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Blumen - Schätze der Natur

Vier Gemeinden haben sich zusammengetan und gemeinsam mit der Schutzgebietsbetreuung NÖ ein einzigartiges Naturjuwel wieder zum Blühen gebracht: die Narzissen- und Orchideenwiesen im Ybbstal.

Eine Wiese mit unzähligen weißen Blumen.
Foto: David Bock

Prächtig und bunt ist das Naturschauspiel, das im Frühling im Ybbstal zu bewundern ist: Wenn die grauen Wintertage vorbei sind, die Vogerl wieder zwitschern und die Sonne strahlend wärmt, dann stecken die Krokusse ihre Köpfe aus der Erde und färben die Wiesen im Ybbstal lila, gelb und weiß. Dem kleinen Schwertliliengewächs folgen königsblaue Enziane und einzigartige seltene Orchideenarten: kräftig violettes Knabenkraut, hellrosa Kugelorchis, rot-weiß gefleckte Sumpf-Stendelwurz. Mit der Blüte tausender Narzissen im Juni erreicht das Naturschauspiel rund um Hollenstein, Lunz, Opponitz und Göstling jedes Jahr seinen Höhepunkt.

An die hundert Arten von Blumen und Gräsern besiedeln die duftenden Wiesen im Ybbstal und sind Lebensraum nicht nur für seltene Pflanzen und Tiere, sie sind auch für Besucher*innen erlebbar – dank eines Naturschutzprojekts, das die Sicherung der einzigartigen Naturjuwelen zum Ziel hat. „Es ist wichtig, dass das erhalten wird“, sagt Manuela Zebenholzer, Bürgermeisterin von Hollenstein, die sich beim Projekt „Narzissen- und Orchideenwiesen“ stark engagiert hat.

Denn auch im Ybbstal erblühten in den vergangenen Jahrzehnten immer weniger wertvolle Blumen auf intensiver genutzten Wiesen. Allerdings bewirtschafteten etliche Landwirt*innen die Flächen umsichtig und arbeitsintensiv und bewahrten so die einmaligen Grünflächen. Mit ihrer Unterstützung und durch ein von der EU und dem Land NÖ gefördertes Projekt der Schutzgebietsbetreuung NÖ gedeihen die Naturschätze seit zwei Jahren wieder besonders reichlich. Und noch mehr. „Die Narzissen- und Orchideenwiesen sind verbindendes Element zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus sowie Bildung. Das Projekt stärkt unsere regionale Identität“, erklärt Manuela Zebenholzer.

Eine tiefviolette Blume in einer Wiese.
Das Breitblättrige Knabenkraut, eine Orchideenart, blüht im Mai auf ungedüngten Feuchtwiesen. Foto: David Bock

Naturschutz für Narzissen- und Orchideenwiesen

Zu Beginn des Projekts 2019 wurden wertvolle Flächen ausgewählt. Fachleute erarbeiteten mit den Landwirt*innen Bewirtschaftungspläne, um die artenreichen Grünflächen zu erhalten und weitere geeignete Flächen in wertvolle Wiesen umzuwandeln. „Naturschutz in Kooperation mit der Landwirtschaft, eine Win-win-Situation für beide Seiten, das ist der zielführende Weg für gelebten Naturschutz in Niederösterreich“, so Franz Maier, Bereichsleiter Natur und Ressourcen der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich. Mit Unterstützung des Ökologen David Bock vom Büro coopNATURA wurden in Kooperation mit den regionalen Landwirt*innen Maßnahmenvorschläge erstellt – für die artenreichen Flachwiesen der Tieflagen, die höher gelegenen, frischen bis nassen Bergwiesen, die Feuchtwiesen sowie die Halbtrockenrasen. In den tiefen, warmen Lagen finden sich Glatthaferwiesen mit Wiesen-Bocksbart, Wiesen-Glockenblume, Wiesen-Flockenblume, Margerite und Witwenblume. Je höher die Wiesen liegen, desto kühler wird es. Das mögen Gräser wie Rotschwingel und Goldhafer, aber auch der Wald-Storchschnabel, das Gefleckte Johanniskraut und die Narzisse. „Narzissen wachsen auf Lehmboden, sie mögen es kühl, feucht, schneereich und ozeanisch“, erklärt David Bock. Die weißen krautigen Pflanzen finden sich auch auf den Feuchtwiesen, gemeinsam mit Kuckucks-Lichtnelken und Knabenkraut, sowie in besonders nassen Bereichen, wo auch Sumpf-Stendelwurz und Wollgräser gedeihen. In den warmen, süd-exponierten Lagen mit Halbtrockenrasen sind Enzian und seltene Orchideen zu finden.

Eine Wiesenblume mit spitzen grünen Blättern und mehreren weißen Blüten.
Das Langblättrige Waldvögelein, ebenso eine Orchideenart, findet sich im Halbschatten in trockenen Wäldern und auf Trockenrasen. Foto: David Bock

Behutsame landwirtschaftliche Nutzung

Damit die viele Pflanzenarten auf diesen wertvollen Flächen Jahr für Jahr sprießen, müssen diese besonders behutsam genutzt werden. „Dabei wird wenig bis kein Dünger verwendet und der erste Schnitt erfolgt erst sehr spät“, erklärt der Ökologe. Das ist seit einigen Jahrzehnten, seit Erfindung des Kunstdüngers, nicht mehr üblich. Oft wird schon im April die erste Mahd durchgeführt. Einjährige Blumen sind auf solchen Wiesen chancenlos und auch solche, die bis dahin keine Samen bilden konnten. Eine ungedüngte, einmal gemähte Wiese bringt natürlich viel weniger Ertrag als eine gedüngte Wirtschaftswiese. Die angebotenen Ausgleichszahlungen beim Düngeverzicht decken die Ertragsminderung und den Mehraufwand bei der Bewirtschaftung nicht zur Gänze ab. Wiesen extensiv zu bewirtschaften „müsste mehr wertgeschätzt und höher gefördert werden“, so Manuela Zebenholzer. Denn immerhin dient das artenreiche Grünland auch als Kohlenstoffspeicher und wirkt aktiv den Prozessen des Klimawandels entgegen.

Ein grünlich-weißer Falter mit schwarzer Aderung sitzt auf einer pinken Kleeblüte.
Foto: mgfoto, iStock

Lebensraum für viele kleine Tiere

In den artenreichen Wiesen leben viele Kleinsäuger, Insekten, Vögel und Bodenorganismen. Schmetterlinge, Wildbienen, Heuschrecken und andere Kleintiere benötigen zum Überleben ganz bestimmte Strukturen und kleinklimatische Verhältnisse. Für ein kleines Insekt in einer Wiese macht es einen großen Unterschied, ob es zwischen den Pflanzen feucht und kühl oder trocken und warm ist. Die Pflanzen beeinflussen das Kleinklima wesentlich: In gedüngten Wirtschaftswiesen ist der Bewuchs meist hoch und dicht, der Boden daher relativ feucht und kühl. Magere Wiesen sind nährstoffarm und niedrigwüchsig. Die Bodenoberfläche erwärmt sich bei Sonnenschein rasch und trocknet nach Niederschlägen schnell ab. Für viele wärmeliebende Schmetterlingsraupen, Heuschreckenarten und andere Kleintiere sind magere Wiesen daher ein optimaler Lebensraum.

Offene Bodenstellen oder freiliegende Steine sind für Insekten wichtig, weil sie sich besonders gut erwärmen. Wildbienenarten graben hier Gänge in den Boden, um darin ihre Nester anzulegen. Und je mehr verschiedene Blüten vorhanden sind, desto mehr Bienenarten finden auf einer Wiese Nahrung. In einer nährstoffreichen und häufig gemähten Wiese ist das Blütenangebot sehr gering. Während der Löwenzahnblüte sind zwar kurzfristig viele Blüten vorhanden, doch kann das von Wildbienen nur wenig genutzt werden, da meist keine oder kaum Nistplätze in der Wiese oder in deren unmittelbaren Umgebung vorhanden sind. Je größer artenreiche Magerwiesen sind, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass bedrohte Arten längerfristig überleben können.

Ein bunter Wiesenblumenstrauß.
„Ein bisserl schlampert sein, ist gut für den Garten, das erhöht die Qualität.“ Ökologe David Bock Foto: Mizina, iStock

Artenvielfalt im Garten

Was können sich Gartenbesitzer*innen von den Erfahrungen und vom Wissen der Landwirt*innen abschauen, die artenreiche Wiesen pflegen? „Ein bisserl schlampert sein, ist gut für den Garten, das erhöht die Qualität“, bringt Ökologe David Bock auf den Punkt, was naturnahe Paradiese für Pflanzen und Insekten ausmacht. Die Hobbygärtner*innen sollten „ein Fleckerl Wiese stehen lassen, über das nicht der Rasenroboter drübersaust“, so Bock. Dieses Wiesenstück kann zwei Mal gemäht werden, das erste Mal ab der Sommersonnenwende. Außerdem sollte ein erdiges Fleckerl frei bleiben, damit sich Wildbienen ansiedeln können. Es ist auch nicht egal, welche Pflanzen gesät werden. „Die meisten fertigen Saatgutmischungen enthalten standortfremde Pflanzen, die sollten nicht ausgesät werden“, empfiehlt David Bock: „Ideal sind REWISA-zertifizierte Wiesen.“ REWISA steht für „Regionale Wildpflanzen und Samen“ – Saatgut, das nach einem strengen Prüfverfahren zertifiziert wird.

Wissenswertes
Artenarme Intensivwiesen setzen sich nur aus maximal 10 bis 15 konkurrenzstarken und nähstoffliebenden Arten zusammen. In artenreicheren, weniger intensiv genutzten Wiesen finden sich dann schon etwa 30 bis 40 verschiedene Arten. Bei den untersuchten Wiesen im Ybbstal kommt man eigentlich immer auf mindestens 50 bis 60 Arten, meist sind es 70 bis 80. In den besten Flächen im Ybbstal wurden weit über 100 unterschiedliche Pflanzenarten erfasst.

Schauwiesen und Naturführungen

Die artenreichen Wiesen im Ybbstal ziehen auch Tourist*innen an, freut sich Bürgermeisterin Zebenholzer. Zu den „Schaufensterwiesen“ mit Schautafeln werden Wanderungen und Radexkursionen angeboten, bei denen David Bock die Natur-Schönheiten erlebbar macht: „Während der Narzissenblüte im Ybbstal unterwegs zu sein, ist ein landschaftliches und naturschutzfachliches Highlight und bildet den einmaligen Rahmen für ein unvergessliches Naturerlebnis“, schwärmt der Ökologe.

Weiterführende Infos

Pflanzenlisten, Saatgut und Fachbetriebe für naturnahes Grün: www.rewisa.at

Ybbstaler Blütenwiesen: Ybbstaler-alpen, Narzissen und Orchideenwiesen im Ybbstal

Beate Steiner

Dieser Beitrag ist in der LEBENSART Naturland Niederösterreich erschienen.
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