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Die Katze des Waldes

Die Wildkatze ist zurück.

Eine Wildkatze sitzt über dem Betrachter auf dem Ast eines Baumes und schaut neugierig herunter. Im Bildvordergrund sind Buchenblätter.
Foto: Claudia Ebner / Nationalpark Thayatal

Über ein halbes Jahrhundert galt sie in Österreich als ausgestorben. Nun sie ist zurück: die Wildkatze. Für Laien mag sie kaum anders anmuten als eine Hauskatze, die sich auf Ofenbänken räkelt und morgens um Dosenfutter bettelt. Die Wildkatze spielt jedoch eine entscheidende Rolle für das Gleichgewicht in heimischen Ökosystemen.  

Man hört sie nicht. Man sieht sie nicht. Und fünfzig Jahre lang dachte man, sie sei in Österreich endgültig ausgestorben. Ob sie ganze sieben Leben hat, bleibt ein Geheimnis, zwei scheint sie in Österreich jedenfalls zu haben: die Wildkatze. Im Lateinischen trägt sie den anmutenden Namen „Felis silvestris“, was so viel bedeutet wie „die Katze, die aus dem Walde stammt“. „Sehr passend, denn die Wildkatze ist ein sehr scheues Tier. Sie zu beobachten gelingt oft nur zufällig Jäger*innen, die in der Dämmerung auf dem Hochstand sitzen“, erzählt Christian Übl, Direktor des Nationalpark Thayatal.

Zufallsentdeckung bei Großpertholz

Er engagiert sich seit 2006 für die Erforschung der Wildkatze auf heimischem Territorium. Begonnen hat alles mit einem noch drei Jahre älteren Foto einer Katze, die vor einem Naturfotografen auf einen Baum geflüchtet ist. Sollte es der Beweis sein, dass die Katze des Waldes doch nicht ausgestorben war? Übl konnte den potenziell sensationellen Fund nicht auf sich ruhen lassen und suchte sich Unterstützung beim deutschen Wildkatzenspezialisten Thomas Mölich. Dieser riet ihm, im Wald Lockstöcke aufzustellen – Holzpflöcke, die mit Baldrianessenz eingesprüht werden und an denen eine Baldrianwurzel angebracht wird. „Wildkatzen lieben diesen Duft. Sie reiben sich an ihm und hinterlassen eine unverkennbare genetische Spur, ihre Haare“, erklärt Übl.

Wildkatzenanzahl bleibt Fragezeichen

So wurden im Thayatal nahe Hardegg 2007 sieben verschiedene Tiere identifiziert. Seither geht man davon aus, dass ihre Anzahl in Österreich sukzessive steigt – bestätigt durch regelmäßige Fotofallenbilder, Kadaverfunde und wiederkehrende Haarbeweise. Wie groß die Zahl der heimischen Wildkatzen momentan ist, wissen wir aber nicht: „Die Untersuchungen sind noch nicht ausreichend“, sagt Christian Übl. Das Thayatal gilt als einer der österreichischen Hotspots des scheuen Raubtiers, aber auch in der Wachau, in Gebieten Kärntens sowie in Osttirol und Vorarlberg wurde sie des Öfteren nachgewiesen. „Das liegt vermutlich auch an den milder werdenden Wintern und der dünnen oder fehlenden Schneedecke. Wildkatzen halten nämlich keinen Winterschlaf und müssen auch in der kalten Jahreszeit Beute, wie Mäuse, finden. Kann diese sich unter einer dicken Schneedecke verkriechen, wird es für die Wildkatze schwierig“, erklärt Übl.
 

Gründe für das Verschwinden und Wiederauftreten

Warum die Wildkatze ursprünglich verschwunden ist, ist nicht eindeutig geklärt – in Frage kommen Waldrodungen und eine verstärkte Bejagung, da sie als Feind für Niederwild wie Feldhasen, Rebhühner oder Wachteln galt. Laut Jagdgesetz ist die Wildkatze heute in Österreich ganzjährig geschont – sie darf weder gejagt, noch gefangen, noch getötet werden.

Ihre Rückkehr ist jedenfalls kein Zufall: Die Arbeit verschiedener Vereine, Verbände und Forschungsinstitutionen – besonders der „Plattform Wildkatze“, die unterschiedliche Organisationen aus dem Bereich Naturschutz, Forschung, Jagd und Zoohaltung miteinander vernetzt – hat das Wiederauftreten der Wildkatze unterstützt. „Für den Nationalpark Thayatal war das Projekt ‚Connecting Nature AT-CZ‘, welches die Verbindung von österreichischen und tschechischen Wäldern erforschte, von Bedeutung. Denn Naturschutz darf nicht an der Grenze enden“, sagt Übl. Warum das so ist?

Interviewpartner Christian Übl, Direktor des Nationalpark Thayatal. Foto: Astrid Bartl / Nationalpark Thayatal

Naturschutz kennt keine Grenzen

Kuder (Wildkater) besiedeln ein Territorium von etwa 1.500 bis 5.000 Hektar, Kätzinnen ein Gebiet von 500 bis 2.000 Hektar. Ein ganz schön großes Gebiet – ein Fußballfeld ist ungefähr 0,7 Hektar groß –, das sich nicht an Gemeinde- oder Landesgrenzen hält. Um die Art zu schützen, muss man wissen, was im gesamten Territorium geschieht – ob im Nachbarland eine Waldrodung oder ein neues Straßenbauprojekt geplant wird oder sich Naturschutzgesetze geändert haben. Nur so kann rechtzeitig darauf reagiert und können natürliche Habitate länderübergreifend gemanagt und erhalten werden – denn sie sind für das Überleben der Wildkatze sowie zahlreicher anderer Spezies entscheidend, betont Übl: „Nationalparks schützen die wenigen natürlichen Lebensräume, die es noch gibt. Besonders bei uns im Thayatal ist eine außergewöhnliche Artenvielfalt beheimatet. Obwohl wir nur drei Prozent der gesamten Landesfläche einnehmen, finden sich bei uns zwei Drittel aller österreichischen Pflanzenarten und zwischen 79 und 94 Prozent der wichtigsten heimischen Tierarten.“ Für uns Menschen dienen unberührte Wälder wiederum als Sauerstofflieferanten und Luftreiniger, sie bieten Wind- und Hochwasserschutz und verhindern Bodenrutschungen. Naturbelassene Böden sind wertvolle Trinkwasserspeicher und bilden eine stabile, lebendige Grundlage für Pflanzen und Tiere. Damit dieser Kreislauf der Natur rund läuft, übernimmt darin jede einzelne Tier- und Pflanzenart ihre eigene und unersetzbare Aufgabe.

Wildkatze als Qualitätsindikator

Umso bedeutender ist es daher, dass die Wildkatze nach Österreich zurückgekehrt ist. Auf ihrem Speiseplan stehen Mäuse und andere kleine Säugetiere – sie trägt dazu bei, ihre Populationen zu regulieren. Ist die Zahl der Nagetiere zu hoch, kann es zu unkontrollierten Fraßschäden an Wurzeln, Stämmen und Knospen von Sträuchern und Bäumen kommen. Da die Wildkatze nur gesunde und naturbelassene Wälder als Heimat annimmt, ist sie für Christian Übl ein Qualitätsindikator für seinen Nationalpark und ein Beweis, dass sich Naturschutz lohnt. Ein großer Meilenstein steht demnächst in der Wildkatzenforschung an, verrät uns der Waldviertler Biologe zum Schluss: „Noch hat die Wildkatze in Österreich den offiziellen Ausgestorben-Status. Bei der nächsten Überarbeitung der Roten Liste soll dieser endlich aufgehoben werden.“

Lisa Strebinger

Wildkatze zwischen Bäumen unterwegs.
Foto: Claudia Ebner / Nationalpark Thayatal
STECKBRIEF

Wildkatze

Lat.: Felis silvestris

Charakteristika: Wildkatzen werden 47 bis 68 cm lang und 2,5 bis 8 Kilo schwer, dabei sind die Weibchen (Kätzinnen) etwas leichter und kleiner als die Männchen (Kuder). Ihr Fell ist gelb-grau, mit vier bis sechs schwarzen Längsstreifen auf Kopf, Nacken und Rücken sowie schwach ausgebildeten Querbinden auf Rücken und Flanken. Der Schwanz ist buschig mit drei bis vier Ringen und schwarzem, rundem Ende.

Getigerte Hauskatzen sehen sehr ähnlich aus, jedoch ist die Wildkatze größer, kräftiger, stärker behaart, hat einen buschigen Schwanz und die typische Zeichnung im Nacken und Rücken.

Lebensraum: Die Wildkatze bevorzugt naturbelassene Wälder mit viel Unterholz und Felsspalten, die als Verstecke dienen. Sie kommt in ganz Zentraleuropa außer in den Alpen vor, in Österreich und Tschechien ist sie selten.

Nahrung: Als Beute dienen Kleinnager, vor allem Mäuse, selten Vögel, Insekten, Amphibien und Reptilien.

Fortpflanzung: Die Paarungszeit (Ranzzeit) geht von Jänner bis März, nachts sind die kreischend-heulenden Liebesklagen des Kuders zu hören. Die Kätzin bringt nach etwas mehr als zwei Monaten zwei bis sechs Jungtiere zur Welt, die bis zu elf Tage lang blind sind. Die Welpen werden in leerstehenden Dachs- und Fuchsbauten, hohlen Baumstämmen und ähnlichen Verstecken geworfen. Die Welpen werden ca. vier Monate gesäugt, ab der sechsten Woche kommt fleischliche Kost dazu. Im Sommer begleiten die Jungkatzen die Mutter auf die Jagd. Ab Herbst sind die Jungtiere selbständig und suchen sich ein eigenes Revier.

Lebensweise und Lebenserwartung: Die Dämmerungs- und nachtaktive Einzelgänger suchen sich je nach Nahrungsverfügbarkeit und Lebensraumqualität unterschiedlich große Reviere. Das Streifgebiet der Kätzin kann bis zu 2.000 Hektar, das des Kuders bis 5.500 Hektar groß sein. Wildkatzen werden bis zu 14 Jahre, in Gefangenschaft bis zu 21 Jahre alt.

Zu den natürlichen Feinden – vor allem der Jungkatzen – zählen Wolf, Dachs, Fuchs sowie Greifvögel, Marder und Luchs. Gegen erstere drei hat die Wildkatze einen entscheidenden Vorteil: Sie kann auf Bäume klettern. Menschenverursachte Tötungen erfolgen durch Verkehrsunfälle und intensive Forstwirtschaft. 

AUSFLUGSTIPP:

In Österreichs größter Wildkatzenanlage, angrenzend an das Nationalparkhaus in Hardegg, kann man die „Katze des Waldes“ hautnah erleben. Das seit 2011 dort beheimatete Wildkatzenpärchen, genannt Frieda & Carlo, soll den Besucher*innen die Wichtigkeit des Naturschutzes als „Botschafter*innen der Wildnis“ greifbar machen. Auch in den Tier- bzw. Wildparks Wels, Innsbruck und Mautern kann die Wildkatze beobachtet werden. 

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