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Resilienz, die Kunst der Widerstandsfähigkeit

„Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker“, sagte eine alte Lebensweisheit. Jetzt hat die Psychologie dafür einen Namen: Resilienz. Gemeint sind Menschen, die an Krisen wachsen. Wie wir alle können diese Fähigkeit trainieren können.

Frau liegt lächelnd in einer Blumenwiese.
Widerstandsfähige Menschen verleihen Krisen im Nachhinein einen konstruktiven Sinn. Foto: Hobo/Thinkstockphotos

Der Verlust des Arbeitsplatzes oder ein schwerer Krankheitsfall in der Familie, das sind Ereignisse, die selbst Menschen mit positiver Gesinnung an ihre Grenzen führen. Ob man jede Hoffnung verliert oder optimistisch bleibt und das Beste für sich herausholt, ist eine Frage der eigenen Widerstandsfähigkeit. „Resiliente Menschen gestehen sich ihre Betroffenheit ein, lassen ihre Gefühle zu, drücken sie aus, schämen sich nicht dafür und werten sie nicht ab“, erklärt Psychotherapeutin Silvia Dirnberger-Puchner vom Institut für systemische Beratung, alphaTeam, in Enns. „Gleichzeitig werden sie versuchen, ihr soziales Netzwerk zu aktivieren, sich Menschen suchen, die sie unterstützen und halten, um rasch wieder in die Zuversicht zu kommen.“ Denn, so die Psychotherapeutin: „Widerstandsfähige Menschen verleihen Krisen im Nachhinein einen konstruktiven Sinn.“ Sie halten sich nicht lange auf mit Fragen wie „Warum passiert das mir?“, sondern widmen sich dem Umstand: „Wozu fordert mich diese Krise auf, was soll ich daraus lernen?“

Unter Resilienz  versteht man also eine besondere seelische Widerstandsfähigkeit, gleichermaßen angeborene wie erlernte. Resilienz bezeichnet, wie Menschen erfolgreich Entwicklungsaufgaben bewältigen, und wie sie trotz widriger Umstände, Krisen und Schicksalsschlägen ein glückliches, erfolgreiches, gesundes Leben führen.

Vorbilder in Puncto seelischer Stärke

Das beeindruckendste Beispiel für Resilienz ist sicherlich Viktor Frankl. Der Neurologe und Psychiater entwickelte als Internierter im Konzentrationslager die Logotherapie und schrieb später das Buch „…und trotzdem Ja zum Leben sagen“. Aber auch Märchenfiguren wie Aschenputtel können als Vorbilder in puncto seelischer Stärke herhalten. Aschenputtel hat ein soziales Umfeld, auf das sie zurückgreifen kann: Die Tauben und die Fee als Bezugsperson, die es gut mit ihr meint und an sie glaubt. Sie bestärkt Aschenputtel schließlich darin, auf den Ball zu gehen und ihren Prinzen zu treffen. Ein wichtiger Resilienz-Faktor ist also ein intaktes soziales Umfeld von Familie und Freunden, auf deren Hilfe man im Notfall zurückgreifen kann, ohne sich schlecht dabei zu fühlen.

Ebenso sind Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstwirksamkeit wesentlich, wenn es darum geht, für widrige Umstände, Schicksalsschläge und Lebenskrisen gerüstet zu sein. Selbstwirksamkeit bezeichnet den Umstand, so Dirnberger-Puchner, dass jemand sich als „fähige und kompetente Person erlebt, schwierige Situationen zu bewältigen“. Während das Selbstvertrauen meint: „Ich kann mich auf mich und meine Fähigkeiten verlassen.“ Auch der Selbstwert ist von wesentlicher Bedeutung für seelische Stärke: „Damit ist der Wert gemeint, den ich mir selbst als Person zuschreibe.“ Ein positives Selbstkonzept, also der Glaube, „etwas zu können, Einfluss zu haben auf das, was passiert“ alleine reicht schon für höhere Zufriedenheit in Krisensituationen laut Studien.

Annehmen und reflektieren

Widerstandsfähige Menschen können das Geschehene akzeptieren. Das Leid, die Probleme, Krisen und Schicksalsschläge anzunehmen, wie auch die damit verbundenen Gefühle, ist ein erster, wichtiger Schritt. Dem folgt die Selbstreflexion. Die Fähigkeit, reflektieren zu können, ist ausschlaggebend dafür, wie schwierige Phasen bewältigt werden. Dazu gehört es, über die eigenen Gefühle und Probleme reden oder auch schreiben zu können, aber auch die Fähigkeit, sich etwa über eine Krankheit zu informieren, sich die Dinge zu erklären, unter denen man leidet.

Auch die Fähigkeit zur Selbstregulation lässt uns harte Zeiten leichter durchstehen: Damit ist gemeint, für die nötige Erholung zu sorgen, mit den eigenen Emotionen umgehen können, mit sich selbst in körperlicher und seelischer Hinsicht achtsam umzugehen. „Meinen Körper und meine Seele sollte ich wie mein eigenes Kind behandeln, ihm dieselbe Liebe, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit widmen und auf seine Bedürfnisse eingehen“, sagt Dirnberger-Puchner.

Mit Optimismus, Humor und Zuversicht ist man gut gegen heftige Stürme des Lebens gewappnet: „Wo eine grundsätzliche Lebenszuversicht da ist, wird auch eher der Glaube vorhanden sein, eine Krise überstehen zu können. Solche Menschen machen das Beste aus ihrer Situation, aus den neuen Umständen wird sich ein unbewusster Optimismus generieren, der ins Bewusstsein übergeht“, sagt die Psychotherapeutin.

Gegenwart und Zukunft betonen

Nicht zu unterschätzen ist die Fähigkeit, sich zu distanzieren, zu verdrängen, schmerzhafte Dinge nicht an sich heranzulassen. Der widerstandsfähige Mensch ist viel weniger vergangenheits- als vielmehr gegenwarts- und zukunftsorientiert. Er hadert nicht mit dem, was er nicht getan hat, sondern ist handlungs- und lösungsorientiert. Seine Kernfrage lautet: „Was kann ich tun, um meine Situation zu verbessern?“

Wie wir Krisen begegnen, entwickelt sich ständig weiter, in jeder Stresssituation ergeben sich neue Verletzlichkeiten. Resilienztraining bedeutet für Silvia Dirnberger-Puchner, sich mit dem eigenen Selbstwert, der Selbstwirksamkeit und den vielen anderen Resilienz-Faktoren auseinanderzusetzen. Mittels Achtsamkeitstraining kann man etwa am Selbstwert arbeiten. „Jeden der genannten Punkte kann man sich nun als Säule vorstellen, aus denen man sein Haus der Resilienz bauen kann“, sagt Silvia Dirnberger-Puchner. Ist eine Säule etwas schwach, wie etwa die Fähigkeit zur Selbstreflexion, so ist vielleicht die Säule der Zuversicht oder das soziale Umfeld besonders ausgeprägt. Das Resilienz-Gebäude steht damit auf einem festen Fundament, auf dem es den Stürmen des Lebens gut Stand hält.

Haus der Resilienz:

Diese »acht Säulen der Resilienz« helfen in schwierigen Situationen:

  1. Hilfe aus dem sozialen Umfeld annehmen
  2. Den eigenen Fähigkeiten vertrauen
  3. Die Krise und damit verbundene Gefühle akzeptieren
  4. Aus der Opferrolle steigen
  5. Auf die eigenen Bedürfnisse achten
  6. Humor und Zuversicht bewahren
  7. Im Hier und Jetzt leben
  8. Nach Lösungen suchen

Autorin: MARIA ZAMUT