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Smart Cities: "Technologie braucht die Menschen"

Welche Rolle spielen soziale Innovationen bei der Nutzung smarter Technologien? Dipl. Ing. Armin Kolbe im Interview.

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Dipl. Ing. Armin Kolbe, Österreichisches Institut für nachhaltige Entwicklung. Foto: Daniel Pasc Armin Kolbe

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss die Energieeffizienz deutlich erhöht werden. Warum reichen technologische Innovationen alleine dazu nicht aus?

Weil wir den Faktor Mensch nicht einfach außen vor lassen können. Das bedeutet, mehr als die Hälfte der technologisch möglichen Ressourceneinsparung geht verloren, weil die Gesellschaft die Technologien nicht entsprechend nutzt. Eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise erfordert aber neue Technologien. Somit sind technologische und soziale Innovationen untrennbar miteinander verbunden.

Soziale Innovation – was kann man sich darunter vorstellen?

Soziale Innovation kann als ein Prozess kollektiver Schöpfung, als neuer Weg, Ziele zu erreichen, bezeichnet werden, wie neue Organisationsformen oder neue Lebensstile. Das können Projekte sein, wie z.B. die Zwischenzeitzentrale ZZZ in Bremen, die aus leerstehenden Räumen urbane Labore macht und Gemeinschaften fördert. Oder das Leipziger Projekt „bring together“. Diese Online-Plattform bringt ältere Menschen mit ähnlichen Werten und Wünschen zur Gründung alternativer Wohnformen zusammen.

Welche sozialen Innovationen können mit technologischen gekoppelt werden?

Es geht nicht darum, dass wir Sklaven der Technik sind, sondern dass wir uns ihrer bedienen. Das können soziale Innovationen gegen Energiearmut oder Rebound-Effekte sein, sie können die Wirkung technologischer Innovationen verstärken, und es können Maßnahmen für neue Lebensstile sein. Soziale Innovationen haben das Potential, die Nachfrage nach ressourceneffizienten Technologien und die Nutzung zukunftsfähiger Infrastrukturen – wie den öffentlichen Verkehr - zu fördern. Auch wirken sie sich auf die Entwicklung von Smart Cities-Lösungen aus, indem sie z.B. beitragen, dass Wohnraum besser genutzt wird - siehe WG für ältere Menschen - oder der Individualverkehr reduziert wird. Wir können heutzutage die Menschen mit Informationstechnik sehr schnell erreichen und sie viel mehr in Ideenfindung, Problemlösung oder Umsetzung mit einbeziehen.

Wie sehen die Ergebnisse sozialer Innovation in Smart Cities aus?

Im Projekt SINN CITIES wurden 60 Best-Practice-Beispiele europäischer Smart Cities ermittelt und gemeinsam mit Experten, Verwaltung und Zivilgesellschaft 27 weitere soziale Innovationen entwickelt. Unsere Recherche zeigt, dass soziale Innovationen zu neuen Governance-Modellen führen, in welche die Zivilgesellschaft stärker eingebunden wird als bisher. Es geht nicht mehr darum, dass gesellschaftlich „zuständige“ Institutionen wie Stadtverwaltungen etwas für die Betroffenen realisieren, sondern dass sie gemeinsam mit ihnen arbeiten. Um den unsicheren Weg von einer kreativen Idee durchzuhalten, bedarf es allerdings unterstützender Rahmenbedingungen. Dazu gehören eine Kultur des Vertrauens, ausreichendes soziales, kulturelles und auch materielles Kapital sowie eine gewisse Risikobereitschaft. Dieses soziale Innovationsklima zu schaffen, ist eine der grundlegenden Herausforderungen für Städte.

  

Diese Beispiele sozialer Innovationen in europäischen Smart Cities demonstrieren ihre unterschiedlichen Ansätze:

Living Streets (Gent): Eine Straße / ein Straßenabschnitt wird für drei Monate vom Autoverkehr befreit und den BewohnerInnen als Lebensraum zur Verfügung gestellt (samt künstlichem Rasen, Sitzmöbel, Kübelpflanzen u.ä.). Damit werden neue urbane Räume geschaffen, mit nachhaltiger Mobilität experimentiert sowie soziale Strukturen gestärkt.

Peterborough Energy: Die Stadt kauft als Großabnehmerin günstig Energie ein und versorgt als lokaler Energieanbieter damit inzwischen über 5000 Haushalte mit leistbarer Energie, wodurch u.a. das Problem der Energiearmut stark eingedämmt werden konnte.

smartsteps (Zürich): Die Kundeninteraktionsplattform gibt einen Einblick in den persönlichen Energieverbrauch und führt Privathaushalte Schritt für Schritt auf unterhaltsame Weise zu höherer Energieeffizienz (Ziel ist die von der Bevölkerung mit 75% Zustimmung beschlossene 2000 Watt-Gesellschaft).

CityLab010 (Rotterdam): Die Stadt definiert gesellschaftliche Herausforderungen und Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen reichen Ideen und Lösungen ein. Zweimal pro Jahr werden aus den Einreichungen von einer Jury dann Projekte gewählt und deren Umsetzung finanziert.

ZZZ - Zwischenzeitzentrale (Bremen): Die ZZZ identifiziert leerstehende Räume und macht daraus urbane Labore für Neues, Gemeinschaftsprojekte werden gefördert, Initiativen und Vereine werden gegründet, soziale Innovationen entstehen und die Nachbarschaft wird aktiviert.

bring together (Leipzig): Online-Plattform, die ältere Menschen mit ähnlichen Werten, Eigenschaften und Wünschen zur Gründung alternativer Wohnformen zusammenbringt (durch effizientere Wohnraumnutzung sowie gemeinschaftliche Organisation von Haushalten soll Herausforderungen des demographischen Wandels begegnet werden).

shareNL (Amsterdam): Die im Auftrag der Stadt erstellte Wissens- und Vernetzungsplattform bereitet Ansatzpunkte für eine lokale sharing economy vor. Ein Start up-Unternehmen entwickelt dazu Werkzeuge und Methoden und führt eine Reihe unterschiedlicher Veranstaltungen durch.

Infos: oin.at

Rebound-Effekt: Effizienzsteigerungen senken oft die Kosten für Produkte. Dies kann dazu führen, dass sich das Nutzerverhalten ändert: Sie verbrauchen mehr - die ursprünglichen Einsparungen werden teilweise wieder aufgehoben.

Interview: ANNEMARIE HERZOG