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Hungrig auf Natur

Rausgehen, entdecken, schmecken: Jetzt ist die beste Zeit, um Köstliches von Wald und Wiese zu sammeln und zu verarbeiten. Eine kleine Genussreise zu den Wildkräutern direkt vor der Haustür.

Verschiedenste Kräuter auf einem Küchentisch in Schalen und auf Tellern.
Foto: Annie Spratt / unsplash

In die Knie gehen statt Helikopterblick: Für die einen ist es einfach eine Wiese mit ein paar bunten Blüten, für die anderen ein Buffet mit vielfältigen Geschmäckern. Der Blickwinkel macht es aus. Und wer sich aus der Natur fein-bittere und würzige Wildkräuter holen möchte, muss nahe ran, um die kleinen Pflänzchen eindeutig zu identifizieren und zu pflücken.

Wissen wächst langsam

Neben der kulinarischen und heilkräftigen Komponente spielen beim Suchen von Wildkräutern auch Achtsamkeit und Entspannung mit. Es ist kein zielloses Laufen durch die Natur, sondern ein bewusstes Hinschauen und intensives Auseinandersetzen mit dem Grün. Um Wildkräuter zu sammeln, braucht es keine botanische Ausbildung, aber etwas Grundwissen und viel praktische Erfahrung. Am besten nehmen Neulinge immer wieder mal an Kräuterwanderungen und Kräuterführungen teil, um sich in aller Ruhe mit den Wildkräutern vertraut zu machen und bei Unsicherheiten nachfragen zu können.

Um sich beim ersten Streifzug allein nicht zu überfordern, sollte man sich auf ein oder zwei konkrete Wildkräuter konzentrieren und mit diesen intensiv arbeiten. Gänseblümchen und Löwenzahn bieten sich hierfür an. Nur wenigen Menschen ist bewusst, wie wertvoll die beiden Powerpflanzen für den Speiseplan sind. Schon ein paar Blüten machen Brot, Salat und Suppe zum Hingucker. Gemeinsam mit den frischen Blättern von Giersch, Schafgarbe, Spitzwegerich, Vogelmiere und Gundermann ergeben sie einen aromatischen Salat, der immer wieder anders gestaltet werden kann. Aus den gelb leuchtenden Blüten des Löwenzahns lässt sich mithilfe von Zucker auch ein feiner Honig herstellen, eine süße Aufstrichalternative.

Die Malve (malva sylvestris)
malva sylvestris Foto: unpict / iStock
Wildkräuter werden nicht
eigens ausgesät oder kultiviert,
sondern wachsen frei in der
Natur. Dadurch sind sie besonders
widerstandsfähig und kraftvoll.

„In der Küche muss es bei mir schnell, einfach und ohne Rezeptgenauigkeit gehen“, verrät die Arlberger Kräuterpädagogin Brigitte Moll von der Kräuterei am Berg. „Etwas, das man ganz toll zu Hause machen kann und was auch ein paar Tage im Kühlschrank hält, ist ein selbst gemachter Aufstrich mit Wildkräutern“, sagt Moll. Die meisten Wildkräuter findet man im eigenen Garten – zum Beispiel Frauenmantel, Gänseblümchen, Löwenzahn, Rotklee, Schafgarbe und Braunelle. Die Mischung ist flexibel und auch andere Wildkräuter und Blüten dürfen dabei sein. Der Aufstrich ist rasch gemacht und ein Allrounder für Frühstück, Brunch und Jause (Das Rezept für den Aufstrich und noch mehr gibt's HIER.)

Was drin steckt

Wildkräuter werden nicht eigens ausgesät oder kultiviert, sondern wachsen frei in der Natur. Dadurch sind sie besonders widerstandsfähig und kraftvoll. Im Schnitt haben Wildkräuter die dreieinhalbfache Menge an Proteinen wie Kulturgemüsesorten. Zu den eiweißreichen Vertretern gehört der Giersch, der in vielen Gärten als nerviges „Unkraut“ entfernt wird. Er teilt sich das Schicksal mit der Brennnessel, die ein richtig guter Vitamin-C-Lieferant ist. Beide lassen sich in der Küche so wie Spinat verarbeiten. Tipp: Bei den Brennnesseln die jungen Blätter und Triebe mit Handschuhen pflücken. Blanchiert im kochenden Wasser „brennen“ die Pflanzen nicht mehr auf der Haut und können ohne Bedenken gegessen werden. Auch ein Brennnesseltee zum Entgiften ist etwas Feines.

Darüber hinaus besteht jedes wilde Kraut aus einer Vielzahl an Inhaltsstoffen. Typisch für den Thymian sind die ätherischen Öle, die für seinen intensiven Duft sorgen. Gerbstoffe wirken zusammenziehend und unterstützen bei Entzündungen – diese sind im Salbei oder Frauenmantel zu finden. Bitterstoffe kurbeln die Verdauung an und können über den Löwenzahn oder die Schafgarbe aufgenommen werden. Gerade die Bitterkeit und Würzigkeit ist vielen nicht mehr vertraut. Es dauert aber nicht lange, bis sich der Gaumen daran gewöhnt. Andere Pflanzen sind hingegen milder und unauffälliger im Geschmack, wie der Spitzwegerich oder die Malven mit ihren Schleimstoffen, die Husten lindern. Saponine aus Taubnessel oder Ringelblume können in Teemischungen die Wirkung anderer Kräuter unterstützen. Flavone wie im Hirtentäschel wirken antibakteriell und entzündungshemmend, während Kumarin im Waldmeister für den intensiven Geschmack sorgt.

Wer die Kraft der wilden Kräuter für sich nutzen und Abwechslung auf den Teller bringen möchte, kann immer wieder mal das eine oder andere Kraut beim Kochen einsetzen. Dabei reicht eine kleine Menge aus.

Hände greifen nach Kräutern in einem Teller auf einem Holztisch um diese zu verarbeiten.
Foto: Annie Spratt / unsplash
„Wildkräuter schmecken hervorragend und versorgen uns mit wertvollen Inhaltsstoffen. Sie würzen die Speisen und der Vitamingehalt ist um einiges höher als bei herkömmlichen oft weit gereisten Kräutern und Gemüse.“

Evi Reiter, Gartenbäuerin und Kräuterpädagogin vom Thomahof

Wie richtig sammeln

Korb und Messer sind die Basis des Kräutersammelns. Wildkräuter immer mit dem Messer abschneiden, niemals ausreißen, und nach Sorte gebündelt in den Korb legen, ohne sie zu quetschen, knicken oder stapeln. Empfindliche Kräuter wie die Blüten der Gänseblümchen lassen sich auch gut in einem kleinen Glas oder Becher transportieren.

An sonnigen Tagen, am späteren Vormittag, haben Wildkräuter die meiste Kraft. Die Pflanzen können auch zu einer anderen Tageszeit geerntet werden, nur regnen sollte es nicht. Nach der Ernte sollten sie möglichst bald frisch verarbeitet werden. Grundsätzlich müssen Wildkräuter, die an unbelasteten Stellen wachsen, nicht extra gewaschen werden. Viel Wasser schwemmt auch Inhaltsstoffe weg. Deshalb die Kräuter nur wenn nötig vorsichtig waschen und mit Küchenpapier abtupfen. Blüten lediglich vorsichtig von Staub befreien. Am besten schmecken die Wildkräuter frisch. Getrocknet sind sie praktisch als Kräutersalz oder Gewürzpulver. Dazu sollte man sie in einem dunklen luftigen Raum locker auflegen oder bei niedrigen Temperaturen im Dörrautomat trocknen. Mit Wasser können sie in einer wiederverwendbaren Eiswürfelform auch leicht eingefroren werden – und aufgetaut Suppen, Soßen oder Getränke ergänzen.

Frische Kräuter können auch in Essig, Öl oder Alkohol, mit Zucker als Likör oder ohne als Tinktur, eingelegt und so konserviert werden. Erfrischend für heiße Tage ist ein mit kaltem Wasser aufgespritzter Sirup aus verschiedenen Wildkräutern. Wenn es mal schnell gehen soll: Einfach ein paar Stängel vom Giersch in den Apfelsaft geben oder das Trinkwasser mit Schafgarbe, Minze oder bunten Blüten aufpeppen. Manche Wildkräuter trotzen an sonnigen Fleckchen sogar dem Winter, wie die Vogelmiere. Diese können das ganze Jahr über geerntet und verwendet werden.

KRÄUTERGENUSS IM URLAUB

Kräuterwanderung mit Brigitte Moll, Hotel Jägeralpe
am Arlberg: www.jaegeralpe.at/de/kraeuterei.html

Seminare und Kochkurse mit Wildkräutern im
Naturhotel Steinschalerhof im Pielachtal
www.steinschaler.at

Wildkräuterführung mit Evi Reiter rund um den
Bauernhof, wöchentlich für Hausgäste:
www.thomahofurlaub.de

„Kräuterhexendiplom“ im Urlaub mit Gabi Buchöster
am Daxlbergerhof, Chiemgau: www.daxlbergerhof.de

Superfood aus dem Wald von Barbara Untermarzoner
im Hotel Tann am Sonnenplateau Ritten:
www.tann.it, www.ritten.com

Schätze aus dem Wald

Wenn im April und Mai alles zu sprießen beginnt, zieht der Wald mit einer Fülle an kleinen Köstlichkeiten mit. Ein Klassiker sind die Fichtenwipferln – die hellgrünen jungen Fichtentriebe, die mit ein bis zwei Zentimeter Länge geerntet werden. Aber Achtung: Von jedem Baum immer nur ein paar Wipferln nehmen, schließlich soll die Fichte gut weiterwachsen können. 

Die grünen Spitzen der Bärlauchblätter ragen zwischen braunem Laub aus dem Waldboden.
Bärlauch erkennt man an seiner Knofelnote und daran, dass jedes Blatt mit einem eigenen Stil aus dem Boden sprießt. Auch die matte Blattunterseite beachten. Foto: Eveline Wiebach
Bei jungen Bäumchen überhaupt nur ein bis zwei Triebe oder Knospen pro Ast entfernen – weniger ist besser. Auch die Fichtenwipferln sammelt man an trockenen Tagen. Dann haben sie einen herrlich süßlichen Waldgeruch und können frisch in der Küche auf unterschiedliche Weise verarbeitet werden.

Barbara Untermarzoner vom Hotel Tann am Sonnenplateau Ritten kennt alle Tricks aus der Waldküche. Um Fischgerichten ein intensives Aroma zu verleihen, werden diese bei ihr stets mit den Zapfen der Fichte gebraten. Zum Frühstück gibt es Fichtenwipferl-Honig, der als altes Hausmittel auch gegen Erkältung und Husten hilft. Roh eingetunkt in Schokolade begeistern die Fichtenwipferln Naschkatzen. Aus ein bis zwei jungen Birkenblättern lässt sich ein wunderbarer Tee für die Frühjahrskur machen. Und dann gibt es ja noch mehr: „Pilze, Moose, Kiefern, Beeren, Wurzeln und Harze – aus dem Wald kann man vieles essen“, erzählt Untermarzoner und ergänzt: „Im Frühling und Sommer zeigt der Wald seine wahre Vielfalt, aber auch im Herbst und Winter findet man tolle Schätze.“ Sammler*innen gibt sie mit auf dem Weg: „Unbedingt Rücksicht nehmen auf das Ambiente, keinen Müll hinterlassen und nur sammeln, was man wirklich kennt.“ Grundsätzlich ist es erlaubt, auf Flächen in der Natur, für die es kein Betretungsverbot gibt, Pflanzen für den persönlichen Bedarf zu sammeln. Konkret heißt das: So viel, wie in eine Hand passt – und nicht mehr.

Eintauchen in die Welt der Wildkräuter


KRÄUTERWISSEN FÜR ZUHAUSE

In jedem Bundesland bieten Volkshochschulen oder selbstständige Kräuterkundige Wildkräuterwanderungen und -kurse an. Einfach mal ausprobieren!

Basisausstattung ist ein Pflanzenbestimmungsbuch, zum Beispiel „Was blüht denn da?“ von Margot Spohn (Kosmos Verlag) oder „Essbare Wildpflanzen einfach bestimmen“ von Steffen G. Fleischhauer, Jürgen Guthmann und Roland Spiegelberger (AT Verlag).

Selbst ein Herbarium anlegen: Wildkräuter sammeln, pressen, trocknen und beschriften.

Pflanzenbestimmungs-Apps wie Flora Incognita, Flora Helvetica oder PlantNet können helfen, man darf sich aber niemals zu 100 Prozent auf sie verlassen.

WICHTIG:

! Sammle nur, was du eindeutig kennst. Viele Wildkräuter haben auch einen giftigen „Zwilling“, der ihnen sehr ähnlich ist – vor allem wenn die Pflanze noch ohne Blüte ist. Hier sind Erfahrung und eine gutes Bestimmungsbuch gefragt!

! Sammle nur so viel, wie du gerade benötigst. Wildkräuter zeichnen sich durch einen intensiven Geschmack aus, es braucht nicht viel für ein tolles Geschmackserlebnis. Die Bienen und andere Tiere danken es dir, wenn du für sie viel übriglässt.

! Sammle nur an unbelasteten Stellen. Das heißt: Nicht an typischen Hunde-Gassi-Strecken, an Wegrändern, viel belaufenen Wegen sowie stark gedüngten Wiesen und Weiden.


WANN DU WAS SAMMELN KANNST

WILDKRAUT

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Augentrost (Blüte und Blätter)

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Birkenblätter

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Braunelle

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Brennnessel (Blätter und Samen)

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Thymian

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Ehrenpreis

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Fichtenwipfel

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Frauenmantel

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Gänseblümchen

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Giersch

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Gundermann/Gundelrebe

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Hirtentäschel

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Johanniskraut (blühend)

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Löwenzahn (Blätter und Blüten)

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Mädesüß (Blüte)

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Odermennig

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Malven (Blüten)

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Meisterwurz (Wurzel)

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Minze (Blüten, Blätter, Stängel)

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Rotklee

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Ringelblume (Blüten)

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Salbei

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Schafgarbe (Blätter und Blüten)

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Spitzwegerich (Blätter)

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Taubnessel weiß und gelb (Blüten, Blätter, Stängel)

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Vogelmiere

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Waldmeister

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Wegwarte

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Anita Arneitz

Rezepte mit Wildkräutern sind HIER und DA zu finden.

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