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Die Essensmacher

Sie versorgen sich selbst mit Strom, pflanzen alte Sorten und bewahren die Fruchtbarkeit der Böden: innovative Bauern und ihre Ideen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.

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Simon Vetter aus Lustenau bau alte Sorten an und probiert ziemlich oft Verrücktes aus. Lukas Hämmerle

DER SORTENRETTER

"Hin und wieder - eigentlich ziemlich oft – kommen wir auf die Idee, etwas Verrücktes auszuprobieren.“ Simon Vetter, Lustenau

Draußen ist es dunkel. Die Sonne ist hinterm Arlberg längst untergegangen, und in der kleinen Stube im Fuxbau in Stuben herrscht gebannte Aufmerksamkeit. Es ist mucksmäuschenstill, die Stimmung so, als erzählte ein verdammt guter Erzähler eine spannende Geschichte. In der Mitte steht Simon Vetter und erzählt von der Kartoffel, die er in der Hand hält.

Simon Vetter ist Biobauer und führt den Vetterhof. Das ist in Vorarlberg eine ziemliche Ansage, denn die Familie Vetter bewirtschaftet seit über 300 Jahren Land im Ländle. Zudem gehören Simons Großeltern zu den Pionieren der österreichischen Biolandwirtschaft. Der Hof hat also tiefe Wurzeln und ist jetzt so gut aufgestellt, dass er weit in die Zukunft reichen kann. Beispiele gefällig? Vom Vetterhof gibt es in jüngster Zeit ein sensationell gutes und reichlich mit raren Sorten bestücktes Gemüsekistl, einen modernen Online-Shop, Präsenz auf den Feschmärkten in Wien und Vorarlberg, einen mit pfiffigen Kunst-Etiketten versehenen Dinkelvodka, Gin aus Zutaten, die entweder von den Feldern des Hofs oder aus den Wäldern des Bregenzerwalds kommen. Und weil Simon’s Gin und Vodka gar so erfolgreich sind, denkt der junge Bauer auch über ein Brennprojekt nach, mit Gerstenmalz und Wälder Fässern. Aber das sind ungelegte Eier, obwohl sich schon ein recht breites Lächeln auf Simon’s vollbärtigem Gesicht breitmacht, wenn man ihn darauf anspricht.

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Der Vetterhof, ein rechteckiger Holzbau von Architekt Roland Gnaiger, mit großem Innenhof und Hofladen. Foto: Manuel Zauner Der Vetterhof, ein rechteckiger Holzbau von Architekt Roland Gnaiger, mit großem Innenhof und Hofladen. Foto: Manuel Zauner

Der Hof und viele seiner Felder liegen zwischen Dornbirn und Lustenau. Angebaut wird so ziemlich alles, was auf mitteleuropäischem Boden wachsen kann. Also auch scheinbare Exoten wie Pak Choi, Artischocken oder Pastinaken. Paradeiser, Zucchini oder Gurken wachsen indes im (klarerweise unbeheizten) Folientunnel. Ein Kunstgriff, den die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Vorarlberg notwendig macht.

Die Kartoffel, die Simon Vetter in der Fuxbau-Stube in Stuben am Arlberg hochhält, ist übrigens nicht irgendeine Grundbirn. Es ist eine St. Galler, und sie steht dafür, wofür der Vetterhof als Ganzes steht. Für das Bekenntnis zur Tradition und gleichzeitig die stetige Suche nach Innovation und Neuem.

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Foto: Manuel Zauner Foto: Manuel Zauner

Die St. Galler ist eine Kreuzung, und die Idee zu dieser Kreuzung hatte ein Schweizer. Auslöser war ein ästhetischer Schwachpunkt der meisten blauen oder violetten Kartoffelsorten. Sie sehen zauberhaft aus und bereichern jeden Stampf und jeden Erdäpfelsalat. Nur: Sobald sie frittiert (und somit richtig heiß gemacht) werden, ändern sie die Farbe von blau zu braun. Der Flawiler Agronom Christoph Gämpeli begann zu experimentieren und züchtete die perfekte blaue Kartoffel, deren Farbe den heißesten Fettattacken standhält.

Jetzt stand Simon Vetter Spaten bei Fuß und baute die neue aus den alten Sorte an. Auf seinen Bio-Äckern wachsen die Sankt Galler, und zwar so viele davon, dass die Vorarlberger in den Genuss in Form des Bio-Kistls kommen. Die Verwendungsmöglichkeiten in der Küche sind vielfältig. Allen voran natürlich als optischer Aufputz für den Kartoffelsalat. Dabei sind sie nicht nur ein Fest fürs Auge. Die Kartoffel ist vorwiegend festkochend und hat einen intensiven, süßlich-nussigen Geschmack. Ein Allrounder im Topf und bestens geeignet für den eben genannten Salat, Röstkartoffeln, Püree oder Pommes frites. Und natürlich für Chips, die in der feinen Küche eher dekorativen Charakter haben und (dort) weniger als Snack dienen. Mittlerweile kochen Spitzenköche am Arlberg (natürlich auch in Stuben) mit der violetten Kartoffel, und manchmal liefert Simon sie höchstpersönlich. Dann erzählt er den Helden am Herd auch von seinen Freilandschweinen, den Rindern, der abartig guten Pastrami und den eingelegten Tomaten. Und wieder grinst er, weil er weiß, dass er mehr zu bieten hat, als andere.

Wer mag, kann auch am Hof vorbeikommen. „Wir zeigen unsere Felder und Ställe gerne interessierten Leuten und beantworten eure Fragen. Am besten während der Öffnungszeiten des Hofladens, damit ihr uns nicht zwischen Karotten- und Salatfeldern suchen müsst“, lädt Simon Vetter ein. Wer sich aktiv die Hände schmutzig machen will: Man kann auch einen Tag lang am Hof mitarbeiten und das bäuerliche Leben so richtig kennen lernen.

Infos: Die Produkte sind in der Gemüsekiste, ab Hof oder Markt erhältlich. www.vetterhof.at

Den gesamten Artikel lesen Sie in der LEBENSART Sept/Okt 2017: diese Ausgabe der LEBENSART bestellen / LEBENSART abonnieren