Sharing Economy braucht Regeln
"Teilen statt Besitzen“ liegt im Trend. Die NutzerInnen wünschen sich jedoch mehr Regulation innerhalb von Sharing Communities, um Konflikte zu vermeiden.
Geteilt werden Wohnungen, Autos, Fahrräder, E-Scooter, aber auch Werkzeug, Büroflächen, Gemeinschaftsgärten und vieles mehr. Aktuelle Studien an der WU machen unterschiedliche Problemzonen und Herausforderungen deutlich: Viele NutzerInnen wünschen sich mehr Regulation innerhalb von Sharing Communities, um vorprogrammierte Konflikte zu vermeiden. Andererseits zeigen sich im internationalen Vergleich Stadtverwaltungen noch recht uneinig, wie sie der Sharing Economy gegenüberstehen und wie sie aus einer Steuerungsperspektive damit umgehen sollen.
Das Aufkommen der Sharing Economy stellt eines der eindrucksvollsten Beispiele für neue Formen des Organisierens und für innovative Geschäftsmodelle dar. Im Gegensatz zu den Ursprüngen im ländlichen Kontext präsentiert sich die moderne Sharing Economy heute vorwiegend als ein urbanes Phänomen. Die „Ökonomie des Teilens“ gilt für viele Menschen auch als Hoffnungsträgerin für mehr soziale Verantwortung, Ressourcenschonung und ökologischen Wandel. Dennoch stellt sie insbesondere Stadtverwaltungen zunehmend vor veritable Herausforderungen, wie die jüngsten Vorkommnisse auch in Wien (siehe OBike-Pleite) zeigen. Diskussionen rund um fairen Wettbewerb, Durchsetzung der Abgabenpflicht für Sharing Economy Unternehmen sowie Sicherstellung von angemessenen Sozialstandards für „Beschäftigte“ in der Sharing Economy ergänzen das Bild.
An der WU Wien forschen mehrere Teams an der Sharing Economy
WU-Professor Markus Höllerer, Leiter des Instituts für Public Management und Governance, widmet sich gemeinsam mit der Stadt Wien unter anderem der Frage, wie Stadtverwaltungen im internationalen Vergleich die Sharing Economy interpretieren und entsprechende Antworten aus einer Steuerungsperspektive formulieren. „Die Sharing Economy stellt Verwaltung mitunter vor komplett neue Herausforderungen: Wie soll die Stadt Wien beispielsweise angesichts der Konflikte zwischen Uber und Co. und dem Wiener Taxigewerbe reagieren, wie der Flut von wahllos in der Stadt abgestellten Fahrrädern oder E-Scootern begegnen, oder wie der Verknappung von Wohnraum durch ein steigendes Angebot an Airbnb Wohnungen entgegentreten?“
Verschiede Zugänge, noch wenig Einigkeit
Höllerer und sein Team untersuchten dafür einschlägige Positionspapiere von Weltstädten sowie die dahinterliegenden Diskussions- und Entscheidungsprozesse und erarbeiteten in einem ersten Schritt zentrale Rahmungen von Chancen und Herausforderungen, die in der Sharing Economy gesehen werden. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, mit welchen Steuerungsinstrumenten die Städte auf diese reagieren. „Unsere Analysen ergeben ein vielschichtiges Bild. Insgesamt sind sich Städte, insbesondere in Kontinentaleuropa, noch recht uneinig, was die Sharing Economy konkret für sie bedeutet – und daher auch, wie sie am besten damit umgehen.“ Es zeigen sich allerdings erste Grundtendenzen in den erhobenen Daten. Städte, die die Sharing Economy überwiegend als Stärkung des Gemeinwohls interpretieren, nutzen ExpertInnenwissen und denken verstärkt eigene städtische Sharing Angebote an. Umgekehrt reagieren Städte mit einem Verständnis der Sharing Economy als gesellschaftliche Gefährdung recht deutlich mit Regulierungsambitionen. Eine Interpretation, die Markt-Disruption in den Vordergrund stellt, führt verstärkt zu einer Orientierung und Ausrichtung der Governance-Struktur an anderen Verwaltungen – national wie international –, ein Begreifen der Chance auf ökologischen Wandel hingegen zu einer umfassenden Informationsstrategie, Förderung, und zu Partnerschaften mit Sharing Economy Organisationen. Presseinformation,
Regulation als Weg zur Konfliktvermeidung
Damit Teilen funktionieren kann, müssen KonsumentInnen oftmals ihr Konsumverhalten ändern – Rücksicht ist gefragt, und Konflikt oft vorprogrammiert. Im Forschungsteam „Collaborative Consumption“ untersuchten Thomas Sabitzer vom Kompetenzzentrum für empirische Forschungsmethoden an der WU und sein Team, was „Sharing Communities“ tun können, um Konflikte zu vermeiden. Im Rahmen zweier Fokusgruppendiskussionen analysiert er, wie Regulation in Sharing Communities wahrgenommen wird und welche Regulation erwünscht ist. In einer darauf aufbauenden Fragebogenstudie mit GemeinschaftsgärtnerInnen wurde im zweiten Schritt untersucht, wie die Art der genutzten Regulation (Kontrollen/Strafen vs. Service/Support) mit der Konflikthäufigkeit und dem Umgang mit Konflikten korreliert.
Unterstützung statt Kontrolle
Sowohl in den Fokusgruppendiskussionen als in der Fragebogenstudie zeigte sich, dass sich die Untersuchungspersonen mehr Regulationen in ihren Communities wünschen. Diese sollen aber nicht aus Kontrollen und Bestrafungen bestehen, sondern vielmehr geht es dabei um gemeinsam festgelegte Regeln und Ziele sowie darum, dass auftretende Probleme demokratisch besprochen und gelöst werden. „Die Ergebnisse zeigen, dass weiche Regulation in Form von Unterstützung und Information mit weniger Konflikten, besseren Konfliktlösungen, einem besseren Gruppengefühl, sowie mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedern zusammenhängt“, so Sabitzer. „Umso wichtiger ist es, dass Mitglieder von sharing communities versuchen sich gegenseitig zu unterstützen, z.B. ältere Mitglieder dabei auch als ExpertInnen agieren, die bei Fragen kontaktiert werden können, Informationen zur Verfügung stellen und auch als Vorbild für die neuen Gruppenmitglieder agieren, sowie bei Problemen und Entscheidungen alle Mitglieder einbinden.“ Kontrollen und Strafen sollten vermieden werden da diese mit häufigen Konflikten und einem schlechten Gruppengefühl einhergehen. „Weiche Regulation könnte daher ein Schlüsselfaktor für Kooperation in sharing communities sein, der ein Funktionieren des Teilens in Gruppen ermöglicht und dadurch eine nachhaltige Entwicklung fördert.“