zum Inhalt springen

Ist Stevia wirklich besser als Zucker?

Stevia gilt als der gesunde Zuckerersatz. Doch der zugelassene Süßstoff Steviolglycosid (E960) ist ein Produkt der Chemieindustrie und hat nur noch wenig mit dem Urwald zu tun.

gojak-istock-593300708
Foto: Wikimedia/NMIPortal gojak / Istock.com

Der Lebensmittelzusatzstoff E960 ist alles andere als ein natürliches Süßungsmittel. Die Substanz wird vielmehr in aufwendigen Prozessen von der pharmazeutisch-chemischen Industrie aus Stevia-Blättern gewonnen. Von Natur pur keine Spur. Seit dem 2. Dezember 2011 sind Steviolglycoside als Lebensmittelzusatzstoff (Süßstoff) zugelassen. Die Zulassung von Stevia-Blättern oder Produkten daraus als Lebensmittel oder Süßungsmittel, die viele Konsumenten sehnlich erwartet haben, hat hingegen nicht stattgefunden. Stevia darf in der EU weiterhin ausdrücklich nicht als Lebensmittel oder Süßungsmittel angeboten oder verkauft werden.


Alles über Stevia

Die Stevia-Pflanze (Stevia rebaudiana) ist eine blattreiche, krautige Pflanze, die in den Subtropen wächst. Ursprünglich insbesondere in Argentinien, Brasilien und Paraguay. Zudem wird sie in Monokultur industriell in vielen Ländern Asiens angebaut. Die Blätter schmecken süß, da sie süßschmeckende Substanzen (Steviolglycoside) enthalten. Diese sind 200 bis 300mal süßer als Zucker. Aber Stevia-Blätter sind nicht die einzigen Pflanzenbestandteile, die süß schmecken. Auch Blätter des chinesischen Brombeerstrauchs schmecken süß.

Stevia-Süße kommt aus den Laboren und nicht aus dem Urwald

Steviolglycoside aus den Laboren der Chemieindustrie bringen keinerlei Vorteile gegenüber bereits lange zugelassenen Süßstoffen. Einige davon haben ebenfalls eine rein natürliche Quelle. Dazu gehören Neohesperidin DC aus der Schale von Bitterorangen, Thaumatin aus der Katemfe-Frucht oder Aspartam aus zwei natürlichen Eiweißbausteinen. Auch das Argument, dass mit Stevioglycosiden kalorienfrei gesüßt werden kann, ist ein Marketinggag, denn alle Süßstoffe sind kalorienfrei oder praktisch kalorienfrei. 
Steviolglycosid Präparate werden in der Chemieindustrie in aufwendigen und nicht gerade naturnahen Prozessen durch Extraktion aus den Stevia-Blättern gewonnen, mit anschließender Konzentrierung, Reinigung und (meistens) Sprühtrocknung. Ohne Lösungsmittel und andere Chemikalien, die Farbstoffe und weitere unerwünschte Substanzen aus dem Gemisch herausholen, geht da überhaupt nichts. Trocknung, dann Mazeration, Fällung und Entfärbung, Ionenaustausch und mehrfache Kristallisation. Das getrocknete Extrakt aus der Chemiefabrik ist ein weißer bis leicht gelblicher, kristalliner, geruchsarmer mit einem leichten charakteristischen Geruch, wasserlöslicher Puder.

Vorteile gibt es nur für die Industrie

Steviolglycoside schmecken unangenehm und sind teuer. In Lebensmitteln sind Steviolglycoside in Reinform kaum zu verwenden und müssen um ein akzeptables Geschmackserlebnis zu garantieren mit Zucker, Zuckeraustauschstoffen oder anderen Süßstoffen gemischt werden. Eine vollständige Unbedenklichkeit von Steviolglycosiden ist nicht bewiesen und daher wurde ein ADI-Wert festgelegt, der die Konsumenten vor überdosierungsbedingten Schäden schützen soll.  Experten gehen von einer Unbedenklichkeit der Stevia-Blätter und auch von Steviolglycosiden aus, sofern kein übermäßiger Verzehr oder Konsum stattfindet. Kinder können den ADI-Wert leicht gefährlich deutlich überschreiten. Auch sollte Steviolglycosid in nur möglichst geringen Mengen in Erfrischungsgetränken zum Einsatz kommen. Einerseits schmeckt das Ergebnis – also das Getränk – in der Regel nicht wirklich gut und andererseits werden Erfrischungsgetränke leicht in so großen Mengen getrunken, dass hier eine Überschreitung des ADI-Wertes denkbar ist.

„Ich rate meinen Patienten, sich eine Stevia-Pflanze zu kaufen und die Blätter abzuwaschen, trocken zu tupfen und getrocknet oder frisch zum Süßen zu verwenden. Das ist Natur pur“, erklärt Ernährungswissenschaftler Sven-David Müller. Der staatlich anerkannte Diätassistent und Diabetesberater der Deutschen Diabetes Gesellschaft empfiehlt, generell weniger Süßungsmittel zu verwenden, um sich den Geschmackssinn zu erhalten und die Speisen nicht zu sehr zu „versüßen“.

Infos und Quellen: http://eur-lex.europa.eu, www.svendavidmueller.de
 

Diabetes Gesellschaft: Stevia ist nicht gesünder als andere Zuckerersatzstoffe

Das Süßungsmittel Stevia ist für Diabetespatienten nicht besser oder schlechter als andere Zuckerersatzstoffe geeignet. Darauf weist die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hin. „Stevia ist eine weitere Alternative zu Zucker, die keine Kalorien erhält“, erklärt Professor Dr. med. Stephan Matthaei, Präsident der DDG. „Nicht mehr und nicht weniger.“ Seit der Entfernung von Diabetikerprodukten aus dem Handel gelte, dass alle gesunden Lebensmittel grundsätzlich gleichermaßen geeignet seien für Diabetespatienten wie für Nicht-Diabetespatienten. Lediglich für Menschen, die an der angeborenen Stoffwechselstörung Phenylketonurie leiden und zugleich Süßstoffe benötigen, sei Stevia eine gute Alternative, so Matthaei.

Der Verzehr von Steviolglycosiden gilt bei Einhaltung der duldbaren Tagesdosis (ADI) von vier Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag als unbedenklich. Stevia ist weder kariesfördernd noch krebserregend, schädigt nicht das Erbgut und stört auch nicht die Fruchtbarkeit oder Entwicklung des Ungeborenen. Dies gelte aber in gleicher Weise für andere Süßungsmittel.

Lediglich für Menschen, die unter der sehr seltenen Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie leiden und zugleich aufgrund von Diabetes Süßstoffe benötigen, ist Stevia eine gute Alternative. Wer an Phenylketonurie erkrankt ist, verträgt die Aminosäure Phenylalanin nicht. Da das Süßungsmittel Aspartam Phenylalanin enthält, müssen Betroffene es meiden – Stevia hingegen enthält wie weitere Süßstoffe kein Phenylalanin. „Das dürfte jedoch insgesamt nicht mehr als ein Dutzend Menschen in Deutschland betreffen“, betont Fritsche.

Erforscht ist unterdessen, warum Stevia nicht nur süß, sondern auch bitter schmeckt. Dafür sorgen die beiden Geschmacksrezeptoren hTAS2R4 und hTAS2R14, wie Wissenschaftler der Technischen Universität München und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke (DIfE) herausfanden. In hoher Konzentration löst Stevia lakritzartige, bittere Geschmacksnoten aus.

Quelle: www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie gesund ist Kokosblütenzucker?