefährdet durch Klimawandel, Eutrophierung und Verunreinigung von Gewässern.

Einige winzige Schnecken kriechen über eine 1 Cent-Münze. Daneben eine Nahaufnahme einer der Schnecken.
Foto: Robert Patzner

Beschreibung
Im Gegensatz zur Weinbergschnecke (Weichtier des Jahres 2020/2021) und der ungeliebten Spanischen Wegschnecke, die Zwitter sind, sind Quellschnecken getrennt geschlechtlich. Sie legen ihre Eier meist auf Steinen, gelegentlich auch auf Artgenossen ab. Manchmal heften die Schnecken ihr Gelege auch auf Wasserkäfer oder andere flugfähige Insekten, was ihnen zur Ausbreitung auf andere Quellgebiete hilft.

Alle Quellschnecken ähneln einander. Sie sind sehr klein und ihre Gehäuse messen maximal 4 mm in der Höhe. Die einzelnen Arten lassen sich nur durch anatomische oder genetischte Untersuchungen eindeutig voneinander unterscheiden. Die Quellschnecken ernähren sich hauptsächlich von Algen (Kiesel-, Blau- und Grünalgen) sowie Bakterien, die sie von Steinen, Wasserpflanzen, Falllaub und im Wasser liegendem Totholz mit ihrer Raspelzunge (Radula) abweiden.

Lebensraum
Wie schon der deutsche Name vermuten lässt, leben diese Schnecken fast ausschließlich in Quellen und im Oberlauf von Bächen des Berg- und Hügellandes. Sie sind auf sehr sauberes Wasser angewiesen und tolerieren nur geringe Temperaturschwankungen im kühlen Bereich (kaltstenotherm). Bei vermehrtem Vorkommen sind sie stets Anzeiger für beste Wasserqualität. Direkt im Quellbereich kann man mehrere tausend Individuen pro Quadratmeter finden. Durch aufwachsende Kieselalgen erscheint die Schale oft schwarz oder dunkelbraun. Gelegentlich sind sie durch Grünalgenbewuchs grün gefärbt.

In Österreich gibt es mehrere Arten von Quellschnecken der Gattung Bythinella. Im Osten Österreichs findet man hauptsächlich Bythinella austriaca, im übrigen Österreich ist es meist Bythinella conica.

Gefährdung
In der Roten Liste Österreichs aus dem Jahre 2007 ist die Quellschnecke mit „Gefährdung droht“ eingestuft. Das heißt, es herrscht aus heutiger Sicht weniger als 10 % Aussterbenswahrscheinlichkeit in den nächsten 100 Jahren, aber eventuell gibt es eine negative Bestandsentwicklung oder hohe Aussterbensgefahr in Teilen des Gebiets. Die Hauptgefahren sind Grundwasserabsenkungen oder Trockenperioden, die die Quellen austrocknen lassen. Weitere Gefahren drohen durch Verbauungen und Einfassungen von Quellen sowie Verunreinigung durch Eutrophierung oder durch chemische Schadstoffe im Einzugsgebiet der Quellen.

Im Lauf der letzten Jahre kündigt sich eine weitere Gefährdung an, die globale Klimaerwärmung. Die Temperatur von Quellwasser korreliert eng mit der Jahresdurchschnittstemperatur eines geographischen Gebietes. Erhöht sich diese über die ökologische Verträglichkeit der Schnecke hinaus, so kann sie sich nicht mehr fortpflanzen.

Text: Robert A. Patzner

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