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Die Zukunft der Bienen

Was macht Bienen so faszinierend? Wie können wir sie für die Zukunft erhalten? Und warum interessieren sich immer mehr junge Menschen für die Imkerei? Interview mit Bio-Imker Dietmar Niessner

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Bioimker Dietmar Niessner mit seinen Bienenstöcken. www.bienenschule.at

Seit einigen Jahren ist immer öfter vom Bienensterben die Rede. Sie sind seit 20 Jahren Imker. Wie groß ist das Problem aus Ihrer Sicht?
Wenn von Bienensterben die Rede ist, denkt man oft an das, was sich in Amerika abspielt. Da gibt es landstrichweise gar keine Bienen mehr.

Ist das bei uns anders?
Ja, weil wir eine wesentlich kleiner strukturierte Landwirtschaft haben. Auch die Imkereien sind kleiner und haben als Nebenwerbs- und Freizeitimker meist nur fünf bis zehn Völker. Ich bin im Frühling immer in denselben Gegenden, in Wien auf der Schmelz und im Waldviertel in Karlstein, und da habe ich keine eindeutigen Beobachtungen gemacht. In anderen Gegenden komme ich wenig herum und kann nicht sagen, ob dort weniger Bienen fliegen. Die Teilnehmer an meinen Imkerkursen in Wien sind allerdings großteils der Meinung, dass früher mehr Bienen geflogen sind, als heute.

Was kann die Landwirtschaft für die Bienen tun?
Imker und Landwirtschaft sind Partner und brauchen einander. Wenn die Landwirtschaft nicht auf die Bienen aufpasst, dann fallen die Imker als Partner aus. Damit schadet sich die Landwirtschaft selber.

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Ist das Bewusstsein dafür noch immer nicht vorhanden?
Ich weiß nicht, ob sich die Landwirtschaft ihrer Verantwortung bewusst ist. Natürlich werden Untersuchungen vorgenommen und Lösungen gesucht. Doch diese dürfen den Bauern nicht weh tun, sonst werden sie nicht praktiziert. Es gibt kleine Fortschritte, wie heuer, als die Beizung von Kürbis mit Neonicotinoiden ausgesetzt wurde. Was sie nächstes Jahr machen, weiß man noch nicht.

Was sind Neonicotinoide und wozu werden sie eingesetzt?
Neonicotinoide werden hauptsächlich bei Mais, Raps, Kartoffeln und auch Kürbis angewendet. Im Maisanbau soll damit zum Beispiel der eingeschleppte Maiswurzelbohrer bekämpft werden. Dazu wird das Saatgut mit Pestiziden gebeizt, um die Wirkung auf die Pflanzen zu übertragen. Doch das schädigt auch andere Insekten und die Bienen.
In vielen Ländern sind die Neonicotinoide verboten, weil sie systemisch wirken, bis rauf in die Blätter und Blüten. Die Mittel reichern sich auch im Boden an. Wenn man eine Zwischenfrucht anbaut, wie Klee oder Senf, dann hat man sie auch in der Zwischenfrucht drinnen.

Seit wann weiß man, dass gebeiztes Saatgut für die Bienen problematisch ist?
Vor einigen Jahren schon haben Imker im Tullnerfeld Bienen beobachtet, die verstört reagierten, nachdem sie auf gebeizte Sonnenblumen geflogen waren. Im letzten Jahr haben Imker aus dem Burgenland im Bienenbrot – das ist der gesammelte Pollen, den die Bienen als Futter für ihre Maden einlagern – Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gefunden, die schon lange verboten sind.

Woher kommen diese Pflanzenschutzmittel?
Die können aus der österreichischen Landwirtschaft kommen und können natürlich auch von Ungarn herüber kommen. Das kommt darauf an, wie weit die Bienen geflogen sind. Es kann durchaus sein, dass manche Landwirte Mittel einsetzen, die vielleicht noch im Depot gelegen sind.

Sie haben auf den Hotels „Daniel“ und „Ibis“ in Wien Bienen. Wie geht das in der Stadt?
In der Stadt gibt es Parks und Grünanlagen, da blüht die ganze Saison über etwas und die Bienen finden genügend Nektar. Gerade beim Hotel Daniel ist das Belvedere daneben und der Schweizergarten. Beim Hotel Ibis gibt es viele blühende Gärten in den Hinterhöfen. Am Stadtrand sieht es nicht so gut aus. Ein Bienenvolk hatte ich in Simmering draußen, ein landwirtschaftliches Gebiet mit vielen Glashäusern. Im Sommer wurde es knapp mit den Blühpflanzen und ich musste zufüttern. Genau so ist das in Mauer, am Stadtrand zum Wienerwald. Obwohl dort viele Gärten sind, blüht zu wenig.

Sie sind Bio-Imker. Wie sagen Sie den Bienen, wo sie hinfliegen sollen?
In der Stadt biete ich meinen Honig nicht als Bio-Honig an, weil ich nicht dafür garantieren kann. Aber es werden nicht so viele Spritzmittel angewandt, dass sie den Bienen schaden könnten. Wenn doch gespritzt werden muss, wie z.B. die Kastanien im Biergarten auf der Schmelz, dann muss man sich absprechen, damit dies außerhalb der Blütezeit passiert. Das ist nur eine Frage der Kommunikation.
Als das erste Mal gespritzt wurde, war ich nicht informiert. Doch mir ist aufgefallen, dass die Bienen im Gras herumhüpfen und verwirrt sind. Viele finden dann nicht mehr zurück in den Stock, sitzen desorientiert im Gras und werden von Vögeln aufgepickt.

Merken Sie, dass sich der Klimawandel auswirkt?
Man kann das an gewissen Zeigerpflanzen beobachten. Öfter blüht die Kirsche schon eine Woche früher, als wir es vor Jahren noch beobachtet haben. Auch wenn der Winter lange dauert, geht danach alles sehr schnell, weil es so rasch warm wird. Da kommen die Bienen in ihrer Entwicklung nicht mit. Es braucht 21 Tage, bis ein fertiges Insekt aus der Zelle schlüpft, und es braucht 40 Tage, bis es ausfliegt. Wenn die Kirsche nach 25 Tagen blüht, ist die Biene noch nicht so weit.

Wie reagieren die Menschen auf das Fehlen der Bienen?
Ich merke, dass immer mehr Leute selbst etwas beitragen wollen und Bienenstöcke aufstellen. Bei den Anfängerkursen in Wien waren vor 15 Jahren um die 20 bis 25 Leute. Heuer waren es etwa 150 Bienenbegeisterte, die Anfängerkurse besucht haben, 20 davon bei mir in der Volkshochschule Stöbergasse in Wien.

Was motiviert die Teilnehmer?
In erster Linie wollen sie zum Überleben der Bienen beitragen, indem sie ihnen einen Standort in ihrem Garten anbieten. Sie wollen das Summen im blühenden Kirschbaum wieder hören, wollen dass ihre Obstbäume bestäubt werden und die Umgebung wieder mit Bienen bevölkert wird.
Dazu kommt die faszinierende Auseinandersetzung mit dem Bienenvolk. Man kann ein Bienenvolk fast mathematisch erklären. Manche Menschen sitzen den ganzen Tag am Bildschirm, müssen in Meetings und arbeiten kopflastig, die setzen sich am Abend vor ihr Bienenvolk, um den Kopf leer zu bekommen, um abschalten zu können.

Wer interessiert sich für das Imkerhandwerk?
Früher waren die Jungimker 55+, die standen vor der Pension und suchten eine Beschäftigung für den Ruhestand. Der Altersdurchschnitt lag bei 65. Heute liegen wir 15 Jahre darunter und fast die Hälfte sind Imkerinnen.
Wenn ich Berufsgruppen beobachte, waren das früher Briefträger oder Taxler. Heute sind es Studenten, Verkaufsmanager, Ministerialbeamte, alle tragen die Sehnsucht in sich, ein wenig Ruhe zu finden.
Es gibt natürlich auch Junge, die darin eine Geschäftsidee sehen und sich mit einer Erwerbsimkerei selbständig machen.

Bekommen Jungimker genug Bienen?
Das Angebot ist ausreichend. Wenn die Bienen gut über den Winter gekommen sind, kann man im Mai Jungvölker bilden. Auch über Schwärme, die herumziehen, kommen die Jungimker zu ihren Bienen.

Was wünschen Sie sich von der Landwirtschaft?
Als Imker möchte man ernst genommen werden, als Teil des landwirtschaftlichen Systems. Wir wollen mit Rinder- und Waldbauern auf einer Ebene stehen, damit wir besser kommunizieren können. Die Bauern müssen für die Bienen sensibilisiert werden und Imker müssen wissen, wie Landwirtschaft funktioniert. Oft stecken die Bauern in einem Teufelskreis, denn die Raten für den Stall müssen bezahlt werden. Sie brauchen den Mais, um ihre Tiere füttern zu können. Fruchtfolgegestaltung ist natürlich eine Herausforderung, spritzen scheint da die einfachste Lösung zu sein, wenn auch die teuerste. Da müssen wir gemeinsam eine Strategie entwickeln.

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
Schon im Jänner fahre ich zu meinen Bienen und horche, ob sich was bewegt. Wenn sie dann später ausfliegen und auf den Palmkatzerln sitzen, ist das etwas ganz Besonderes. Natürlich ist die Imkerei auch mit viel Arbeit verbunden. Das Schönste ist, wenn die Arbeit beim Verkauf am Honigstand Anerkennung findet und die Kunden sagen, dass der Honig heuer besonders gut schmeckt. Dann weiß ich, wir – die Bienen und ich - haben das gemeinsam gut hinbekommen.

Infos: www.bienenschule.at

Das Interview führte Annemarie Herzog