Antibiotika und Hormone im Wasser
Antibiotika, Schmerz- und Verhütungsmittel lösen sich nach ihrer Nutzung nicht einfach in Luft auf sondern hinterlassen ihre Spuren im Wasserkreislauf. Was sie dort bewirken, ist bislang wenig erforscht.
Wer krank ist, möchte so schnell wie möglich wieder gesund werden. Dafür hat die Medizin jede Menge wirkungsvoller Medikamente entwickelt. Das ist gut so – wenn die Arzneien mit Bedacht geschluckt werden und Alternativen keine Linderung bringen. Schmerzmittel, Antidiabetika, Psychopharmaka, Antiepileptika und Antibiotika sind die am häufigsten eingenommenen Arzneien. Die Medikamente entfalten im Körper ihre Wirkung, werden aber nicht vollständig abgebaut sondern gehen den Weg über die Ausscheidung in die Kanalisation. Zwar in geringen Mengen, aber nachweisbar. „Unser Lebensstil hinterlässt Spuren in der Umwelt“, sagt DI Dr. Manfred Clara, Experte für Oberflächengewässer im Umweltbundesamt, beim Fachgespräch „UmWelt und Gesundheit“. „In kommunalen Abwässern werden sehr viele Arzneimittelwirkstoffe nachgewiesen; die gemessenen Konzentrationen liegen zumeist im Bereich weniger Mikrogramm pro Liter oder darunter.“
Viele dieser Arzneimittelwirkstoffe sind so widerstandsfähig, dass sie selbst die Kläranlage unbeschadet passieren. Sie setzen ihren Weg fort und gelangen in Bäche, Flüsse und Seen. Dies sind aber noch nicht alle Arzneimittel, die wir der Natur zumuten: Mit der Gülle landen die unverdauten Rückstände der Tiermedizin ebenso im Wasser und auf den Feldern. Die Prüfstelle des Umweltbundesamtes hat in der Donau und der Dornbirnerach in Vorarlberg Konzentrationen der Schmerzmittel Diclofenac und Ibuprofen, verschiedene Antibiotika und das Antiepileptikum Carbamazepin gemessen. Auch für die Experten überraschend: Arzneimittel finden sich sogar im Bioabfallkompost und in der Blumenerde. „Eine Bewertung der gemessenen Konzentrationen ist derzeit schwierig, es gibt bislang keine Grenzwerte“, sagt Clara. Eine Gesundheitsgefährdung des Menschen sei jedoch nicht zu befürchten. Dennoch sollte aber allein aus Sicht eines vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes der Eintrag von Arzneimitteln in die Umwelt so gering wie möglich sein.
Hormone für die Fische
Bereits belegt sind die schädlichen Auswirkungen durch synthetische Hormone, wie Ethinylestradiol, ein Wirkstoff der Anti-Baby-Pille. Synthetische Hormone sind schlecht wasserlöslich und sammeln sich im Klärschlamm und im Boden von Gewässern an. Dabei sind die Mengen der verabreichten Hormone in Österreich mit weniger als 1.90000 kg verhältnismäßig gering.
Schon seit Jahren registrieren Wissenschaftler, dass Rückstände von Antibaby-Pillen im Wasser zu Missbildungen bei Fröschen und Fischen führen. Die Hoden verkümmern, die Tiere verweiblichen und können sich nicht mehr fortpflanzen. Die Zahl der Männchen in den Beständen geht zurück. Auch bei Vögeln lassen sich Nebenwirkungen feststellen. In England wurden Stare beobachtet, die Würmer aus dem Schlamm von Kläranlagen fressen. Das hormonbelastete Futter führt bei den Vögeln dazu, dass sie verweiblichen und die Population der Stare rapide zurückgeht.
Niemand weiß, wie Menschen darauf reagieren, wenn sie Jahrzehnte lang niedrigen Dosierungen von Arzneien ausgesetzt sind. Bislang wird die Wirksamkeit von Medikamenten nur über einen begrenzten Zeitraum getestet. Noch schwieriger ist es, die Wechselwirkungen der pharmakologischen Substanzen vorauszusagen. Im Wasser bleiben diese Stoffe viele Jahre erhalten.
Pulver für das Tier
Hormonfleisch und Antibiotika im Schnitzel - die Tierhaltung sorgt immer wieder für Diskussionen. Sie wird vor allem für die Antibiotika-Resistenzen verantwortlich gemacht, was aber nur der halben Wahrheit entspricht: 55 Tonnen Antibiotika pro Jahr werden in Österreich an Tiere verabreicht, etwa 50 Tonnen schluckt der Mensch.
Es ist unbestritten, dass die großzügige Antibiotika-Medikation zu Resistenzen und multiresistenten Keimen führt. Greenpeace kritisiert, dass derzeit auch die für die Humanmedizin extrem wichtigen Reserveantibiotika in der Tierhaltung regelmäßig eingesetzt werden. Dies sei für die Resistenzen mitverantwortlich. EU-weit sterben mindesten 25.000 Menschen jährlich an Infektionen, gegen die aufgrund von Resistenzbildungen keine Medikamente mehr wirken.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Medikamenten ist gefragt
Um unserer Gesundheit willen müssen wir zu einem vernünftigen Umgang mit Medikamenten finden. Vor allem bei Antibiotika ist Vorsicht angebracht. Kritische Ärzte gehen davon aus, dass die Hälfte der Antibiotika bei Erkrankungen der Atemwege verschrieben wird. Weil diese meist von Viren und nicht von Bakterien verursacht werden, seien Antibiotikagaben schlicht unnötig. Für einen praktischen Arzt ist jedoch schwierig zu erkennen, ob die Erkrankung von Bakterien oder Viren ausgeht. Schnelltests können Abhilfe schaffen. Und das Bewusstsein dafür, dass viele Wehwehchen auch ohne Antibiotika wieder gut werden.
AUTORIN: ANNEMARIE HERZOG
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