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Vom Feld auf den Teller

Gemeinsam anpacken und genießen.

Kisten mit Karotten, roten Rüben, Kartoffeln und Kraut von oben fotografiert.
Foto: GeLa Ochsenherz

Unser Ernährungssystem verursacht alarmierende Umweltauswirkungen. Immer mehr Menschen suchen nach zukunftsfähigen Alternativen und entwickeln gemeinsam spannende Lösungen, die sowohl unsere Umwelt verbessern als auch unsere Gemeinschaft stärken.

Erntemorgen, das Team versammelt sich zum gemeinsamen Beginn. Susannas Handy piepst. Die zweite Ernteleiterin ist krank. Nach kurzer betretener Stille meldet sich Pedro, um die Ernteleitung zu übernehmen. Er hätte heute frei und ist nur da, weil einige auf Urlaub sind. Susanna lacht: „So ist das bei uns! Flexibilität ist gefragt. Irgendwie geht es immer, weil wir zusammenhalten. Und so bekommen wir alle richtig frisches und nachhaltig angebautes Gemüse!“

Das ist etwas Besonderes, denn ein Drittel der globalen CO2-Emissionen, 30 Prozent des Energieverbrauchs, 70 Prozent der Süßwassernutzung und 70 Prozent der verlorenen Biodiversität gehen auf das Konto unseres aktuellen Ernährungssystems und der industrialisierten Landwirtschaft. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Böden weltweit ist in einem sehr schlechten Zustand, ein Drittel der produzierten Lebensmittel wird weggeworfen. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft und lokale Ernährungssysteme können eine Antwort auf diese Herausforderungen sein. Inspiriert von Vorbildern in den USA und Kanada hat sich 2011 mit GeLa Ochsenherz in Österreich erstmals ein Gemüsebaubetrieb als solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) organisiert. Heute gibt es über 60 SoLaWis in Österreich.

SAVE THE DATE

10 JAHRE SOZIOKRATIE ZENTRUM ÖSTERREICH

10. November 2023 in Wien

Das Soziokratie Zentrum Österreich feiert sein Jubiläum mit einem inspirierenden und interaktiven Programm. Neben spannenden Keynotes gibt es viel Gelegenheit für Austausch mit soziokratischen
Akteur*innen aus Schulen, Wohnprojekten, Unternehmen und anderen Organisationen. Der Ticketverkauf erfolgt auf freiwilliger solidarischer Basis.

www.soziokratiezentrum.org

Community auf Augenhöhe

Bei einer solidarischen Landwirtschaft schließen sich Konsument*innen und Produzent*innen zu einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. Die Konsument*innen finanzieren den landwirtschaftlichen Betrieb über ihre Beiträge für eine Saison und bekommen im Gegenzug einen Anteil der Ernte. Susanna Kohlweiß-Czerny von GeLa Ochsenherz schwärmt: „Wir sind ein supertolles Team. Gärtner*innen und Ernteteiler*innen sind durch ein gemeinsames Ziel verbunden.“

Einen ähnlichen, aber ganz neuen Ansatz verfolgt Soilful mit dem Aufbau von SoLaWis mit und für Unternehmen. Professionelle Gärtner*innen bauen direkt am Unternehmensstandort Bio-Gemüse für die Mitarbeiter*innen an. Durch integrierte Freiluftarbeitsplätze, gemütliche Sitzecken und den direkten Kontakt mit den natürlichen Kreisläufen werden die Soilful-Farmen zu einem Ort des Kulturwandels, der Begegnung und Erholung.

Vorteile für Konsument*innen und Produzent*innen

Die Konsument*innen erhalten frisch geerntetes Gemüse, in größerer Vielfalt und besserer Qualität als im Supermarkt. Sie wissen, wo, wie und von wem ihre Lebensmittel produziert werden, und haben Mitgestaltungsmöglichkeiten. Durch solidarisch gewählte finanzielle Beiträge bekommen auch Menschen mit geringerem Einkommen Zugang zu hochwertigen Bio-Lebensmitteln.

Die Landwirt*innen profitieren von einem stabilen, planbaren und im Idealfall faireren Einkommen als in der Branche üblich. Sie teilen das Risiko für Ernteausfälle mit den Konsument*innen, können die Produktionsmengen auf deren Bedürfnisse abstimmen und müssen weniger Lebensmittel wegwerfen. Oft erhalten Betriebe aktiv Unterstützung von ihren Mitgliedern, zum Beispiel bei der Ernte oder der Administration.

Eine Frau steht vor einem Marktstand und hält eine große Zuccine hoch.
Foto: Thomas Marek

Foodcoops als Alternative zum Supermarkt

In Foodcoops schließen sich Konsument*innen zu Einkaufsgemeinschaften zusammen, die Produkte direkt von landwirtschaftlichen Betrieben aus der Region beziehen. Auch viele solidarische Landwirtschaften und Marktgärtnereien liefern ihre Lebensmittel an Foodcoops, von denen es in Österreich etwa 100 gibt. So wie bei den Foodcoops LebensMittelPunkt HaWei und Krakarotte entscheiden die Mitglieder gemeinsam, wie sie sich organisieren und nach welchen Kriterien Lieferanten ausgesucht werden. “Wir kennen unsere Produzent*innen und das bringt eine ganz andere Wertschätzung mit sich als der anonyme Einkauf im Supermarkt“, erklärt Luise Ogrisek von Krakarotte.

Gesunder Boden – gesundes Essen – gesunde Menschen!

All diesen Initiativen geht es um die Produktion und den Vertrieb von Lebensmitteln zu fairen Bedingungen für die Umwelt und alle Beteiligten. Die Verantwortung für Boden und Biodiversität wird von den Landwirt*innen und den Konsument*innen gemeinsam getragen. GeLa Ochsenherz und Ouvertura arbeiten auf Boden der Munus Stiftung, der als Gemeingut der nachhaltigen Lebensmittelproduktion gewidmet ist. Die beiden SoLaWis düngen mit Pflanzen, verwenden Mulch und arbeiten mit Fruchtfolgen, die dem Boden wieder zurückgeben, was ihm durch das Gemüse genommen wird. Ein gesunder Boden gewährleistet gesunde, nahrhafte Pflanzen und ist Basis für eine gesunde Ernährung. Blühstreifen zwischen Dämmen, Windschutz- und Mehrnutzungshecken bieten Platz für Vögel und Insekten und reduzieren die Verdunstung.

Eine Methode für solidarische Zusammenarbeit

SoLaWis, Marktgärtnereien und Foodcoops werden meist von vielen Menschen partizipativ aufgebaut und getragen. Wie kann eine gute Zusammenarbeit gelingen, wo klassische Hierarchien nicht gewünscht sind? Alle hier vorgestellten Initiativen verwenden die Soziokratie als Organisations- und Entscheidungsfindungsmethode.

Soziokratie heißt übersetzt „Gemeinschaft regiert“. Der Name ist Programm. Beteiligung, aktives Mitgestalten und gemeinsames Entscheiden mittels einer klaren Struktur, der KonsenT-Methode, stehen im Zentrum – denn es geht darum, dass alle Mitverantwortung übernehmen. Für Sandra Löcker-Herschkowitz von der Foodcoop LebensMittelPunkt HaWei ist klar: „Bei uns arbeiten alle Mitglieder in einer unserer Arbeitsgruppen mit. So gelingt es besser, die ehrenamtliche Arbeit zu verteilen.“

Einwände verbessern die Lösung

Soziokratie bedeutet, dass alle unterschiedlichen Meinungen auf den Tisch kommen und durch Moderation Wertschätzung und effektive Treffen gewährleistet werden. Das fruchtet: „Es gibt hohes Vertrauen in die Entscheidungen“, bestätigt Julia Dudas von Ouvertura. Der soziokratische Ansatz, bei der Entscheidung Einwände in die Lösung zu integrieren, hat Ähnlichkeiten mit der gärtnerischen Herangehensweise, mit der Natur zu arbeiten, statt gegen sie anzukämpfen.

KonsenT

Soziokratische Entscheidungsmethode

KonsenT bedeutet, dass es keinen schwerwiegenden Einwand im Hinblick auf das gemeinsame Ziel gibt. Dabei wird das Gespräch für die Entscheidungsfindung in moderierten Runden geführt – zuerst kommen alle Informationen auf den Tisch, dann werden die Meinungen der Reihe nach ausgetauscht und in der nächsten Runde ein verbesserter Vorschlag entwickelt. Dieser wird zum KonsenT gestellt. Kommt ein schwerwiegender Einwand, so wird er in einer weiteren Runde in die Lösung integriert. Liegt kein solcher (mehr) vor, ist der Beschluss gefasst.

Werde Teil der Lösung!

Du hast Lust bekommen, ein zukunftsfähiges, solidarisches Ernährungssystem mitzugestalten? Hier findest du weiterführende Informationen:

www.solawi.life

www.munus-stiftung.org

www.marktgaertnerei.at

www.foodcoops.at

www.soziokratiezentrum.org

GeLa Ochsenherz

Pionier des gemeinsamen Landwirtschaftens in Gänserndorf (Abholung auch in Mödling, Maria-Enzersdorf, Moosbrunn und Wien)

Die elf Hektar große SoLaWi stellt ganzjährige Versorgung ohne beheizte Tunnel bereit. Gärtner*innen und Ernteteiler*innen ziehen an einem Strang und setzen Biodiversitäts- und Klimaschutzmaßnahmen um. Wichtige Entscheidungen werden in gut vorbereiteten und moderierten Kreistreffen getroffen. Verteilte Verantwortlichkeiten werden eigenständig umgesetzt.

www.ochsenherz.at

Mehrere Menschen arbeiten gemeinsam am Feld.
Foto: GeLa Ochsenherz
Mehrere Menschen kümmern sich in einem Folientunnel um Tomatenpflanzen.
Foto: GeLa Ochsenherz
Eine Henne flattert mit den Flügeln während sie von einem Heuballen hüpft.
Foto: Ouvertura

Ouvertura

SoLaWi inklusive Hühnerhaltung in Moosbrunn (Abholung auch in Wien, Mödling, Maria-Enzersdorf und auf Anfrage in Gänserndorf und Kottingbrunn)

Ouvertura bietet eine ungewöhnliche Palette an selbst produzierten Lebensmitteln wie z. B. Eier, Getreide, Mehl, Nudeln, Pilze, Tees, Eintöpfe, Fruchtmus und hält Hühner in besonders artgerechter Freilandhaltung. Unter dem Motto „Nimm, was Du brauchst – und gib, was Du kannst“ kann der finanzielle Beitrag ganzjährig frei gewählt werden.

www.ouvertura.at

Mehrere Menschen stehen um Hochbeete.
Foto: Verena Baca

LebensMittelPunkt HaWei

Foodcoop im Grätzl in Hadersdorf-Weidlingau

Bestellgemeinschaft, die Lebensmittel direkt bei regionalen Produzent*innen bezieht und über gemeinschaftlich verwalteten Lagerraum verteilt. Der Verein ohne Angestellte ist in Arbeitsgruppen unterteilt, die die meisten Entscheidungen treffen. Jedes Mitglied arbeitet ca. zwei Stunden pro Monat mit. Die Leitung der Arbeitsgruppen rotiert jährlich.

www.lebensmittelpunkt-hawei.at

Krakarotte

Foodcoop im soziokratischen Wohnprojekt in Wien

Eingebettet in die gut organisierte soziokratische Struktur des Wohnprojekts Wien versorgt Krakarotte hauptsächlich Wohnprojekt-interne, aber inzwischen auch externe Mitglieder. Sehr beliebt sind die jährlichen Speisereisen zu den Lebensmittelproduzent*innen.

www.wohnprojekt.wien

Soilful

Solidarische Landwirtschaft für Unternehmen

Soilful baut soziokratisch organisierte, regenerative Gemüsefarmen direkt am Standort von Unternehmen auf.

www.soilful.net

Annemarie Schallhart

Integrale Soziokratie- und Nachhaltigkeitsexpertin

www.schallhart.com

Tatjana Tupy

Regenerative Gärtnerin und Soziokratie-Expertin

www.tatjanatupy.at