Atomkraftwerke sind überflüssig
Eine Studie der TU Wien belegt, dass in der Europäischen Union alle Atomkraftwerke bis 2030 abgeschaltet werden können, ohne die Klimaziele zu gefährden.
Zu den Sponsoren der von Global 2000 beauftragten Studie gehören neben dem Lebensministerium unter anderen der Landesversorger Wien Energie. Dessen Geschäftsführerin Susanna Zapreva betonte, dass die Genehmigungsverfahren für neue Netz- und Speicherkapazitäten beschleunigt werden müssen, wenn die Vision einer sauberen Energiezukunft 2030 wahr werden soll. „Von selbst wird die Wende nicht passieren“, appelliert auch Reinhard Uhrig von Global 2000 an die Politik.
Historischer Strommix der heutigen EU-Länder und die von der TU Wien berechnete mögliche zukünftige Entwicklung
Die ambitionierten Ökostrom-Ausbaupläne der Studie können nur mit einer ebenso ambitionierten Politik erreicht werden. Bis 2030 soll der Ökostrom-Anteil in der EU von 20 auf 70 Prozent gesteigert werden (siehe Grafik). Das Potenzial hierfür ist da, aber die Herausforderungen sind gewaltig: Die CO2-Zertifikate müssten (wohl gegen den Widerstand von kohlereichen Ländern wie Polen) massiv verteuert werden. Frankreich würde mit dem Atomausstieg 76 Prozent seiner Stromerzeugung verlieren und müsste auf Ökostrom-Importe zurückgreifen. Stromsparpotenziale müssten nahezu vollständig erschlossen werden, um den Stromverbrauch bis 2030 stabil zu halten. Investoren müssten überzeugt werden, jedes Jahr einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag in neue Öko-Kraftwerke zu investieren. Die Regeln für den Strommarkt müssten so gestaltet werden, dass sowohl diese neuen als auch die alten, konventionellen Kraftwerke, die zum Überbrücken von Flauten weiterhin gebraucht werden, gewinnbringend unter stabilen Rahmenbedingungen betrieben werden können.
Hinsichtlich der Kosten für den Endkunden bleibt die Studie vage. Sicher ist nur, dass bis 2030 mit keinen Strompreissenkungen zu rechnen wäre. Erst darüber hinaus sind diese denkbar. Die notwendigen Netz-, Speicher- und Reservekapazitäten hat man nicht modelliert, weshalb keine Aussage zu den Gesamtkosten möglich ist.
Die Autoren der Studie empfehlen, den bewährten Weg der Bürgerkraftwerke weiterzugehen, denn wenn die Bürger von der Energiewende auch persönlich profitieren können, steigt die Akzeptanz dieses Mammutprojekts. Skeptisch sind die Experten gegenüber dezentralen Speichern: Von der Wirtschaftlichkeit sind diese so weit entfernt, dass sie in der Studie keine Berücksichtigung fanden. Die Umwandlung von Stromüberschüssen in Wasserstoff ist teuer und mit hohen Energieverlusten verbunden. Daher sieht die Studie für 2030 gerade einmal drei Prozent des Stroms in die Produktion von Wasserstoff fließen. Erzeugungsschwankungen werden überwiegend durch weiträumigen Austausch und konventionelle Pumpspeicherkraftwerke ausgeglichen. Beim absehbaren Stand der Technik ist das die effizienteste und billigste Variante. Schade, denn mit kleinräumigen Lösungen, die keinen internationalen Stromhandel erfordern, wäre die Akzeptanz noch einmal um einiges höher, und eines ist sicher: Ohne Zustimmung bei der Bevölkerung wird es keine Energiewende geben.
Autor: Mario Sedlak