Bodenschutz hat jetzt Priorität
Europäische Toleranzgespräche: Die Politik muss den Raubbau an lebenswichtigen Ressourcen stoppen.
Die Macht des globalen Kapitals, der drohende Ausverkauf von natürlichen Ressourcen und fehlendes Bewusstsein für den Schutz von landwirtschaftlichen Nutzflächen standen im Mittelpunkt des Wirtschaftsforums bei den Europäischen Toleranzgesprächen. Handlungsbedarf sah die von ORF-Redakteurin Sonja Sagmeister moderierte Diskussionsrunde insbesondere bei der Politik, die es bisher verabsäumt habe, die Nutzung von fruchtbaren Boden schärfer zu regulieren und zu besteuern. Durch die weitere Zubetonierung von Ackerflächen sei nicht nur die eigene Versorgung, sondern insgesamt die menschliche Existenz gefährdet.
"Noch nie zuvor lag so viel Macht in so wenigen Händen wie im Augenblick. Konzerne, Vermögensverwalter und Investoren kontrollieren einen gewaltigen Teil des Vermögens auf der Welt. Dadurch steigt die soziale Ungleichheit enorm. Die Globalisierung war ein Geschenk für die Reichen, für das Gros der Bevölkerung ist dagegen wenig passiert", meinte Hans-Jürgen Jakobs, Autor des Bestseller "Wem gehört die Welt?", in seinem Impulsreferat. Monopole würden es den Konzernen erlauben, die Preise zu bestimmen, worunter die Verbraucher leiden müssen.
Verkauf von Böden stoppen
Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, warnte wiederholt vor dem ungehemmten Bodenverbrauch. "Böden sind eine lebenswichtige Ressource wie Wasser und Luft. Von dort kommen unsere Lebensmittel, und mit der wachsenden Weltbevölkerung werden wir in Zukunft noch mehr davon brauchen. Böden werden jedoch als Teil des Kapitals gehandelt", kritisierte Weinberger. Wo der Mensch bedroht sei, muss die Globalisierung aufgehalten werden. Die Politik sei aufgerufen, einzugreifen, könne diese Entwicklung aber offensichtlich nicht aus eigener Kraft aufhalten. Auch die Medien und andere Institutionen sollten für mehr Bewusstsein sorgen.
Der Klagenfurter Steuerberater Johann Neuner http://blog9.at beteuerte, dass die Politik sehr wohl die Macht habe, den Investoren Einhalt zu gebieten, es aber aufgrund vielfältiger Abhängigkeiten nicht tut. "Es wird immer behauptet, wer das Kapital hat, schafft an. Aber das Kapital ist doch nur das von der Notenbank gedruckte Geld. Der Staat hat die Kontrolle darüber, er muss sich nicht von Investoren abhängig machen." Reinhart Rohr, Präsident des Kärntner Landtages, stimmte dem indirekt zu: "Mit dem zunehmenden Neoliberalismus hat die Politik immer mehr Kontrolle abgegeben. Das muss aufhören, Regierungen müssen wieder mehr Verantwortung übernehmen", so Rohr.
Architekturkritiker Michael Zinganel war weniger optimistisch, was die Durchsetzungskraft der Politik angeht. Investoren hätten einen unverhältnismäßigen Vorteil beim Kauf und der Nutzung von Grundflächen: "Raumplanung ist ein extrem kompliziertes Fachgebiet. Die Reichen können sich Anwälte und Planungsbüros leisten und sind damit schneller und effizienter als die Politik", so Zinganel.
Ressourcen müssen allen gehören
Einen ganz anderen Ansatz brachte die Sozialwissenschaftlerin Brigitte Kratzwald ein. Innerhalb eines kapitalistischen Systems könnten Böden nicht geschützt werden. "Die Konzentration von Kapital und der Ausverkauf von Ressourcen liegen einfach in der DNA der freien Marktwirtschaft. Wir müssen daher über den Kapitalismus hinausdenken. Bedürfnisbefriedigung ohne die Zerstörung von Ressourcen sollte unser Ziel sein." Kratzwald meinte, dass Gemeinden zum Beispiel mit Bürgerräten sich darauf einigen könnten, wie Ressourcen zu nutzen sind, ohne diese zu zerstören. Nur, wenn die Gewinnmaximierung bei Böden eliminiert wird, kann die Heimat vor der Zubetonierung geschützt werden.
Quelle: pte/pts