Wein: Bio, demeter oder autochthon?
In den letzten Jahren wuchs der Bio-Wein-Anteil in Österreich enorm. Beim Blick auf den Stand der Dinge zeigt sich, dass die biologische Landwirtschaft für viele Entwicklungen im Weinbereich ein vitaler Impuls ist.
Es ist noch nicht so lange her, da war ‚bio’ beim Wein in aller Munde. Magazine und Gazetten waren voll davon, das Thema hat die Szene spürbar bewegt. Befürworter und Gegner standen sich gegenüber und argumentierten sich in Grund und Boden. In Artikeln genauso wie am Stammtisch. Das ist großteils vorbei. Eine lupenreine Biowein-Verkostung holt niemand hinterm Ofen hervor. Der Tross medialer Aufmerksamkeit ist weitergezogen und stürzt sich jetzt auf archaische, amphorengelagerte und sonstige retroexperimentelle Weine. Und auf uralte und ganz neue Rebsorten. Das hat vordergründig nichts mit ‚bio’ zu tun. Genauer betrachtet natürlich schon. Immerhin sind es beinahe ausnahmslos die Bio-Winzer und Biodynamiker, die sich dieser Themen annehmen. Also irgendwas muss das eine mit dem anderen zu tun haben.
Daher lohnt es, einen Blick auf die Situation bei den Bio-Weinen zu werfen. Immerhin ist der Bioweinbau das solide Fundament für viele Trends und Entwicklungen, die im Moment die Weinwelt bewegen. Seit 2012 gibt es gemeinsame Richtlinien für die Kellerwirtschaft und zertifizierte Bio-Weine. Davor gab es nur „Wein aus Trauben aus kontrolliert biologischem Anbau“. Seither gelten für Bio-Weine Obergrenzen beim Schwefeldioxid-Gehalt: bei Rotweinen dürfen 100 Milligramm pro Liter nicht überstiegen werden, bei Roséweinen 150 und bei allen anderen wurden die Grenzen um 30 Milligramm gesenkt.
Mit der Kennzeichnung als BIO- oder ÖKO Wein ist die obligatorische Verwendung des EU-BIO -Logos sowie die Codenummer der Kontrollstelle auf dem Etikett vorgeschrieben. Die Verwendung der Verbandszeichen ist weiterhin erlaubt.
Im Weingarten wissen die Bio-Winzer schon längst, was sie zu tun haben. Bio-Winzer düngen ihre Reben, in dem sie das Bodenleben (Bodentiere, Mikroorganismen usw.) mit Energie in Form von organischem Material (z.B. Mist, Kompost, Begrünung, Trester usw.) versorgen, d.h. es wird der Boden und nicht die Rebe gedüngt. Auf leicht lösliche Düngemittel ( „Kunstdünger“), Klärschlamm und Klärschlammkomposte wird gänzlich verzichtet. Möglichst viele verschiedene Begrünungspflanzen zwischen den Rebzeilen stärken und ernähren die Rebe. Ihre unterschiedlich tiefen Wurzeln fördern das Bodenleben in den oberen Bodenschichten.
Klarerweise schützen auch Bio-Winzer ihre Pflanzen. Nur eben anders. Das Ziel der Pflegemaßnahmen ist Steigerung der Abwehrkraft der Rebe, die Vorbeugung und Vermeidung von Krankheiten und Schädlingen. Das „Ökosystem Weingarten“ soll sich im Gleichgewicht befinden. Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wie Fungizide, Insektizide und Herbizide sind verboten. Erlaubt sind dagegen Mittel zur Stärkung, die vorbeugend eingesetzt werden – z.B. Gesteinsmehle, Pflanzenpräparate wie Jauchen, Tees oder Pflanzenextrakte.
Kupfer in geringen Mengen
Die Pilzkrankheiten Echter und Falscher Mehltau sind eine große Herausforderung im Bio-Weinbau. Gerade 2016 war durch die häufigen Regenfälle im Sommer ein extrem schwieriges Jahr in Bezug auf Pilzkrankheiten. Sie können zu einem totalen Ernteausfall führen. Bei starkem Befallsdruck wird zur direkten Krankheitsregulierung Schwefel (bei Echtem Mehltau) und Kupfer (bei Falschem Mehltau) eingesetzt. Die Anwendung kupferhaltiger Pflanzenschutzmittel ist immer wieder in Diskussion. Nachdem Kupfer nicht nur ein Spurenelement und für viele vitale Prozesse im Boden und der Pflanze notwendig ist, sondern auch ein Schwermetall, das in hohen Konzentrationen und Mengen bodenschädigend wirkt, wird Kupfer im biologischen Weinbau nur sehr beschränkt eingesetzt.
Biodynamischer Weinbau
Der biodynamische Weinbau – oder Biodynamie, wie er frankophil auch oft genannt wird - ist jenes Konzept, das im Moment den größten Zulauf erfährt. In Österreich sind die Winzer in zwei Vereinen organisiert. Zum einen sind da die Demeter-Betriebe, die bereits seit 2008 gemeinsame Kellerrichtlinien haben und damit als die Pioniere der Biodynamie in Österreich gelten, zum anderen die Winzer der Gruppe Respekt-BIODYN.
Respekt-BIODYN ist eine biodynamische Winzervereinigung mit dem Ziel, herausragende Weine mit höchstmöglicher Individualität zu produzieren. Respekt-BIODYN hat seinen Sitz in Österreich und zählt derzeit 19 Mitglieder aus Deutschland, Italien, Österreich und Ungarn. Gegründet wurde der Verein 2007 von zwölf Winzerinnen und Winzern, 2009 und 2015 schlossen sich weitere Winzer an. Anfang 2017 werden die respekt-BIODYN – Winzer ihre Richtlinien präsentieren. Dass sich diese signifikant von den demeter-Kellerrichtlinien unterscheiden, ist allerdings nicht zu erwarten.
Zurückgehend auf die Lehren und Schriften des Anthroposophen Rudolf Steiner ist es auch jenes Konzept mit dem umfassendsten philosophischen Gedankengebäude. Neben Methoden, die bereits aus dem Bioweinbau bekannt sind, werden auch darüberhinausgehende Gesichtspunkte einbezogen. Die wichtigsten biodynamischen Feldpräparate stellen Hornmist und Hornkiesel dar. Daneben arbeiten Biodynamiker mit einer Reihe weiterer Kompostpräparate, wie etwa Schafgarbe, Löwenzahn, Eichenrinde oder Baldrian. Zusätzlich werden auch stellare Konstellationen und Mondphasen in der Arbeit berücksichtigt.
Die Biodynamie nimmt für sich in Anspruch, die biologische Bewirtschaftung auf ein höheres (intensiveres) Niveau zu heben. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht nicht mehr das Ökosystem Weingarten, wie es im Bioweinbau und den IP-Konzepten der Fall ist, sondern der Weingarten in seiner Interaktion mit dem Kosmos. Weniger abstrakt ausgedrückt geht es um das „Wechselspiel der Natur- und Lebenskräfte zwischen Erde, Sonne, Mond, den Planeten und ihren Rhythmen.“
Bei den Kellerrichtlinien im biodynamischen Weinbau handelt es sich um eine Positiv-Liste, also um eine taxative Aufzählung erlaubter Additiva und Verfahren. Bemerkenswert ist dabei der bewusste Verzicht auf Reinzuchthefen, sowie auf Konzentrationstechniken, wie Vakuumverdampfung oder Umkehrosmose. Der Vorteil der Methode ist, dass es von allen alternativen Konzepten der Natur am nächsten ist und damit genau den „Nerv der Zeit“ trifft.
Den gesamten Artikel lesen Sie in der LEBENSART November 2016
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Autor: Jürgen Schmücking