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Der Biber

Erfolgsgeschichte und Herausforderung.

Ein Biber schwimmt mit einem zweig im Maul im Wasser.
Foto: Ng Sze En / unsplash

Nur wenige großflächig ausgerottete Arten fassen durch Wiederansiedelungs- und Schutzprojekte innerhalb kurzer Zeit wieder in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet Fuß. Der Biber hat es geschafft und bringt damit ökologische Vorteile, aber auch Herausforderungen mit sich.

Ursprünglich über beinahe den gesamten eurasischen Kontinent verbreitet, verschwanden die Biber in Mitteleuropa bis Mitte des 19. Jahrhunderts beinahe überall von der Bildfläche – zu begehrt waren ihre Pelze, ihr Fleisch und das als Wunderheilmittel geltende Bibergeil. Aktive Wiederansiedelungen erfolgten in Mitteleuropa ab den 1960er Jahren – in den Donau-Auen wurden östlich von Wien bis Mitte der 1980er mehr als 30 Biber ausgewildert. Viel war von den Tieren in den ersten Jahrzehnten nicht zu bemerken, da Populationen zu Beginn nur langsam wachsen: 1994 gab es 200 Tiere, 2006 waren es bereits 2.000 und laut der letzten Hochrechnung 2023 tummeln sich mittlerweile 8.900 Individuen im ganzen Bundesland. Jetzt wird sich ihre Anzahl vermutlich langsam einpendeln – der Europäische Biber ist aber nach wie vor eine „geschützte Tierart“ (Berner Konvention, Fauna-Flora-Habitat[FFH]-Richtlinie) und wird dies in nächster Zukunft auch weiter bleiben. Niederösterreich stellt aufgrund der Topografie und der Lebensräume das Hauptverbreitungsgebiet in Österreich dar.

Biologie und Besonderheiten

Biber sind nach dem südamerikanischen Wasserschwein (Capybara) die zweitgrößten Nagetiere der Welt und zudem jene mit der am höchsten entwickelten Großhirnrinde. Sie leben in kleinen Familiengruppen aus Eltern- und Jungtieren. Erst mit dem zweiten Jahr werden die jungen Biber erwachsen und müssen dann ein eigenes Revier finden – diese erstrecken sich an Gewässern, sind im Schnitt 1,3 Kilometer lang und werden gegen familienfremde Artgenossen mitunter aggressiv verteidigt. Als Nahrung dienen Bibern weit über 100 verschiedene Pflanzenarten. Die Rinde von Bäumen und Sträuchern dient dabei hauptsächlich als Winternahrung, da in der kalten Jahreszeit wenig andere Pflanzen verfügbar sind. Biber fällen daher im Sommerhalbjahr meist nur zur Beschaffung von Baumaterial Bäume oder verwenden diese zur Abnutzung der schnell wachsenden Zähne.

¼

der Körperlänge macht
der flachgedrückte, schuppige
SCHWANZ DER TIERE,
die Kelle, aus.

Zwei Seiten einer Medaille

Der Biber ist ein wahrer Landschaftsgestalter: Er trägt zum Wasserrückhalt in der Landschaft und zur Artenvielfalt bei. Weil er eine Strukturvielfalt aus Totholz und Uferanbrüchen, unterschiedlichen Wassertiefen und Versteckmöglichkeiten schafft, fühlen sich in seiner Gegenwart alle möglichen Libellenarten, ein großes Spektrum an Amphibien, Vögel, aber auch Fische wohl. Gibt es ihn, regenerieren sich Grundwasserkörper schneller – selbst in Trockenjahren können Landschaften mit Bibern mehr Wasser bereitstellen als ohne Biber in Jahren mit mehr Niederschlag.

Andererseits macht uns der fleißige Baumeister mit vernässten oder überschwemmten, nicht mehr bewirtschaftbaren Flächen, Baumfällungen und Benagungen, verstopften Rohrdurchlässen oder Einbrüchen von Ufern oder Dämmen mitunter das Leben schwer. Dabei wäre mit ein wenig mehr Platz viel gewonnen – über 90 Prozent der Konflikte treten in einem zehn Meter breiten Streifen entlang des Gewässers auf, da sich Biber in der Regel ungern weiter als wenige Meter von diesen entfernen. Die einfachste Lösung? Diesen Bereich nicht zu nutzen! Wo dies nicht möglich ist, kann der „biberische“ Gestaltungsdrang abgefedert werden, zum Beispiel mit Gittern für wertvolle Einzelbäume, Dammbauwerke und Rohre oder mit Drainagen zur Regulierung der Wasserstände hinter den Biberdämmen.

12.000 –
23.000

HAARE PRO
QUADRATZENTIMETER

zählt das Biberfell.

Wie bei anderen besonders geschützten Arten gilt auch beim Biber die sogenannte Maßnahmenhierarchie: Prävention vor Eingriff in den Lebensraum vor Eingriff in die Population. Für Eingriffe oder Entnahmen sind naturschutzrechtliche Bewilligungen notwendig, andernfalls sind sie verboten und damit auch strafbar. Entnahmen sind dabei nur eine Krücke, um sensible Bereiche wie Hochwasserschutzdämme oder Kanalstränge vor möglichen Schäden zu bewahren, bis eine technisch-bauliche Lösung diese langfristig unterbinden kann.

Gekommen, um zu bleiben

Der Biber ist ein wesentliches, gestaltendes Glied in unseren Gewässer-Ökosystemen und er wird bleiben. Offen ist, wie viel Platz wir dem tierischen Wasserbauer an unseren Gewässern zugestehen und wie viel Ressourcen wir als Gesellschaft oder als Privatpersonen aufwenden, um mit ihm auszukommen.

Sicher ist es möglich, menschliche Nutzung mit dem Lebensraum des Bibers in Einklang zu bringen – und das sollten wir auch, weil der Biber ein wertvoller Ökosystemdienstleister ist – Stichwort dezentraler Wasserrückhalt und Biodiversität. Den Gewässern, wo immer auch möglich, mehr Raum zu geben, verringert nicht nur die Konflikte mit dem Biber, sondern ist vielmehr eine Aufwertung unseres gemeinsamen Lebensraumes. Dazu müssen aber alle, die davon berührt sind (Grundeigentümer*innen, Kommunen, Fachabteilungen der Verwaltung, Politik, Interessenvertretungen), dieses Ziel teilen und gemeinsam verfolgen.

Ronald Knapp

Ein Baum wurde vom Biber fast gefällt: Etwa 20 cm über dem Boden ist der Stamm kreisrund abgenagt und hat in der Mitte nur noch etwa ein Drittel seines Umfangs.
Foto: Knapp
BETROFFEN?

Hier findet sich eine kompakte Hilfestellung für den Umgang mit „Meister Bockert“ (das ist die Bezeichnung für Biber in Fabeln), weiterführende Links und umfangreiche Literatur sowie aktuelle Förderungen von Präventionsmaßnahmen. Auch Meldungen von Totfunden oder Sichtungen in bis dato „biberfreien“ Gebieten sind willkommen:

www.noe.gv.at

Konflikt-Basis-Beratung unter 02742/9005-9100 oder wildtier@noel.gv.at

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