„Österreich braucht eine neue Energiestrategie“
Gastkommentar von Prof. Dr. Reinhold Christian
Bei der Klimakonferenz in Paris haben sich 195 Nationen ehrgeizige Ziele gesetzt, nämlich, das 2 °C-Ziel deutlich zu unterschreiten. Die einzelnen Staaten brachten Selbstverpflichtungen ein, die allerdings eine Erwärmung von etwa +2,7 °C bringen würden. Es braucht also weitere Anstrengungen. Dabei betrifft die Industriestaaten eine besondere Verpflichtung. Auch Österreich ist gefordert, sich wesentlich stärker als bisher zu engagieren.
Das Ziel muss heißen „Vollversorgung mit erneuerbaren Energieträgern“. Die in Österreich ökologisch und sozial verträglich erschließbare erneuerbare Energie kann schon den aktuellen Energieverbrauch bei weitem nicht decken. Statt weiterer Zuwächse muss dazu der Bruttoinlandsverbrauch zumindest halbiert werden. Die Studie Zukunftsfähige Energieversorgung für Österreich (ZEFÖ) von Umwelt Management Austria zeigt andererseits, dass enorme technische Möglichkeiten bestehen, um mit weniger Energie besser zu leben: Wir konsumieren ja nicht Energie unmittelbar sondern Energiedienstleistungen, wie behaglich warme Räume, erledigte Transporte von Menschen und Gütern, Produkte und Dienstleistungen – die allesamt auch mit wesentlich weniger Energie als derzeit gesichert werden können. Die Energiewende ist allerdings trotzdem eine große Herausforderung, da sie Umstellungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen erfordert.
Österreich wird seine im Rahmen der EU eingegangen Verpflichtungen bis 2020 vermutlich einhalten können. Für 2030 oder 2050 hat Österreich allerdings nach wie vor keine verbindlichen Ziele. Das aktuelle Energieeffizienzgesetz ist absolut unzureichend, weil es nicht alle Aggregate der Gesamtenergiebilanz einbezieht, Ziele für 2030 und 2050 fehlen und Einsparverpflichtungen viel zu schwach sind.
Österreich braucht also eine neue Energiestrategie. Teilziele, Maßnahmen – Terminpläne müssen ausgearbeitet werden, um die ehrgeizigen langfristigen Ziele schrittweise erreichen zu können. Es geht darum, generell eine sehr hohe thermische Qualität von Gebäuden zu sichern, die Angebote des öffentlichen Verkehrs wesentlich zu verbessern und im Individualverkehr auf Elektromobilität zu setzen, effiziente Geräte, Maschinen und Anlagen einzusetzen … Einsparpotenziale also möglichst vollständig zu nutzen. Dazu müssen auch zahlreiche finanzielle und rechtliche Hemmnisse ausgeräumt werden.
Bewusstseinsentwicklung, Verhaltensänderung, ja letzten Endes sind ein Paradigmenwandel und eine Transformation des Energiesystems notwendig, um auf diese Weise den Klimawandel zu lindern und wirtschaftliche Katastrophen angesichts knapper werdender fossiler Energieträger zu vermeiden.
Das Ziel lohnt allerdings die Anstrengung: Wissenschaftler sehen eine breite Palette positiver Aspekte, von Umweltqualität und Klimaschutz bis zu volkswirtschaftlichen und individuellen positiven sozialen Auswirkungen, Unabhängigkeit von Energieimporten sowie Einkommen und Arbeit im Inland.
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