Sicherheit in unsicheren Zeiten?
Vier Tipps, mit der eigenen Unsicherheit umzugehen und andere zu unterstützen.
Egal ob Manager*innen, Lehrer*innen oder Sozialarbeiter*innen: Viele stehen derzeit vor der selben Herausforderung. Kommt bald der 4. Lockdown? Was bedeutet das für meinen Job, meine Familie, mein Unternehmen? „Die Menschen haben Zukunftsängste. Das merken wir in allen Branchen. Aber: Ängste sind nichts Neues. Die gab es schon lange vor Corona“, erklärt Patrizia Tonin, Vorstandsmitglied der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS). Wie können sie in so unsicheren Zeiten Sicherheit vermitteln? Dazu muss man zuallererst lernen, mit den eigenen Unsicherheiten umzugehen, weiß Tonin und gibt vier Tipps, wie dies gelingen kann.
1. Unsicherheit als Teil des Lebens akzeptieren
Unsicherheit begegnet uns tagtäglich. Für die einen ist es die Angst, dass den Liebsten etwas zustößt. Andere sorgen sich um ihren Job oder haben Angst vor einem erneuten Lockdown. „Das ganze Leben ist unsicher. Wäre das Leben zu 100 Prozent kalkulierbar, wäre es auch echt fad. Es gäbe keine positiven Überraschungen mehr. Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht alles kontrollieren können und lernen, dass Unsicherheit und Zustände des Zweifelns als Anlass fürs Lernen begriffen werden“, so Tonin. „Nur so können wir an Herausforderungen wachsen.“
2. Gefühle der Unsicherheit wahrnehmen und beobachten
„Wir tendieren dazu, negative Emotionen wie Angst oder Trauer zu verdrängen. Das löst aber nichts, im Gegenteil. Es ist sinnvoller, diese bewusst wahrzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen“, erklärt Tonin. Dabei hilft es, sich in unsicheren Situationen Fragen zu stellen: Was fühle ich in der Situation? Was war der Auslöser? Wo manifestiert sich das Gefühl im körperlichen Befinden? Bin ich müde oder unter Zeitdruck? Bezieht sich das Gefühl auf die Gegenwart oder eine unbestimmte Zukunft? „Auch kurze Achtsamkeitsübungen sind sehr wirksam – ein kurzes Innehalten, dem körperlichen Empfinden nachgehen, die Atmung bewusst wahrnehmen“, rät Tonin.
3. Vorbereitung statt Planung
Man kann die Herausforderungen des Lebens zwar nicht planen, aber man kann sich auf sie vorbereiten. Wer sich unsicher fühlt oder von Sorgen geplagt ist, sollte das Gespräch mit einer Vertrauensperson suchen. „Das kann ein echter Reality Check sein, um die eigenen Sorgen richtig einzuordnen und zurechtzurücken. Wer mit seinen Sorgen alleine bleibt, läuft Gefahr in eine Sorgenspirale abzudriften und die Situation zu dramatisieren“, weiß Tonin. „Ein Gespräch muss nicht immer das Rad neu erfinden. Es hilft schon, eine Meinung von außen zu hören, um eine andere Perspektive einzunehmen.“ Nach einem Gespräch könne man die Situation oft besser neu bewerten und sich auf die Aspekte fokussieren, auf die man Einfluss hat, so die Expertin.
4. Fixe Zeiten für das Grübeln festlegen
Wen negative Gedanken plagen, kann schon mal in einen Grübelkreislauf geraten, aus dem es immer schwerer wird, auszubrechen. Auch hier gilt: Wer sich diese Gedanken verbietet, verstärkt sie nur. „Gedanken kommen und gehen. Man kann sie beobachten. Wie Wolken, die vorbeiziehen. Meine Aufmerksamkeit kann ich bewusst auf etwas Positives lenken – den Kaffee, den ich gerade trinke oder die Musik, die ich gerade höre“, erklärt Tonin. Ein weiterer Tipp der Expertin: Kommt ein Grübelgedanke, vertröstet man ihn auf eine spätere, fixe, aber limitierte Grübelzeit, um sich im Hier und Jetzt konstruktiven Gedanken und Tätigkeiten zu widmen. „Geplantes Grübeln funktioniert oft gar nicht mehr. Sobald man die Gedankenwolke vertröstet, sieht man sie vielleicht gar nicht mehr wieder“, so Tonin.
„Behalten Sie diese Tipps im Hinterkopf und Sie werden merken, dass Sie selbstbewusster und fokussierter auftreten. Wenn Sie mit anderen Personen sprechen, die Unsicherheiten äußern, beschwichtigen Sie nichts, sondern hören Sie wertschätzend zu. Ein gutes Gespräch mit einem aufmerksamen Zuhörer kann schon ein erster Schritt zur Entlastung sein“, empfiehlt Patrizia Tonin abschließend.