„Mit Steuern steuern“
Angesichts der bedrohlichen Entwicklung des Klimawandels und des Ziels des Abkommens von Paris (COP21) wäre es naheliegend, mit einer Energie- und CO2-Abgabe eine Ökologisierung der Steuern zu schaffen.
Das erklärte Prof. Dr. Reinhold Christian, Geschäftsführer von Umwelt Management Austria und Moderator der heutigen Veranstaltung von Umwelt Management Austria. Eine kurze Nachlese.
Dr.in Margit Schratzenstaller, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, machte darauf aufmerksam, dass viel zu wenig über die Ökologisierung des Steuersystems diskutiert wird. Sie meinte, dass Ökosteuern wichtige preisbasierte, marktkonforme Instrumente zur Internalisierung externer Effekte mit mehreren Zielsetzungen sind (die Internalisierung negativer Externalitäten bewirkt die Eindämmung umweltschädlicher Produktions-/Konsumaktivitäten und leistet somit einen Beitrag zur Erreichung von Umwelt- und Klimazielen und zur Förderung umweltschonender Innovationen, Einnahmen werden erzielt bzw. „doppelte Dividenden“ im Zuge der Ökosteuerreform realisiert.).
Entsprechend den Untersuchungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung werden in Österreich umweltschädliche Subventionen in Höhe von € 3,8 bis 4,7 Mrd. gewährt. Im Rahmen der Ökosteuer oder von Finanzreformen sollte „umgesteuert“ werden. Eine Reform der Förderungen würde das öffentliche Budget entlasten, Anreize für umweltschonende Innovationen setzen und zur Erreichung von Umwelt- und Klimazielen beitragen.
Ökosteuern sollten zur Erreichung der Energiewende eingesetzt werden. Die Einführung einer sektorübergreifenden CO2-Steuer und die stärkere Orientierung der Energieabgabe an der Emissionsintensität sollte diskutiert werden.
Aus Sicht Schratzenstallers wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für Umweltsteuererhöhungen, da der Ölpreis gegenwärtig niedrig ist und es Erfolgsbeispiele für Ökosteuerreformen in Ländern wie u.a. Deutschland, Finnland oder Dänemark gibt. Erfolgsbedingungen für eine Ökosteuerreform (Gesamtperspektive, Umsetzung im Rahmen eines mittelfristigen Stufenplans zur Einführung, Beachtung von Verteilungswirkungen, Maßnahmen zur Erleichterung der Anpassung, Verbindung mit grundlegender Aufgaben- und Ausgabendiskussion) stehen kritische Punkte (Verteilungswirkungen, Wettbewerbsfähigkeit, langfristige Ergiebigkeit, Abstimmung national-international sowie die Abstimmung mit anderen preisbasierten Instrumenten) gegenüber, die ebenfalls diskutiert bzw. für die Lösungen gefunden werden müssen.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Getzner, Technische Universität Wien, Department für Raumplanung, Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik, informierte über das Modell einer Energie- und CO2-Abgabe des Forum Wissenschaft & Umwelt „Mit Steuern steuern!“. Er setzte sich im Rahmen seines Vortrags offensiv für eine Steuerreform hin zur Ökosteuer ein, begründete zu diskutierende Entlastungen für Haushalte oder die energieintensive Industrie, äußerte seine Skepsis gegenüber der geplanten Energie- und Klimastrategie betreffend die Erreichung langfristig notwendiger Energie- und Klimaziele und machte auf diverse Defizite bei der derzeitigen Besteuerung von CO2 bzw. Energie in Österreich aufmerksam.
Zielsetzungen einer ökologischen Steuerreform außerhalb des ETS wären die Kostenwahrheit, eine Anreizwirkung zu durchgängig sparsamem Umgang mit Energie und Ressourcen, die Unterstützung zentraler wirtschaftspolitischer Zielsetzungen (mit sozialem Ausgleich und Bekämpfung der Energiearmut, Reduktion der Arbeitslosigkeit – Erhöhung der Beschäftigung), Aufkommensneutralität, Differenzierung nach Energiegehalt und CO2-Emissionen, Technologieneutralität und administrative Effizienz.
Daraus ergibt sich ein 4-Säulen-Modell:
- Lenkungswirkung zur Reduktion von Emissionen (mit bis zu € 20 Mrd. pro Jahr),
- Aufkommensneutralität (Umschichtung im Steuersystem zulasten des Ressourcen- und Umweltverbrauchs mit Kompensation durch Entlastungen v.a. des Faktors Arbeit),
- sozialer Ausgleich mit Transferzahlungen (z.B. steuerfreier Mindestenergiekonsum, eventuell branchenspezifische Entlastungen, Förderungen z.B. für thermische Sanierungen) sowie
- Vorhersehbarkeit, Planbarkeit mit Stufenplan, schrittweise Anhebung des Steuerniveaus auf den Zielwert im 1., 3., 6. und 8. Jahr, parallele Entlastungen).
Betreffend die Energieabgabe sollten 4-5 Cent/kWh Primärenergie (Import und Inlandsproduktion; Eigenproduktion & -verbrauch ausgenommen) eingehoben werden. Der Energieverbrauch sollte per se, also aus langer Sicht auch erneuerbare Energieträger besteuert werden. Der Eigenverbrauch erneuerbarer Energie sollte ausgenommen werden. Eine CO2-Abgabe sollte mit € 100,- pro Tonne angedacht werden. Ein stabiles Steueraufkommen selbst bei höherer Effizienz und gesunkenem Energieverbrauch ist möglich.
Als Wirkung wurden positive Beschäftigungswirkungen, Verbesserung des österreichischen Beitrags zum Klimaschutz, ökonomische Anreize zur Energiewende und Verbesserung der Effizienz, positive budgetäre Wirkungen sowie Beiträge zur Steigerung der Versorgungssicherheit genannt.
Getzner machte darauf aufmerksam, dass die Ökosteuer keine Sozialpolitik ersetzen kann und die THG-Reduktionsziele nur mit einem Mix an Maßnahmen erreichbar sind.
Mag. Sacha Baud, STATISTIK AUSTRIA, stellte im Wesentlichen die neue Studie „Ökosteuern in Österreich“ vor. Grundlage dafür ist eine Verordnung der EU, Auftraggeber ist das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.
8,9 Mrd. Euro erbrachten die Ökosteuern im Jahr 2015 in Österreich. 1995 betrugen die Ökosteuern über 4 Mrd. Euro, mehr als eine Verdoppelung war also bis 2015 zu beobachten. Etwas über 2% des BIP und knapp 9% der Steuereinnahmen macht die Ökosteuer in Österreich aus.
Vergleicht man die Ökosteuern in Europa, so befindet sich Österreich (ohne Grundsteuer) in einer Gruppe mit Tschechien, der Slowakei, Spanien, Lettland und Norwegen. Der Anteil dieser Gruppe an den Steuern und Sozialabgaben beträgt zwischen 5,14% und 6,24% und liegt damit im Europabereich im unteren Bereich.
Mag. Jürgen Streitner, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW), Abteilungsleiter Sektion III/13: Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Klimapolitik, stellte aus Sicht des Bundesministerium mögliche Prinzipien einer ökologischen Steuerreform vor. Er informierte über das Zielquadrat ökologische Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Leistbarkeit, das immer mitzubedenken sei.
Definitiv sollte über die CO2-Steuer diskutiert werden. Doppel- und Dreifachbesteuerungen von ein und demselben Sachverhalt sollten aber vermieden werden.
Die Diskussion mit dem Publikum brachte eine enorme Bandbreite an Fragen und Hinweisen.
Christian betonte, dass ein reichhaltiger Maßnahmenmix zur Erreichung der Energie- und Klimaziele zur Verfügung steht: Von Ökosteuern über ordnungsrechtliche Vorgaben bis zur Bildung im weitesten Sinne. Er räumte ein, dass einige Punkte im Modell des Forum Wissenschaft & Umwelt noch zu diskutieren sind. Dazu zähle auch die energieintensive Industrie und die Frage, ob hier der Ausgleich durch Senkung der Lohnnebenkosten ausreichend möglich sei. Betreffend dem ETS müsste ausdifferenziert werden z.B. Reduktion von Abgaben wenn parallel dazu CO2-Abgaben eingehoben werden.
Die Präsentationen zum Fachdialog sowie die Langfassung der Nachlese stehen online zur Verfügung.