Wie viel Hormon steckt im Fleisch?
Dr. Johann Gasteiner, Leiter artgemäße Tierhaltung, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, erzählt im Interview, wann Tiere tatsächlich mit Antibiotika oder Hormonen behandelt werden.
Wann dürfen in der Tierhaltung Antibiotika eingesetzt werden?
Gasteiner: Antibiotika dürfen nur nach Verschreibung durch den Tierarzt eingesetzt werden, wenn Tiere erkrankt sind. Durch die Massentierhaltung ist die Begrenzung des Einsatzes auf einzelne Tiere jedoch erschwert. Das Tierarzneimittel-Kontrollgesetz regelt sehr genau den Einsatz von Medikamenten/Antibiotika bei landwirtschaftlichen Nutztieren. Soll das Tier geschlachtet werden, ist eine entsprechende Wartezeit vorgeschrieben. In der biologischen Tierhaltung sind diese Wartezeiten immer doppelt so lange wie in der konventionellen. Werden dennoch Antibiotika gefunden, dann wurde die Wartezeit nicht eingehalten und das Fleisch/die Milch dieser Tiere gelangt nicht in den Handel-dafür sorgen strenge Kontrollen.
Konsumentenschützer kritisieren jedoch, dass Massentierhaltung ohne vorbeugenden Einsatz von Antibiotika gar nicht möglich sei.
Grundsätzlich ist der vorbeugende Einsatz von Antibiotika verboten. Man setzt heute vermehrt auf vorbeugende Impfung gegen Erreger. Jedoch werden in der Geflügelmast Kokzidiostatika eingesetzt, das sind Präparate, die Kokzidien hemmen, aber es sind keine Antibiotika.
Antibiotika sollen das Wachstum fördern und die Milchleistung steigern.
Antibiotika als Wachstumsförderer einzusetzen, ist in der Europäischen Union verboten. In Amerika allerdings werden sie angewandt.
Wann dürfen Hormone gegeben werden?
In der EU dürfen einzelne Tiere bei Fruchtbarkeitsstörungen mit Hormonen behandelt werden. Eine derartige Anwendung darf nur von einem Tierarzt vorgenommen werden und ist aufzeichnungspflichtig. Medizinisch ist es möglich, bestimmte Tiergruppen mit Geschlechtshormonen so zu steuern, dass sie alle zur gleichen Zeit empfängnisbereit werden. Inwieweit das in Österreich gemacht wird, kann ich nicht sagen. Es wird vor allem bei Rindern in Australien und Neuseeland durchgeführt, um die Vegetationsperiode zu nutzen. Die Kälber kommen dann zur Welt, wenn viel frisches Gras wächst und die Kühe viel Milch geben können.
Völlig frei von Hormonen ist Fleisch nie, weil die Tiere natürliche Hormone produzieren. Diese beeinflussen jedoch die Gesundheit des Menschen nicht und werden beim Kochen in ihrer Wirksamkeit zerstört.
Und ein Hormoncocktail zur Leistungssteigerung?
Hormone zur Leistungssteigerung sind in der EU ebenfalls verboten und werden auch nicht verabreicht. In Österreich ist dieses Verbot in der Hormonverordnung 2009 geregelt. Seit 1988 darf auch nur hormonfrei produziertes Rind- und Schweinefleisch in die EU importiert werden. Ob dies auch eingehalten wird, ist jedoch schwer zu überprüfen, weil beispielsweise im ganzen amerikanischen Raum Hormone zur Leistungssteigerung eingesetzt werden.
Was ist von phytogenen Leistungsförderern aus Kräutern, Gewürzen und ätherischen Ölen zu halten?
Phytogene Futtermittelzusatzstoffe boomen. Sie sollen auf natürlichem Wege die Leistung der Tiere steigern und weniger Arzneimittel nötig machen. Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte phytogene Futtermittelzusätze das Potential haben, Amoniak und damit den Gestank zu reduzieren. Die österreichische Firma Delacon erzielt ganz gute Ergebnisse und der Markt für diese Mittel ist groß. Aber sie müssen immer eingesetzt und immer wieder nachgekauft werden und sie verursachen laufend Kosten.
Die Basis für gesunde Nutztiere muss sein, sie so artgemäß wie möglich zu halten und die Genetik der Tiere an die Region anzupassen. Eine Höchstleistungskuh auf einem Bergbauernhof macht keinen Sinn, weil es dort das entsprechende Futter nicht gibt. Im Biobereich brauchen wir ebenfalls eine andere Genetik als im konventionellen. Und wir brauchen eine bessere Ausbildung. Je besser die Ausbildung, umso besser das Management, das man den Tieren zugute kommen lässt. Erst danach folgt der Einsatz von Präparaten. Wenn die Tiere krank sind, müssen sie auch im Sinne des Tierschutzes Arzneimittel erhalten.
Leben die Tiere in Österreich gesünder?
Auf einem kleinen Bauernhof habe ich nie diesen Infektionsdruck unter den Tieren, wie in Großbetrieben und brauche daher seltener Medikamente. In Österreich leben wir auf einer Insel der Seligen, was die bäuerliche Arbeit betrifft. Wir haben bäuerliche Besitzstrukturen, die auf einem Niveau produzieren, das mit der Welt nicht vergleichbar ist. Allerdings muss uns klar sein, dass 7 Milliarden Menschen nicht von kleinen Familienbetrieben ernährt werden können. Da braucht es Großbetriebe.
Aber wir haben das Problem, dass wir uns wirtschaftlich mit der Welt messen müssen. Der Preisdruck der Welt liegt auch auf uns. Deshalb sind wir froh, dass Hormone als Leistungsförderer und Antibiotika verboten sind.
Das Interview führte: ANNEMARIE HERZOG