EU-Taxonomie: Umweltorganisationen reichen Klage ein
Die Umweltschutzorganisationen WWF und Greenpeace haben beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Aufnahme von Erdgas und Atomkraft in die EU Taxonomie eingereicht.
Greenpeace in Österreich hat gemeinsam mit sieben weiteren Greenpeace-Länderbüros beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage gegen die EU-Kommission eingereicht. Die Umweltschutzorganisation klagt dagegen, dass Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltige Investitionen deklariert werden können. “Atom und Gas können nicht nachhaltig sein. Die EU-Kommission will auf Drängen der Industrielobby ein jahrzehntelanges Problem als Lösung verkaufen, dagegen zieht Greenpeace vor Gericht”, sagt Lisa Panhuber, Sprecherin bei Greenpeace in Österreich. “Jetzt noch Geld in Industrien zu stecken, die uns überhaupt erst in die Natur- und Klimakrise geführt haben, ist ein Desaster. Alle verfügbaren Mittel müssen sozial- und umweltverträglich in erneuerbare Energien, Sanierungen, neue Mobilitätskonzepte, entschleunigte Kreislaufwirtschaft fließen.”
Auch die Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) reichte gemeinsam mit ClientEarth, Transport & Environment und BUND beim Europäischen Gerichtshof in Brüssel Klage gegen die Aufnahme von Erdgas in die “Klima-Taxonomie” ein. “In ihrer jetzigen Form ist die Taxonomie legalisiertes Greenwashing”, sagt Jakob Mayr, Experte für nachhaltige Finanzen beim WWF Österreich. Da das Thema Atomkraft bereits in einem weiteren Verfahren behandelt wird, richtet sich die Klage des WWF-Büros gegen das fossile Gas. Mit der Aufnahme von Erdgas verletze die Europäische Union nicht nur ihre Verpflichtungen nach dem Pariser Klimaabkommen, sie verstößt auch gegen das europäische Klimagesetz und sogar gegen die Taxonomie-Verordnung selbst. Denn diese schreibe vor, dass die Klassifizierung von Technologien wissenschaftlich fundiert sein muss – die Einordnung von Gas als “nachhaltig” verstöße aber gegen die ausdrückliche Empfehlung des damit befassten wissenschaftlichen Beirats. “Auch viele Finanzinstitute sind bereits einen großen Schritt weiter und haben fossiles Gas aus ihrer Kreditvergabepolitik ausgeschlossen – so etwa die Europäische Investitionsbank seit 2019. Auf dem globalen Markt für grüne Anleihen ist es gängige Praxis, fossiles Gas auszuschließen. Die EU-Taxonomie konterkariert diese Entwicklung und setzt damit ein völlig falsches Signal”, kritisiert Jakob Mayr vom WWF.
Grüne Taxonomie?
Die EU-Taxonomie soll Investor*innen eine bessere Einordnung nachhaltiger Finanzprodukte ermöglichen, um Gelder in zukunftsfähige, klimafreundliche Sektoren zu lenken. Seit Anfang 2023 gelten aber auch bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als "grün". Dies widerspricht sowohl dem rechtlich verbindlichen Ziel der EU, fossile Brennstoffe auslaufen zu lassen, als auch den Pariser Klimazielen. Zudem ist zu erwarten, dass durch die Aufnahme von Gas in die Taxonomie das Energiesystem noch länger abhängig von fossilen Brennstoffen bleiben wird (lock-in-Effekt) und den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern wird.
Greenpeace kritisiert, dass die Aufnahme von Gas und Atom in die Taxonomie fossilen Gas- und Atomkraftwerken den Zugang zu Geldern öffnet, die sonst in erneuerbare Energien fließen würden. So gab der französische Stromerzeuger Electricité de France beispielsweise kurz nach der Aufnahme von Atomkraft in der EU-Taxonomie im Juli 2022 bekannt, durch die Ausgabe von grünen Anleihen, die an der Taxonomie ausgerichtet sind, die Instandhaltung seiner alten und schlecht gewarteten Atomreaktoren finanzieren zu wollen. “Mit der Aufnahme von Gas und Atom in die Taxonomie sendet die EU-Kommission ein fatales Signal an den europäischen Finanzsektor und untergräbt die eigenen Klimaziele. Wir fordern die EU-Kommission auf, den Delegierten Rechtsakt komplett aufzuheben und das Greenwashing von fossilem Gas und Atomkraft sofort zu beenden”, sagt Lisa Panhuber, Sprecherin von Greenpeace Österreich.
Erdgas für 20 Prozent der heimischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich
Gemeinsam mit Erdöl und Kohle zählt fossiles Gas weltweit zu den größten Klimakillern und ist allein in Österreich für 20 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Besonders problematisch ist das bei der Förderung freigesetzte Methan – seine klimaschädliche Wirkung ist mehr als 80 Mal größer als jene von CO2. Dazu kommen die hohen volkswirtschaftlichen Kosten, weil Erdgas großteils teuer importiert werden muss. “Das Greenwashing von Erdgas bringt uns in eine fatale Sackgasse, die unsere Energie-Unabhängigkeit gefährdet und sämtliche Klimaschutz-Bemühungen untergräbt. Europa muss vor allem in Energiespar-Programme und naturverträgliche erneuerbare Energieträger investieren, anstatt neue fossile Abhängigkeiten zu schaffen”, fordert Jakob Mayr vom WWF.