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Nachhaltige Landwirtschaft spart Milliarden

EU-Analyse belegt enormes Einsparpotenzial, Österreicher*innen wünschen sich mehr Kostenwahrheit und staatliche Förderung.

Ein Mann mit Hut und Karohemd geht auf einem Feld dem Sonnenuntergang entgegen.
Foto: Pixdeluxe/iStock
  • Die OECD schätzt die externen Kosten der Landwirtschaft auf 78 bis 157 Milliarden Euro – das entspricht etwa 0,5-1% des Bruttoinlandsprodukts der EU.
  • 72 Prozent der Österreicher*innen erkennen die Umweltschäden durch nicht-bioregionale Landwirtschaft – aber nur wenige kennen die finanziellen Folgen.
  • 47 Prozent wissen nicht, dass Umweltschäden und soziale Auswirkungen der Lebensmittelproduktion von Steuerzahler*innen und der Allgemeinheit finanziert werden
  • Über 80 Prozent wünschen sich mehr staatliche Förderung für bioregionale Landwirtschaft und bioregionale Produkte in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder Spitälern

Wenn wir im Supermarkt für Lebensmittel bezahlen, ist das nicht die einzige Ausgabe für den Einkauf: Landwirtschaft verursacht ökologische und soziale Folgekosten, die über Steuern von der Bevölkerung mitfinanziert werden. Diese mangelnde Kostenwahrheit in der Landwirtschaft verursacht EU-weit jährlich zwischen 78 und 157 Milliarden Euro an externen Kosten – etwa 0,5-1% des Bruttoinlandsprodukts, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Bewegung "Enkeltaugliches Österreich" (ETÖ).

Milliardenschwere Umweltkosten bleiben unsichtbar

Ökologische Auswirkungen der konventionellen Landwirtschaft sind erschreckend und kostspielig: Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsektor (besonders die Produktion von Kunstdünger) machen 10-12 Prozent der Gesamtemissionen der EU aus – mit jährlichen Kosten von 50-100 Milliarden Euro. Der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt belastet den europäischen Haushalt mit geschätzten 5-10 Milliarden Euro pro Jahr. Wasserverschmutzung und übermäßiger Wasserverbrauch schlagen mit weiteren 4-7 Milliarden Euro zu Buche, während die Luftverschmutzung zusätzliche 5-10 Milliarden Euro jährlich verschlingt. Hinzu kommen gesundheitliche Folgekosten durch Pestizideinsatz von schätzungsweise 2-5 Milliarden Euro jährlich. Diese Zahlen sind den meisten Menschen jedoch nicht bekannt.

Kontrollierte Bioregionalität gibt Grund zur Hoffnung

Dem gegenüber stehe ein massiv ungenutztes Potenzial einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion: Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität könnten in der EU jährlich einen Nutzen von geschätzten 10-15 Milliarden Euro generieren. Verbesserungen in der Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffbindung haben einen potenziellen Wert von 5-15 Milliarden Euro pro Jahr. Die Förderung von Wasserqualität trägt weitere 1-2 Milliarden Euro bei. Zudem stärken nachhaltige Ansätze ländliche Gemeinschaften und schaffen eine jährliche Wertschöpfung von bis zu 5 Milliarden Euro.

Und Hierzulande?

Hier fehlt es teilweise noch an Zahlen - die Bewegung Enkeltaugliches Österreich arbeitet seit 2024 an einer umfassenden Meta-Analyse bestehender Studien. „Unter der Leitung von Prof. Dr. Sigrid Stagl, gemeinsam mit Prof. Dr. Christian Vogl von der BOKU, wollen wir jene Zahlen und Folgen für Österreich berechnen, die noch fehlen", erklärt ETÖ-Vorständin Barbara Holzer. Die Folgekosten konventioneller Landwirtschaft und die Mehrleistung nachhaltig produzierender Betriebe müsse quantifiziert werden. "Nur so können wir zukunftsfähige Steuerungseffekte im Sinne der Generationenverantwortung entwickeln und umsetzen", sagt Holzer.

Bevölkerung zahlt doppelt, ohne es zu wissen

Eine aktuelle Umfrage der ETÖ mit dem Marktforschungsinstitut Marketagent, zeigt die Notwendigkeit: Nur etwa ein Drittel der österreichischen Bevölkerung (33,8%) ist mit dem Begriff Kostenwahrheit" vertraut. Weniger als die Hälfte (47%) ist sich bewusst, dass Umweltschäden und soziale Auswirkungen der Lebensmittelproduktion nicht im Produktpreis enthalten sind, sondern von der Allgemeinheit getragen werden. Lediglich 32 Prozent wissen, dass die konventionelle Landwirtschaft mit höheren jährlichen Folgekosten für Steuerzahler verbunden ist als die biologische - obgleich sich 72 Prozent der negativen Umweltauswirkungen konventioneller Landwirtschaft bewusst sind – von Pestizid- und Nitratrückständen im Trinkwasser über Biodiversitätsverlust bis hin zu Klimaschäden durch energieintensive Kunstdüngerproduktion.„Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Umweltbewusstsein und dem Kostenbewusstsein," erklärt Holzer. „Die Menschen erkennen die ökologischen Probleme, verbinden diese aber nicht mit den wirtschaftlichen Folgen, die letztendlich jede und jeder Einzelne über Steuern und Abgaben mitfinanziert."

Bioregionale Zukunft?

Laut Umfrage bestehe dafür aber ein breiter gesellschaftlicher Konsens über den Lösungsweg: 84 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Folgekosten durch eine verstärkte, kontrolliert bioregionale Lebensmittelproduktion vermindert werden, um diese Produkte für Verbraucherinnen und Verbraucher günstiger zu machen. Die Mehrheit (83%) möchte, dass der Staat die bioregionale Landwirtschaft stärker fördert, um zur Verringerung der Folgekosten beizutragen. Ebenso deutlich ist die Zustimmung (72%) zur Forderung, in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern oder Behörden verstärkt bioregionale Produkte zu verwenden. „Die Umfrage zeigt deutlich: Die Österreicherinnen und Österreicher wollen eine Landwirtschaft, die langfristig die natürliche Versorgungssicherheit unseres Landes erhält und nicht nur kurzfristig, auf Kosten der nächsten Generationen wirtschaftet. Sie sind bereit für Veränderung und erwarten entsprechendes Handeln von der Politik", fasst Holzer zusammen.