Foodcoops: Wir beliefern uns selbst!
Kleine Geschäfte gibt es kaum noch, die Versorgung mit Lebensmittel wird von wenigen Konzernen beherrscht. Doch es regt sich Widerstand. Einkaufsgemeinschaften übernehmen die biologische, regionale und faire Lebensmittelversorgung.
Der Wasserfallgemeinde Krimml ist es vor einigen Jahren ergangen, wie vielen kleineren ländlichen Gemeinden: Zuerst wurden der Gendarmerieposten und das Postamt zugesperrt, dann schlossen der Metzger und der Bäcker, und schließlich drohte auch noch das Lebensmittelgeschäft zu verschwinden. Das nächste ist jedoch 8 Kilometer entfernt. Weil die Bank und das Lagerhaus damals ohnehin renovieren oder neu bauen mussten, entschloss sich die örtliche Raiffeisenbank, ein Nahversorgungszentrum zu errichten. "Es wäre fatal, wenn Krimml keine Infrastruktur mehr hätte. Dann würden die Jungen abwandern und die Touristen ausbleiben, und irgendwann gibt es uns auch nicht mehr", sagt Petra Matiz, Co-Geschäftsleiterin der Raiffeisenbank Krimml. Seit 2007 gibt es deshalb das neu gebaute "SeKO – Service und Einkauf im Ort" mit Bank, Lebensmittelgeschäft, Backshop mit Café, , Lagerhaus und öffentlichem WC. Mit Ende 2013 musste die Bank als Betreiber jedoch aussteigen, weil die Finanzmarktaufsicht das verlangt hat. Statt dessen wurde eine GmbH gegründet, in der die Gemeinde, der Tourismusverband, die Raiffeisenbank und die Liftgesellschaft vertreten sind. Das SeKO werde von den Kunden gut angenommen, aber man müsse den Menschen immer wieder ins Bewusstsein rufen, wie wichtig es ist, im Ort einzukaufen, damit die Infrastruktur erhalten bleibt, sagt Petra Matiz.
Dorfladen mit Wir-Gefühl
Die Gemeinde Langenegg in Vorarlberg hat das mit unglaublich viel Fantasie und Engagement gemacht. Mitte der 1990er Jahre wurde ein altes Bauernhaus im Ortszentrum renoviert und sollte mit Friseur, Arztordination und kleinen Geschäften belebt werden. "Die Leute sind aber nicht hineingegangen, weil sie Nahversorgung in dieser Form gar nicht mehr gewöhnt waren", erinnert sich Vizebürgermeister Gebhard Bechter. Glücklicherweise bot das Land Vorarlberg zu dieser Zeit das Projekt "Lebenswert Leben" an, dem sich Langenegg anschloss. "Durch die verschiedenen Aktivitäten wurde das Wir-Gefühl gestärkt und die Wichtigkeit der Nahversorgung verstanden", so Bechter.
Etwa zehn Jahre später wollte der Betreiber des kleinen, nicht mehr zeitgemäßen Lebensmittelgeschäfts in Pension gehen. Wieder wurden die Bürgerinnen und Bürger gefragt, was ein neues Geschäft bieten müsse, damit sie es auch nützen. Die Gemeinde Langenegg baute daraufhin mitten im Ort einen neuen, attraktiven Dorfladen in Passivhaus-Bauweise und suchte dafür einen Pächter. Doch damit nicht genug: Bis zur Eröffnung wurden die Langenegger kräftig auf das lokale Einkaufserlebnis eingestimmt: Die Theatergruppe führte ein eigenes Stück zum Thema auf, ältere Bewohnerinnen brachten Fotos und erzählten Geschichten über die Nahversorgung einst, Jugendliche sprayten Graffiti, der Kindergarten studierte ein Lied ein und die Frauengruppe nähte Einkaufstaschen. Die Eröffnung im Jahr 2008 wurde mit einem großen Fest gefeiert. Der Dorfladen wurde zu einem Ereignis, an dem die gesamte Bevölkerung beteiligt war und ist. Denn das Einkaufen im Ort spart nicht nur Einkaufsfahrten und fördert die lokale Wirtschaft, es ermöglicht auch ungezwungene Sozialkontakte.
Veranwortungsvoll konsumieren
Einige Konsumentinnen – und es werden immer mehr – gehen noch weiter. Sie wollen nicht mehr willfährige Mitspieler im globalen Lebensmittelhandel sein, sondern ihre Versorgung selbst in die Hand nehmen, wie zum Beispiel Gerhard Zwingler aus Steyr. Er war Bildungsreferent bei Südwind mit dem Schwerpunkt Ernährung und erschüttert als er las, wie Erntehelfer in Spanien und anderen Ländern ausgebeutet werden, damit wir billiges Gemüse kaufen können. Er wollte nicht, dass mit nahezu jedem seiner Einkäufe Menschen, Tiere oder die Natur geschädigt werden. Gemeinsam mit einer zweiten Familie begann er deshalb, Bauern zu suchen, bei denen man Lebensmittel direkt einkaufen konnte. Gerhard Zwingler: "Wir haben den Bauern gesagt, sie sollen uns einen Preis nennen, der für sie fair ist. Anfangs konnten sie das oft gar nicht sagen, weil ihnen die Preise immer vom Handel diktiert worden waren." Doch sie waren begeistert von der Idee, und das steckte andere an, die ebenfalls mitmachen wollten.
Um den Preis für die Verbraucher trotzdem günstig zu halten, wurde nach dem Vorbild des Seikatsu-Club Consumers Cooperative aus Japan, einem Träger des alternativen Nobelpreises, ein System mit Vorbestellung und Abholung eingeführt. Im Jahr 2005 wurde dafür der Verein Verein "NEST – Network for Ecological and Social Trade" gegründet, der später in "NETs.werk – Nachhaltig leben" umbenannt wurde. Das Konzept ist einfach erklärt: "Es ist wichtig, dass es bio ist, aber kleine Betriebe müssen nicht unbedingt zertifiziert sein. Wir kaufen so regional wie möglich, die Produkte müssen tierfreundlich erzeugt sein und wir zahlen den Produzenten einen fairen Preis", erklärt Gerhard Zwingler.
Für die Konsumenten bedeutet das nicht zwingend, dass die Lebensmittel teurer sind als im Supermarkt: "Bei Gemüse und Obst sind wir deutlich günstiger, weil wir keinen Schwund einkalkulieren müssen. Bei vielen Produkten haben wir moderate Preise, manches ist teurer, weil viel Handarbeit drin steckt." Gespart wird auch beim Geschäft. Weil nicht viel eingelagert werden muss und die Kunden ihre Bestellungen jeweils freitags abholen, wird nur ein Lagerraum mit Kühlmöglichkeit benötigt. Hohe Miete für gute Lage, Verkaufspersonalund Werbung erspart man sich. Das System kommt so gut an, dass allein in Steyr pro Woche 70 bis 80 Haushalte über das NETs.werk einkaufen und es bereits 20 weitere Regionalstellen und Partner gibt. "Wir bräuchten noch mehr Bauern, die Gemüse anbieten und Produkte veredeln", sagt Zwingler.
Wer selbst eine Einkaufsgemeinschaft gründen möchte, kann von NETs.werk das EDV-Paket zum Betreiben des Online-Bestellsystems inklusive Betreuung kaufen und loslegen.
Regionale Güterwege
Ein ähnliches Konzept mit eigenem Bestellsystem betreibt der Verein "Güterwege" aus Kirchdorf in Oberösterreich. Etwa 80 Produzenten und Konsumenten sind Mitglieder. Die wöchentliche Abholung der bestellten Lebensmittel erfolgt im Sozialmarkt, die Ausgabe übernehmen die Mitglieder abwechselnd. Dominik Dax hat wegen der großen Nachfrage sogar einen eigenen Gemüseanbau gestartet. Über die Güterwege können Gemüse, Obst, Getreide, Brot, Eier, Nudeln, Milch, Joghurt und Seife bezogen werden. "Wir suchen noch Produzenten, die Fisch, Essig, Butter oder Sauerrahm anbieten können", sagt Dominik Dax. Als Produzent schätzt er den direkten Kontakt zu den Konsumenten, man müsse sich darum aber von beiden Seiten bemühen. Bedenken müsse man auch, dass es viel (ehrenamtliche) Arbeit kostet, die Lebensmittelversorgung selbst in die Hand zu nehmen: "Alle haben Familie und Beruf und deshalb nicht so viel Zeit dafür. Bei den Foodcoops in Wien sind die Mitglieder oft Studenten, die tun sich da leichter", so Dax. Ein Foodcoop ist der Zusammenschluss von Personen und Haushalten, die selbstorganisiert biologische Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen, Gärtnereien, Imkereien etc. beziehen.
CSA und mehr
Eine weitere Form der Einkaufsgemeinschaft ist Community Supported Agriculture (CSA). Dabei zahlen die Mitglieder einem Bauern zu Beginn der Saison einen Jahresbetrag, um die Produktion zu finanzieren, und erhalten dafür wöchentlich ein Gemüsekisterl.
Eine Mischung aus CSA und Foodcoop ist der Verein "fairleben-BioLaden" in Allhaming in Oberösterreich, der an den fairleben Biobetrieb von Margit Lamm und Josef Mayr angeschlossen ist. Koordinatorin Karin Pelzeder: "Bei der Buschenschank am Hof haben Leute oft gefragt, ob man das Gemüse direkt kaufen kann. Dann haben wir uns gemeinsam einen Film über CSA angeschaut und viel diskutiert. Jetzt vertreiben wir das Gemüse vom Biohof und zusätzlich Milchprodukte, Brot und Käse von anderen Bauern."
Infos:
www.netswerk.at, www.gueterwege.at, www.foodcoops.at, www.fairleben.at
Autorin: Sonja Bettel
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